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Anomalien und ein Perpetuum Mobile

27.06.2009  |  Klaus Singer
Vom Kredit-Aspekt her sind die frühen 1980er Jahre gut mit der heutigen Situation vergleichbar. Damals platzte eine große Kreditblase, heute auch. Welche Parallelen gibt es, was sagen die Unterschiede aus?

Normalerweise kontrahiert in einer solchen Phase der Anleihesektor in besonderem Masse. Dies lässt sich im Monatschart "Phases of Financial Markets" (Chart!) ablesen anhand der Entwicklung der frühen 1980er Jahre. Vom September 1978 bis April 1982 wurden "Pring"-Phasen mit kontrahierendem TBond-Segment durchlaufen. In der Chartdarstellung schnürte das Segment fast bis zur Unkenntlichkeit zusammen. Aktuell ist jedoch von einer solchen Entwicklung nicht viel zu sehen. (Zu diesen Phasen: Murphy hat in einem Buch "Technical Intermarket Analysis" das Intermarket Modell von Martin Pring aufgegriffen).

Auch das Ausmaß der jüngsten Bärenmarktrallye ist ungewöhnlich hoch. In der Spitze lag der Gewinn im S&P 500 seit dem Tief im März bei rund 40 Prozent, Normalmaß ist etwa die Hälfte. Selbst im Vergleich zur Entwicklung in den Jahren 1929 bis 1932 liegt die gegenwärtige Bärenmarkt-Rallye im Dow von Dauer und Ausmaß her über dem Durchschnitt (Chart!). Demzufolge hat die Bewertung der Aktienmärkte astronomische, nie zuvor erreichte Dimensionen angenommen: In unserer Vergleichsperiode von 1978 bis 1982 lag das KGV zwischen 8 und 11, aktuell liegt es bei über 100.

MZM (oder "Money Stock") repräsentiert alle Finanzassets, die sofort zum Nennwert rückzahlbar sind. Ich nehme MZM als "Proxy" für Cash-Präferenz. Vergleicht man den Verlauf von MZM mit dem von Aktien (S&P 500) und dem CRB-Rohstoffindex (Chart!), so sticht dessen starke Bevorzugung seit Ausbruch der aktuellen Krise heraus. Lediglich im Vergleich zu Gold ist keine eindeutige Präferenz festzustellen. Das Bild der frühen 1980er Jahre stellt sich somit (bisher) nicht ein. Damals waren Gold und Rohstoffe gleichermaßen stark bevorzugt gegenüber MZM, Aktien waren neutral.

Noch krasser sieht es aus, wenn man die Entwicklung des CRB und Gold vergleicht (Chart!). Gegenwärtig wird Gold extrem bevorzugt, von einem kurzen Spike in die Gegenrichtung Mitte 2008 abgesehen. In den frühen 1980er Jahren war keine eindeutige Präferenz von Gold im Verhältnis zum CRB festzustellen.

Das Verhältnis der Überschuss- zu den gesamten Reserven im US-Bankensystem ist seit Monaten extrem hoch. Einen zarten Ansatz in diese Richtung konnte man schon bei der Rezession 2001 erkennen, aber zuvor wurden solche Verhältnisse nie erreicht (Chart!).

Für mich fügt sich aus den "Anomalien" zu 1982/1982 folgendes Bild zusammen: Die systematische Ausweitung der Geldmenge führt zu verstärkter Anlage in liquiden Assets. Insbesondere die Anlage in Rohstoffen steht im Verhältnis dazu nicht in der Gunst der Anleger. Man sollte vermuten, dass sich der CRB in Erwartung soliden, industriell getriebenen Wachstums besser entwickelt als Gold. Es gab solche Phasen auch, wie etwa eine Reihe von Jahren vor 1980, sowie zwischen 2004 und Mitte 2006. Aktuell ist das aber gerade nicht so - für mich ein Zeichen, dafür, dass die Finanzmärkte nicht auf eine "gesunde", industriell getriebene wirtschaftliche Erholung wetten.

Rohstoffe gelten genauso als Inflationsschutz wie Gold. Die Tatsache, dass Gold im Vergleich zum CRB in der aktuellen Krise klar heraussticht, zeigt auch, dass der Sicherheitsaspekt im Vordergrund steht - Schutz vor einer scharfen Krise, in der es durchaus zu Stagflation kommen kann, aber nicht muss. Eben Gold als sicherer Hafen vor allem möglichen Unbill. Dass sich Gold und MZM gegenwärtig in etwa die Waage halten - das mag gleichermaßen als Krisen-Indiz gelten, wie die Unsicherheit hinsichtlich künftiger Inflationsentwicklung widerspiegeln.

Keine direkt neuen Erkenntnisse an dieser Stelle also, aber aus einem anderen Blickwinkel:

Wir befinden uns in einer schweren Krise im Finanz- und Güterbereich. Die Märkte erwarten keine signifikante, von der Realwirtschaft getriebene wirtschaftliche Belebung. Die enorme Liquidität versickert zum großen Teil in den Bilanzlöchern des Finanzsektors. "Cash ist King" - für ein Ende der Cash-Präferenz gibt es lediglich zarte Anzeichen. Die aktuelle Krise hat zwar dieselbe Ursache wie die der frühen 1980er Jahre, aber die Perspektiven sind ungleich dramatischer.

Hinter dem astronomischen Bewertungsniveau der Aktien stehen keine exzellenten Konjunkturaussichten. Starke Inflation als Kurstreiber ist ebenfalls zurzeit nicht in Sicht. Es dürfte der durch überreichliche Liquidität bedingte Anlagenotstand sein, der die Kurse bisher getrieben hat.





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