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Die Optionen der Schuldenmacher - Die Währungsreform 1948

17.06.2002  |  Wal Buchenberg
Die Art der Kriegsfinanzierung hatte in Deutschland das Geldvermögen ungeheuer anschwellen lassen. Das Sachvermögen war dagegen erheblich zusammengeschrumpft. Ein Ausgleich zwischen dem geringen volkswirtschaftlichen Gütervorrat und der durch das hohe Geldvolumen verkörperten Nachfragekraft konnte nicht erreicht werden, weil man ein offenes Steigen der Preise nicht zuließ. Seit 1936 bestand ein allgemeiner Preisstop, die Arbeitslöhne waren seit langem unverändert festgehalten, die Verteilung der Güter war durch Bewirtschaftungsmaßnahmen geregelt. Eine umfassende Devisenrationierung verhinderte das Ausweichen der Nachfrage auf internationale Märkte. Der Wechselkurs der Reichsmark war durch Zwangswirtschaft gebunden.

Preisstop und Rationierung stellten eine künstliche, indirekte Beschränkung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes dar. Die Menschen waren genötigt, einen Teil ihres Nominaleinkommens zu horten, den Banken als Einlagen zu überlassen oder für den Erwerb sonstiger nominaler Forderungsrechte zu verwenden. Die Summe dieser nicht konsumtiv verwertbaren, inaktiven nominalen Einkommensteile war in den letzten Kriegsjahren sehr gewachsen.

Diese Darstellung ist einseitig volkswirtschaftlich und objektivistisch: Die "indirekte Beschränkung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes" bedeutete für den Eigentümer des Geldes eine kalte Enteignung. Er war zwar Besitzer einer bestimmten Geldsumme, aber konnte dafür nichts kaufen. Diese Geldsumme, "inaktiv" und "nominal" zu nennen, beschönigt die Tatsache, dass es kein realer, sondern nur ein Scheinbesitz war. Für die Hitlerregierung war es jedoch reales Geld, das sie über Kreditschöpfung gleich mehrfach ausgab. In der DDR wurde später dasselbe Rezept angewandt und dieser Prozess läuft heute verborgen überall dort wieder ab, wo Privatleute Geld in Aktienfonds, Rentenfonds, Lebensversicherungen und Staatsanleihen einzahlen.

Dabei hatte das reale Volksvermögen steigende Einbußen erlitten. Der "Geldüberhang" hatte sich progressiv ausgedehnt.

Nach Angaben der Reichsbank haben von 1936 bis 7.3.1945 der Bestand an umlaufenden Noten, die Kredite und Wertpapiere der Reichsbank und ihre täglich fälligen Verbindlichkeiten in folgender Weise zugenommen (in Mrd. RM):

  • Umlaufende Noten: 4,5 (31.7.1936) - 56,4 (7.3.1945) ... plus 1.253%
  • Kredite und Wertpapiere: 5,3 (31.7.1936) - 72,2 (7.3.1945) ... plus 1.362%
  • Täglich fällige Verbindlichkeiten: 0,8 (31.7.1936) - 16,7 (7.3.1945) ... plus 2.087%

  • Die Bilanzsumme der Kreditinstitute stieg zwischen Juli 1936 und September 1944 von 50,1 Mrd. RM auf 276,8 Mrd. RM (plus 552%). In dieser Zeit erhöhten sich in den Bilanzen der Kreditinstitute (in Mrd. RM) nachstehende Positionen wie folgt:

    Wechsel einschließlich Schatzwechsel und unverzinsliche Schatzanweisungen von 7,3 auf 90,5;
    Wertpapiere und Konsortialbeteiligungen von 8,2 auf 76,6;
    Gläubiger (ohne Kreditinstitute) von 12,9 auf 63,1;
    Spareinlagen von 16,8 auf 97,2.


    Nach einer unmittelbar nach dem Waffenstillstand vorgenommenen Schätzung hatte sich das deutsche Sachvermögen von 1938 bis 1945 in folgender Weise verändert, wenn man Zugänge, Kriegssachschäden, den Realersatz, Entnahmen der Besatzungsmächte und Verluste bei der Räumung von Gebieten nach den Preisen von 1938 berücksichtigte (in Mrd. RM): (...)

