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Green Shoots

16.05.2009  |  Klaus Singer
Die Expansion der Finanzmärkte innerhalb der vergangenen acht Wochen zeigt Wirkung: Wurden die Kommentare bis Mitte März immer pessimistischer, so will jetzt niemand mehr als Miesepeter dastehen.

Die Beobachter beeilen sich, überall sogenannte Green Shoots zu entdecken. Jede Verlangsamung eines Abwärtstrends bei irgendwelchen Makrodaten wird als Anzeichen dafür genommen, dass das Schlimmste hinter uns liegt, dass die Wirtschaft die Kurve kriegt (fragt sich nur, welche).

Selbst die Arbeitsmarkdaten müssen als Notanker für diese überaus optimistische Sichtweise herhalten. Da diese aber mit großer Verzögerung nachlaufen, sind sie nun gerade am wenigsten geeignet, in einer konjunkturellen Bodenbildungsphase als Frühindikator herzuhalten. Davon abgesehen: Ein monatlicher Stellenverlust in Höhe von zuletzt gut einer halben Million ist keine frohe Botschaft.

Etwas handfester sind da schon die Signale, die der Verlauf der Einzelhandelsumsätze in den USA aussendet (Chart!). Und da hat sich bei den zur Wochenmitte veröffentlichten Daten alles andere, nur keine Trendumkehr gezeigt. Der Umsatz ist im April um 0,4 Prozent zurückgegangen. Erwartet wurden um 0,0 Prozent nach minus 1,3 Prozent im Vormonat. Der kleine Hupfer im Januar und Februar ist damit wieder relativiert. Der Einzelhandelsumsatz ist deshalb ein wichtiger Konjunkturindikator, weil die das US-BIP überwiegend Konsum-getrieben ist.

Ansonsten aber, zugegeben, allerorten kann man bei den verschiedenen Makrozeitreihen  erkennen, dass sich deren Fallgeschwindigkeit verlangsamt. Das ist allerdings auch kein Wunder nach dem heftigen Absturz in den zurückliegenden zwei Quartalen. Die Daten dürften sich in den nächsten paar Monaten möglicherweise noch etwas weiter verbessern. Ich sehe einen wichtigen Grund dafür eben gerade in der Heftigkeit des vorherigen Absturzes. Die Distributionsketten sind leer gefegt und allein um diese wieder auf ein halbwegs mittleres Niveau zu führen, entsteht schon eine Belebung der Nachfrage und damit eine ansteigende Produktionstätigkeit.

Eine Trendwende leitet das alleine aber nicht ein und bedeutet auch nicht, dass die zyklische Krise der Realwirtschaft ihren Tiefpunkt schon gesehen hat. Bei einem solchen güterwirtschaftlichen Einbruch und dem Platzen einer solchen Schuldenblase kann es wie bei einer Epidemie sein: Nach der ersten Welle kommt oft eine zweite, schlimmere. Durchaus denkbar daher, dass wir in ein Szenario hinein laufen wie Anfang der 1980er Jahre, als die letzte große Schuldenblase in den USA platzte. Damals folgten zwei Rezessionen dicht aufeinander.

Davon abgesehen ist noch unklar, welche "Zweitrundeneffekte" der Kollaps im Gütermarkt mit Verzögerung bei den Banken bewirkt. Die Ergebnisse der Stress-Tests bei den 19 größten amerikanischen Banken sollten zwar nahe legen, dass auch hier das Schlimmste überstanden ist. Aber allein die Tatsache, dass die Ergebnisse verhandelbar waren, zeigt, dass diese Aktion nur ein Werbegag war. So wurde z.B. im Fall der Citigroup der Kapitalbedarf von 35 auf fünf Mrd. Dollar herunter geredet. Auch räumte ein Angehöriger der US-Aufsichtsbehörden ein, erst die jüngste Rallye am Aktienmarkt habe passable Ergebnisse der Stress-Tests ermöglicht. Wozu eine Bärenmarktrallye doch gut ist ...

Die überschießende Liquidität in Form von Steuerzahlers Rettungsgeld für die sich selbst in Schieflage spekuliert habenden Banken lieferte die notwendige Bedingung für die in ihrer Stärke und Gleichförmigkeit beeindruckende Expansion der Finanzmärkte. Welche Dimension die Liquiditätsausstattung angenommen hat, lässt sich erahnen, wenn man die Entwicklung der gesamten zu den Überschuss-Reserven des US-Bankensystems ansieht (Chart!). Die hinreichende Bedingung für die Expansion war eben der überall aufkeimende Optimismus a la "jetzt kann es nur noch aufwärts gehen".

Kurse machen Nachrichten - die Medien lieferten zügig die Begleitmusik "Green Shoots everywhere" und dazu wiederum passend traten Krugman und Meltzer zuletzt die Inflationsdebatte erneut los. Meltzer behauptete, es sei in der Geschichte noch niemals vorgekommen, dass auf eine Periode solch hoher Staatsverschuldung wie aktuell nicht eine stark inflationäre Phase folgt. Worauf Krugman ihm mit dem Beispiel Japan der 1990er Jahre das Gegenteil bewies.

Die Gold-Bullen hörten die Kunde wohl, der Goldpreis konnte sich mittlerweile, wenn auch etwas mühsam, über das Niveau von 915 Dollar aufschwingen. Und mit Gold stiegen die Rohstoffpreise zum Teil deutlich an. Gleichzeitig zeigt der Dollar markante Schwäche und die alte Korrelations-Weisheit aus dem Bull-Run ab 2003 "schwacher Dollar - starke Aktien" kommt wieder zur Geltung.

Genau hier aber, bei den Rohstoffpreisen, liegt der Hase im Pfeffer. Steigen die zu schnell, drücken die steigenden Produktionskosten die Unternehmensgewinne, weil den Anbietern wegen der hohen Arbeitslosigkeit Marktmacht fehlt, um die Kosten auf die Preise zu überwälzen.





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