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V W vvvvvvv?

06.06.2009  |  Klaus Singer
In meinem vorherigen Beitrag an dieser Stelle hatte ich eine "sagenhafte Wirtschaftserholung" in Aussicht gestellt. Nicht ganz ernst gemeint - sagenhaft wird vor allem die neue, noch gigantischere Kreditblase.

Immer wieder werden Vergleiche zu 2003 gezogen, als die zurückliegende Hausse begann. Analysiert man den wirtschaftlichen Hintergrund, so ist die Lage heute grundverschieden zu der damals. Ich greife einige Makrodaten heraus.

Der Industrial Production Index (Chart!) brach seinerzeit zwischen August 2000 und Dezember 2001 um 6 Prozent ein. Der aktuelle Rückzug dieses Index von seinem Hoch im Frühjahr 2008 beträgt mehr als 13 Prozent und sein Verlauf hat bislang keinen Boden ausgebildet.

Die Zahl der Arbeitsplätze ist in den USA zwischen Frühjahr 2001 und Juni 2003 um knapp 2 Prozent gesunken (Chart!). Aktuell sind gegenüber dem Hoch im Februar 2008 4 Prozent der Jobs verloren gegangen, auch hier ist bisher keine Bodenbildung festzustellen.

Während die "Personal Consumption Expenditures" (Chart!) in den Rezessionen von 1991 und 2001 kaum merklich reagierten, sind sie zwischen August und Dezember 2008 um fast 3,5 Prozent geschrumpft. Zuletzt konnte sich der PCE zwar wieder etwas stabilisieren, aber die Trendrichtung zeigt noch nach unten. Die Einzelhandelsumsätze (Chart!) sind von Juli 2008 bis heute um rund 9,7 Prozent eingebrochen, auch hier zeigt die Trendrichtung trotz leichter Stabilisierung noch weiter nach unten.

Die US-Sparquote (Chart!) steigt seit August 2008 kontinuierlich an und liegt jetzt bei 5,7 Prozent. Zwar hatte die Sparquote in der Rezession von 2001 auch kurz reagiert, aber eine nachhaltige Aufwärtsbewegung trat nicht ein, erst recht nicht in der Rezession von 1991.

Das Verhältnis zwischen Überschussreserven und den gesamten Reserven im US-Bankensystem (Chart!) liegt seit Oktober 2008 konstant über 80 Prozent. Das zeigt einerseits die gewaltige Liquiditätsausstattung, andererseits die geringe Bereitschaft der Banken, Kredite zu vergeben. Dieses hohe Reserve-Verhältnis wirkt kontrahierend auf die Wirtschaftsentwicklung. In der Rezession 2001 gab es zwar ebenfalls eine Bewegung bis auf 33 Prozent, aber sie dauerte nur einen Monat lang, den September 2001. Das war vor allem  ein Reflex auf die Anschläge damals. Die Rezession 1991 zeigt nur eine unbedeutende Reaktion.

Und schließlich die amerikanischen Hauspreise, die gemessen am CSXR-Index (Chart!) von der Spitze im Juni 2006 bis dato um 33 Prozent geschrumpft sind - keinerlei Anzeichen einer Bodenbildung, geschweige denn einer Trendwende. Die letzten Daten stammen hier allerdings aus dem März.

Das sind wesentliche Unterschiede zwischen der heutigen Lage und der nach der Jahrtausendwende, aber auch zu der früherer Rezessionen. Die Einbrüche und Verwerfungen sind so gravierend, dass allein schon deshalb viel Zeit erforderlich ist, um wieder Tritt zu fassen. Die "Aufräumarbeiten" selbst nach einer "normalen" schweren Rezession ziehen sich mindestens ein Jahr über deren Ende hinaus hin. Mit ein paar Monaten ist es da heute erst nicht getan.

Da im Unterschied zu 2003 kein Wohlstandseffekt in Sicht ist, wie der damalige Haus-Boom in den USA, wird der Konsument die Karre dieses Mal nicht aus dem Dreck ziehen können. Genau deshalb ja auch die staatlichen Anreizprogramme. Da diese aber zum größten Teil nur einen Einmal-Effekt bringen, kommt keine glatte Erholung zustande, die sich in den Finanzmärkten als V-förmige Erholung abbilden würde (wie 2003).

Momentan sehen wir von der Makroseite immer noch nur eine Gegenreaktion. Mit dem vollen Ausbruch der Krise im Herbst 2008 wurden die Lager in den Distributionsketten leer gefegt. Die werden jetzt wieder hoch gefahren, gleichzeitig bessert sich die Stimmung, was die Nachfrage auf den Endmärkten wieder etwas belebt. Beides wirkt sich natürlich positiv auf die Produktion aus, wie sich u.a. am sich zumindest stabilisierenden Verlauf des ISM-Index ablesen lässt.

Aber wenn dieser erste Korrekturprozess in ein paar Monaten abgeschlossen ist, wird man sehr wahrscheinlich erkennen müssen, dass ein sich selbst tragender Aufschwung nicht in Gang gekommen ist. Das dürfte sich dann in einem W-förmigen Verlauf der Finanzmärkte abbilden. Möglicherweise kommt es aber sogar zu einer "double-dip"-Rezession, die sofort wieder das Thema "Depression" aktiviert. Das dürften die Finanzmärkte dann in einem volatilen Sägezahn auf niedrigem Niveau widerspiegeln.

Fed-Chef Bernanke äußerte sich jetzt vor dem Repräsentantenhaus so, dass er später im Jahr etwas Wachstum erwartet, aber das sei nicht robust. Hierzu schreibt Mohamed El-Erian, Pimco, das wirtschaftliche Wachstum werde nicht nur unter dem Potenzialwachstum bleiben, sondern dieses werde selbst auch fallen. Dann stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit der öffentlichen Schulden noch in viel schärferer Form und würde eher auf eine depressive Entwicklung hindeuten.

Finanzmärkte sind kein Ökonomenkongress und auch kein Super-Computer, der in Bruchteilen einer Sekunde alle neuen Entwicklungen "richtig" einschätzt und entsprechend handelt. Die Preisbildung an den Märkten folgt den Gesetzen des deterministischen Chaos, die Akteure sind von Herdentrieb bestimmt.





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