    1938 = 415 Mrd. RM
    1945 = 190 Mrd. RM -> -54%

    Verschiedene Faktoren beeinflußten das Verhältnis von Geldvermögen zu Sachvermögen nach 1945, ohne daß man ein statistisch genaues Bild über ihre Bedeutung gewinnen konnte: die Siegermächte emittierten Besatzungsgeld, das den deutschen Zahlungsmitteln rechtlich gleichgestellt wurde; in der sowjetisch besetzten Zone wurden die Banken geschlossen und die Konten gesperrt, wodurch nach der Schätzung von Otto Pfleiderer etwa 70 Mrd. RM des wirksamen Geldvolumens (Sparguthaben eingeschlossen) stillgelegt das heißt: enteignet wurden; durch Kriegsschäden und die Einengung des im Krieg noch weiter ausgedehnten Währungsraums wurde Bar- und Buchgeld vernichtet; die Sieger demontierten Industrieanlagen und requirierten privaten Besitz.

    Die Besatzungsmächte hielten die Preisstop- und Bewirtschaftungsbestimmungen aus der Kriegs- und Vorkriegszeit nach Einstellung der Feindseligkeiten aufrecht. Die Raub- und Schuldenwirtschaft von Hitler & Speer wurde also von den Alliierten fortgesetzt. Der Leistungs- und Zahlungsverkehr mit dem Ausland war zunächst vollständig unterbrochen. Erst ab 1947 kamen Export und Import mit Hilfe besonderer, von den Besatzungsbehörden gegründeter Institutionen (JEIA und Officomex) allmählich wieder in Gang.

    Der Zahlungsverkehr innerhalb des Währungsraums wurde durch die Aufspaltung des Reichs in Besatzungsgebiete anfangs vollständig unterbrochen, später schrittweise, im wesentlichen aber nur in den westlichen Zonen, möglich gemacht.

    In den Bilanzen der Kreditinstitute, Versicherungen und Bausparkassen bestanden die Aktivpositionen vorwiegend aus Forderungen gegen das Reich. Die Hitlerregierung hatte sich also diese in Fonds angesammelte privaten Geldvermögen angeeignet und längst verpulvert. Spätestens wenn Regierungen - wie derzeit - sich bei den Renten-, Arbeitslosenkassen und anderen privaten Fonds bedienen, ist das letzte Stadium vor dem öffentlichen Ruin erreicht. Da seit Kriegsende diese Posten keinen Zinsertrag mehr abwarfen und die künftige Schuldenregelung durch den Staat ungewiß geworden war, hätten die Finanzinstitute de facto eine hohe eigene Verschuldung ausweisen müssen. De iure wurde dies verhindert, weil die Aufsichtsbehörden vorschrieben, daß die Forderung gegen das Reich zum Nennwert zu bilanzieren waren. Hier setzen sich die Praktiken der staatlichen Bilanzfälschung fort: Privatleute erhalten Geldsummen, die sie nur zum Teil in Waren umwandeln können. Sie werden so unfreiwillig und unwissentlich zu Gläubigern des Systems. Die Großgläubiger, die über die unhaltbare Finanzlage des Systems Bescheid wissen, täuschen die Öffentlichkeit durch falsche Bilanzen. Enron ist überall!

