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Bullen tanzen in den Mai

01.05.2009  |  Klaus Singer
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Viertens: "Earnings 2003" sind nicht "Earnings 2009". Erst kürzlich wurden die Bilanzierungsvorschriften wieder geändert, so dass den Unternehmen in der Bewertung ihrer Assets ein viel größerer Spielraum gewährt ist. Das nutzen momentan insbesondere die Banken, sie reduzieren ihren Abschreibungsbedarf. Das verschleiert das wahre Ausmaß der faulen Assets in ihren Büchern, wirkt aber, und das ist Sinn der Sache, gewinnsteigernd. Die  starke Diskrepanz zwischen "as-reported" und "operating earnings" im Banklastigen S&P 500 gibt einem zumindest ein Gefühl dafür, in welchem Umfang hier "geschoben" wird.

Aus "drittens" ergibt sich, dass die Wachstumsaussichten heute viel ungünstiger sind als 2003 und der vierte Punkt macht deutlich, dass die Gewinne heute in Relation zu 2003 wesentlich höher ausfallen (bzw. noch weniger mit der Realität zu haben als damals). Damit aber sind die Aktien heute de facto bereits sehr viel höher bewertet als im April 2003. Mancher bullisch eingestellte Marktteilnehmer möchte das natürlich auch nicht hören und redet von Schnäppchenpreisen.

Nun, die Börse ist kein Ökonomenkongress. Die Kurse steigen im Rahmen eher -vorsichtig gesagt- ungünstiger Voraussetzungen. Dieses Jahr negatives Wirtschaftswachstum, nächstes bestenfalls schlapp positiv, hohe KGV-Bewertung, geringe Inflation/Deflation. Gleichzeitig steigt die Geldmenge drastisch. Sie kommt in der Realwirtschaft nicht an, statt dessen fließt sie in die Löcher, die das Platzen der Kreditblase hinterlassen hat - siehe Chart "Reserve-Ratio". Und ein Teil davon wird abgezweigt, um zu spekulieren. Also Inflation in den Asset-Märkten - überschüssige Liquidität zum Nulltarif treibt momentan die Kurse.

Die Fed hat im Kommunique ihrer gestrigen FOMC-Sitzung ihre Einschätzung der wirtschaftlichen Lage einen Tick weniger negativ justiert. Das stimmt mit dem Verlauf einiger Makrodaten überein, die in ihrer Fallgeschwindigkeit etwas nachlassen. So beim Verlauf der Hauspreise in den USA, so auch beim Verbrauchervertrauen, dessen Teilindex der künftigen Erwartungen gegenüber dem Vormonat kräftig anstieg und damit den gesamten Index hoch zog. Aber wie bei den anderen, von mir verfolgten Makrodaten, so kann auch hier von einer Trendwende keine Rede sein. Die voreilend verbesserte Stimmung müsste schon durch steigende Einkommen unterfüttert werden. Angesichts dessen, was sich z.B. im Bereich der Kfz-Industrie um GM und Chrysler abzeichnet, ist das kurzfristig eher nicht zu erwarten - im Gegenteil. 

Stimmt - die zuletzt wieder verstärkt beobachtete Haltung, negative Nachrichten weg zu stecken, ist als bullische Stärke zu werten. Bullische Stärke derer, die sich bisher in den Markt gekauft haben. Seit Anfang März bis zum Ende der vergangenen Woche befand sich die Volumenverteilung in Akkumulation (wenige kaufen viel). In der jetzt angelaufenen Distributionsphase (viele kaufen (wenig)) muss sich zeigen, was von der bullischen Stärke auf die Seitenlinie überspringt. In den ersten beiden Tagen war davon nicht viel zu merken, die gestrigen Zugewinne führten im S&P 500 lediglich in den Bereich der am 17. April markierten Höchststände zurück.

Ab jetzt gilt es also: Erst wenn sich der S&P 500 in der angelaufenen Distribution über 875 festsetzen kann, kann von breit angelegter bullischer Stärke gesprochen werden. Analog gilt beim NDX die Marke von 1384, hier verläuft die EMA200. Der Index ist übrigens der erste, der seine EMA200 touchiert. Die darin offenbarte relative Stärke spricht ohne Zweifel für die Bullen.

Und trotzdem, die Gefahr zumindest eines technischen Betriebsunfalls steigt. Die technische Lage ist sehr stark überdehnt. Niemand möchte seine seit Anfang März aufgelaufene Gewinne bei Aktien wieder hergeben. Natürlich will aber auch niemand ohne Anlass aus dem Markt aussteigen. Und so steigt das Risiko. Welcher Anlass auch immer herangezogen wird, ob die Schweinegrippe oder ein Sack Reis, der irgendwo in China umfällt - eine Korrektur kommt in einer solchen Situation gerne völlig unerwartet.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de







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