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Ist die Krise vorbei? - Interview mit Philipp Vorndran

04.08.2009  |  Rohstoff-Spiegel
Philipp Vorndran verstärkt seit Januar 2009 das Investment Team von Flossbach & von Storch. Er begleitet die Flossbach & von Storch AG zuvor bereits seit 2005 als Aufsichtsrat. Philipp Vorndran hat von 1997 bis 2008 bei der Credit Suisse Gruppe gearbeitet und war dort in verschiedenen Funktionen tätig. Unter anderem war er globaler Chefstratege im Asset Management sowie von 2004 bis 2006 CEO der Credit Suisse Asset Management GmbH in Deutschland.

Seinen beruflichen Werdegang startete Herr Vorndran bei der Bank Julius Bär in Frankfurt und Zürich. Dort leitete er von 1992 bis 1996 unter anderem den Bereich Derivative von Julius Bär Asset Management. Herr Vorndran absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und war dort mehrere Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Ekkehard Wenger.



Rohstoff-Spiegel: Wie schätzen Sie die Entwicklung der letzten Monate ein? Haben wir die Krise bereits ausgestanden?

Philipp Vorndran: Derzeit stabilisieren die verschiedenen Konjunkturprogramme die Lage künstlich und verschleiern damit die tatsächliche Lage. Ende des Jahres laufen Abwrackprämien und Steuergutschriften für Hauskäufer aus. Fast gleichzeitig werden auch die großzügigen Überbrückungsmaßnahmen, wie die deutsche Kurzarbeitsregelung, an Wirkung verlieren und viele Unternehmen angels Kreditzugang in die Insolvenz gehen. Bis Frühsommer 2010 dürfte das Strohfeuer noch lodern, aber dann wird sich die Lage in den entwickelten Volkswirtschaften wieder eintrüben.


Rohstoff-Spiegel: Das Lager der Aktienstrategen spaltet sich derzeit in zwei große Lager: Die einen prophezeien einen V-förmige Erholung der Gewinne und stützen sich dabei auf die massiven Kosteneinsparungsprogramme der letzten Monate, das andere Lager sieht viel mehr die Gefahr einer "Erwartungsblase". Wozu zählen Sie sich?

P. Vorndran: Global liegt die Hoffnung auf den vielen staatlichen Investitionsprogrammen, die erste Wirkungen entfalten und der robusten Konjunktur in den Schwellenländern. Vor allem China hat das Potenzial, durch staatliche Infrastrukturinvestitionen und eine Ankurbelung des privaten Konsums seine Wirtschaftsdynamik deutlich zugunsten der Binnennachfrage zu verschieben. Ohne einen wesentlichen Wachstumsbeitrag der Schwellenländer würde unser "Origami Vogel" auf den Schnabel fallen.

Aber: Inzwischen ist die Bewertung soweit gesunken, dass geringere Wachstumsperspektiven bereits "eingepreist" sind. Durch die Finanzkrise hat sich die Bewertung am Aktienmarkt drastisch reduziert. Die im März erreichten Tiefstkurse dürften das untere Ende der Bandbreite der großen Seitwärtsbewegung markieren, auch wenn die historischen Bewertungstiefs für den Gesamtmarkt noch nicht ganz erreicht wurden. Bei einzelnen Aktien mit soliden Ertragsperspektiven ist dies aber bereits der Fall. Hier sehen wir Chancen in der Krise.


Rohstoff-Spiegel: Die ersten Unternehmen der aktuellen Berichtssaison haben mit positiven Ergebnissen geglänzt und dem Aktienmarkt einen gewaltigen Schub gegeben. Ist das der Beginn einer (unerwarteten) Sommerrallye?

P. Vorndran: Unserer Meinung nach befinden wir uns aktuell in einer sehr breiten Seitwärtsbewegung an den Aktienmärkten, die beispielsweise für den DAX-Index eine Range von 4.300 bis 5.300 Punkten umfasst. Am unteren Ende lockt eine günstige Bewertung Value-Investoren in den Markt, am oberen werden Gewinnmitnahmen einsetzen, speziell von Anlegern, die sich kein weiteres Jahr mit negativer Performance leisten können. Den Kursen nachzulaufen lohnt sich unserer Meinung nach nicht.


Rohstoff-Spiegel: Sollte man jetzt noch in Aktien einsteigen?

P. Vorndran: Es gibt sie, die sehr günstig bewerteten Sektoren, aber sie repräsentieren noch nicht den Gesamtmarkt! Deshalb betrachten wir jedes Unternehmen und jede Branche mit ihren spezifischen Eigenarten. Sind die Perspektiven zu ungewiss, wie im Finanzsektor, kommt eine Anlage nicht in Betracht. Dadurch haben wir in den letzten beiden Jahren viel Schaden von den verwalteten Fonds und Portfolios abwenden können.

Positive Entwicklungen sind bei vielen Aktien guter, d.h. stabiler und ertragsstarker Unternehmen im Konsum-, Gesundheits- und Telekomsektor erkennbar. Im Falle einer deutlichen Konjunkturerholung werden diese Werte zwar nicht die höchsten Kursgewinne aufweisen, dafür sind aber auch die Kursrisiken bei konjunkturellen Enttäuschungen gering. Hinzu kommen attraktive und vergleichsweise sichere Dividendenrenditen als Lohn für angfristig denkende Investoren.


Rohstoff-Spiegel: Sollten sich Investoren auf steigende Inflation einstellen?

P. Vorndran: Keine Frage, kurzfristig werden die Inflationsraten weiter nahe der 0%-Linie verharren. Rückläufige Konsumnachfrage, tiefe Kapazitätsauslastung und Basiseffekte bei den Rohstoff, und Immobilienpreisen werden dafür sorgen. Mittelfristig sprechen aber viele Faktoren, speziell in den USA - aber nicht nur dort (!) - für deutlich anziehende Inflationsrisiken.

Wieder aufkeimender Protektionismus, fallende Skaleneffekte, hohe Liquiditätsversorgungdurch die Notenbanken sowie eine strukturelle Abwertung von US-Dollar und Euro gegenüber den Währungen der Schwellenländer und der Rohstoff-Volkswirtschaften sind nur einige der Faktoren. Dass, angesichts der zunehmenden Staatsverschuldung, auch das Vertrauen der Bürger in die Qualität der Papierwährungen schwindet, kann heute guten Gewissens wohl keiner mehr leugnen.

Auch wir versuchen - wo immer möglich - in unserer Anlagepolitik auf Investments zu setzen, die über einen gewissen Sachwertcharakter verfügen. Dieser ist aber nicht nur bei Edelmetallen, guten Immobilien oder Kunst zu finden, sondern auch bei Aktiengesellschaften mit gesunden Bilanzrelationen oder Wandelanleihen. Lange Staatsanleihen sind auf dem aktuellen Zinsniveau für uns keine Anlagealternative.




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