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Window-Dressing zum Quartalsende

20.06.2009  |  Klaus Singer
Knapp 4 Prozent hat der S&P 500 in den ersten drei Tagen dieser Woche verloren. Gestern kam wieder etwas Kaufinteresse auf. Interessant ist auch die Entwicklung im NDX - hier ist am 1. Juni eine Kurslücke unterhalb von 1448 entstanden. Sie wurde in der ersten Wochenhälfte "angehandelt", am Dienstag schloss der Index sogar knapp darin, aber vollständig geschlossen wurde das Gap nicht. Man hat den Eindruck, der Index wird mit Bedacht von dessen Unterseite bei gut 1435 weg gehalten - dazu später.

Während der NDX auf Schlusskurs-Basis sein Topp am 9. Juni gebildet hat, ließ sich der S&P500, schon etwas gequält, bis zum 12. Juni Zeit. Anlass für die Gewinnmitnahmen waren Makrodaten, die die Frage aufwarfen, ob man nicht in zu kurzer Zeit zu viele Aktien gekauft hat.

Die "V"-förmige Kurserholung bei Aktien spiegelt die Erwartung einer ebensolchen Konjunkturbelebung wider. Diese Wette wurde auf dem Prüfstand gestellt. Mancher Beobachter rechnet denn auch mit einer Korrektur der Aktienkurse um rund 10 Prozent.

Die neuesten Haussektor-Daten weisen auf eine gewisse Stabilisierung hin. So stiegen die "Housing-Starts" um 7,5 Prozent im Mai, aber steigende Hypotheken-Zinsen und hohe Lagerbestände sprechen gegen allzu viel Optimismus. Die Industrieproduktion (Chart!) jedoch fiel im Mai um 1,1 Prozent, sie liegt jetzt auf einem Niveau wie im Sommer 1998. Auch die Kapazitätsauslastung ging zurück, und zwar auf das Niveau von 1967.

Auch von Seiten der Inflation kamen eher schlechte Nachrichten. Der PPI ist im Mai um 0,2 Prozent gestiegen, erwartet wurde ein Anstieg von 0,6 Prozent; die Kernrate ist sogar um 0,1 Prozent gefallen. Die US-Verbraucherpreise sind im Mai nur um 0,1 Prozent gestiegen, erwartet wurden plus 0,3 Prozent. Im Jahresvergleich sank der CPI um 1,3 Prozent. Damit ist der Inflationsausblick weniger stark als "gehofft", was den Aktien-Bullen angesichts der exorbitanten Bewertungen ein Argument nimmt.

Mark Thoma schreibt zum Thema Inflation, ein Drittel der den CPI bildenden Preise falle jetzt. Zudem sei ihre Zahl im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Das sei zwar noch keine Deflation, aber dennoch ein ernstes Signal.

Mit der Frage der V-förmigen Erholung hatte ich mich zuletzt am 5. Juni 2009 im Artikel "V W vvvvvvv?" beschäftigt. Wir haben nicht einfach eine "normale" Rezession, die ein "V" rechtfertigen könnte.

Je weiter die Aktien-Kurse steigen, je mehr steht die Wette auf eine V-förmige Erholung auf dem Prüfstand. Sie benötigt permanente Bestätigung. Bleibt die aus, dann kann es rasch zu Kursbewegungen kommen, die über reine Gewinnmitnahmen hinausgehen.

Gestern hatten die Akteure zunächst etwas Mühe, den aktuellen Makrodaten bullische Energie abzugewinnen. Schließlich gelang es, allerdings zeigt das niedrige Volumen, dass die Unterstützung der bullischen so breit nicht war.

Verzerrt wird die Preisbildung in den Finanzmärkten aktuell noch durch den Hexensabbat. In den Tagen davor kommt es meist zu erhöhter Volatilität, die zum Stichtag hin nachlässt. Eine klarere Richtung entwickelt sich erst danach. Hinzu kommt, dass die großen Akteure zum Quartals- und Halbjahresschluss natürlich Window-Dressing betreiben. Daher dürfte die Wahrscheinlichkeit hoch sein, dass sich die Kurse nochmals eher an den jüngst markierten Hochs orientieren. Aber danach ist alles offen.

Die angelegentlichen Versuche, den NDX von der Unterseite seines Gaps wegzuhalten, interpretiere ich in diesem Zusammenhang kurzfristig genau als Bestätigung für den durch Window-Dressing bedingten Kaufzwang vor Quartalsende. Übergeordnet sehe ich das allerdings eher bärisch. Bleibt die Kurslücke nämlich offen, bleibt Unsicherheit. Man kann es auch rumdrehen: Wenn sie jetzt nicht geschlossen wird, ist das ein Zeichen bullischer Schwäche. Und man kann fast sicher sein, dass das Gap recht bald nach Quartalsende geschlossen wird.

Die zyklischen Prognosen der TimePatternAnalysis wiesen bei Aktien nur auf einen weniger spektakulären Rücksetzer hin und zeigen jetzt ein weitgehend ausgeschöpftes Restpotenzial auf der Unterseite. Die Marktindikatoren zeigen bei Aktien ein mäßig bärisches Bild mit einzelnen Hinweisen, dass es nicht mehr bärischer wird. Der VIX orientiert sich wieder nach unten - ein eher bullisches Signal. Auch dass der DAX die 4800 zwar angekratzt, aber nicht nachhaltig durchbrochen hat, ist kurzfristig eher bullisch zu sehen.

Aus dem Gesagten ergibt sich auf Sicht der nächsten sechs Wochen für mich folgendes Szenario bei Aktien: Zunächst nervös seit-, aufwärts bis zu den letzten Hochs. Nach Quartalsende dann allgemeine Kontraktion der Finanzmärkte, jedoch nicht „bodenlos“. Die überreichliche Liquidität dürfte vorerst noch weiter stützen (Chart!).

Dass die Aktien-Märkte sich dem Normalzustand der zyklischen Bewegungen wieder etwas mehr annähern, darauf weist auch das von der TimePatternAnalysis gemessene Zyklusniveau hin. Beim DAX lag es am 8. Juni bei 0,10, am 16. Juni wurden 0,23 erreicht, gestern kam es auf 0,32. Der maximal mögliche Wertebereich liegt zwischen 0 und eins, der Normalbereich zwischen 0,25 und 0,50.

So weit zum Aktienmarkt.




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