    Der Geldüberhang belastete das deutsche Wirtschaftsleben schwer. Das Quantum der im Rationierungssystem erfaßbaren Güter sank auf ein Mindestmaß. Die Unternehmer waren nicht bereit, gehortete Waren gegen wertloses Geld abzugeben, für das sie weder Konsum- noch Investitionsgüter erhalten konnten. Hier gibt Professor Veit endlich offen zu, dass das umlaufende Geld wie das Geld auf Konten und in Fonds wertlos war. Bisher hatte er um diese Tatsache nur herumgeredet. Angestellte und Arbeiter hatten bei minimaler Realentlohnung kein Interesse, ihre Arbeitskraft anzubieten oder ihre Leistungen gar zu steigern. Der verhältnismäßig hohe Beschäftigungsstand der ersten Nachkriegsjahre täuschte über die tatsächliche Situation hinweg. Es bestanden zahlreiche Scheinarbeitsverhältnisse. Anstatt Waren auf den Markt zu bringen, horten die Unternehmer in größtem Umfang (wie sich nach der Währungsreform zeigte) und machten Tauschgeschäfte. Kapitalistische und traditionelle (kleine) Warenproduzenten haben die Option, entwertetes Geld zu meiden, indem sie ihre Waren nicht oder nur wenig verkaufen und von ihren Vorräten zehren bzw. in Tauschgeschäften mit Geschäftsfreunden von ihren Beziehungen leben.

    Lohnarbeiter haben diese Option nicht. Sie stellen für sich keine Waren her, die sie notfalls tauschen könnten und sie haben auch keine "Substanz" (Sachmittel und Lebensmittel) von denen sie in der Krise zehren können.


    Das Problem des Geldüberhanges konnte man vermögensrechtlich als eine Frage ansehen, wie den Besitzern von (entwertetem) Geldvermögen in der Zukunft Aussicht auf Realisierbarkeit ihrer nominalen Ansprüche in konkreten Gütern verschafft werden sollte. Welch Propagandalüge! Das Vermögen, das als Geldüberhang auftrat, war längst vom Hitlerreich ausgegeben, war längst für die Kriegskosten verpulvert. Es war nur noch "nominell" da, also nicht mehr da, und es konnte nicht noch einmal von den "nominellen" Besitzern ausgegeben werden. Eng verbunden hiermit waren zwei weitere vermögensrechtliche Fragen, die Behandlung der vorhandenen nominellen Forderungen gegen das Reich - ist das eine andere Frage als die vorherige? Nein! - und die Regelung der Ansprüche aus Kriegsschäden. Glaubten die Sieger wirklich, dass das bankrotte Hitlersystem noch für die von ihm verursachten Schäden aufkommen konnte?

    Die von der Reichsschuldenverwaltung beurkundete Reichsschuld wuchs zwischen 1933 und 1945 von 11,8 Mrd. RM auf 379,8 (plus 3.218%) Mrd. RM. Dabei sind noch nicht berücksichtigt gewisse zusätzliche, gegen Ende des Krieges entstandene Forderungen aus Rüstungsaufträgen und vor allem nicht die Ansprüche aus Kriegs- und Verdrängungsschäden.

    Um den Geldüberhang zu beseitigen, wurden von verschiedenster Seite Pläne vorgelegt. Theoretisch waren die Möglichkeiten zur Sanierung auf wenige grundsätzliche Formen rückführbar. Mit zulässiger Vereinfachung lassen sie sich aufzeigen an Hand der bekannten Verkehrsgleichung:

    H x P = G x U
    (H = Handelsvolumen, P = Preisspiegel, G = Geldvolumen, in unserem Fall = Geldvermögen; U = Umlaufsgeschwindigkeit).

    Nimmt man mit anderen Worten an, daß bei der nach dem Krieg gegebenen Situation das Handelsvolumen (H) nicht im erforderlich Maß ausgedehnt werden konnte, so blieben folgende Möglichkeiten der Anpassung:

    Das ist eine Perle der universitären Finanzwissenschaft: Nicht das Geldvolumen war über Gebühr ausgedehnt, nicht die Gelddruckmaschinen waren zu schnell gelaufen, sondern das Produktionsvolumen war "nicht im erforderlichen Maß ausgedehnt" worden.

    So werden Verantwortlichkeiten vertuscht: Nicht der Staatsapparat und die politische Führung waren Verursacher der Überschuldung, sondern die Wirtschaft, die im Krieg trotz Zwangsarbeit und Terror nicht so schnell produzieren konnte, wie Speer & Hitler es für ihre Weltherrschaftspläne wünschten und die nun nach der Kapitulation hätte nachholen sollen, was vorher unter größter Anspannung nicht gelungen war?!




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