Ist die Krise vorbei? - Interview mit Philipp Vorndran
04.08.2009 | Rohstoff-Spiegel
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Rohstoff-Spiegel: Gold hat in den letzten 12 Monaten ein wahres Comeback als Anlageklasse gefeiert. Ist es nun wieder an der Zeit, Gold den Rücken zu kehren?P. Vorndran: Für uns ist Gold bereits seit 2003 ein wichtiger Pfeiler für ein diversifiziertes Portfolio. Je nach Kundenprofil halten wir zwischen 5 und 15% physisches Gold. Sie können sich sicher vorstellen, wie hart die Überzeugungsarbeit bei den Kunden 2003 oder 2004 gewesen ist.
Heute hingegen ist Gold fast ein Selbstläufer und als wir Anfang März unsere Kundenbestände in Gold leicht reduziert haben, gab es Kunden, die dagegen ein Veto einlegten. Insofern haben Sie sicher Recht, dass Gold deutlich mehr Anhänger hat als noch vor 5 Jahren. Aber, der wirkliche Goldanteil in internationalen Portfolios ist weiter verschwindend gering - von einer Blase kann deshalb sicher nicht gesprochen werden.
Die Wiederentdeckung von Gold als Anlageklasse hat also gerade erst begonnen. Explodierende Staatsschulden und die Gefahr erneuter Krisen rücken den Wertsicherungscharakter von Gold, das bekanntlich nicht Pleite gehen kann, in den Vordergrund. Im Gegensatz zu früheren Krisenzeiten gilt ein Argument gegen Gold angesichts der Nullzinspolitik der Notenbanken heute kaum noch: seine fehlende Verzinsung.
Rohstoff-Spiegel: Wie ist Ihr Ausblick für den Greenback?
P. Vorndran: Zum US-Dollar gibt es momentan keine wirkliche Alternative. Auch der Euro hat seine Probleme, er liegt im gleichen Spital wie der US-Dollar, nur auf einer anderen Abteilung. Die chinesische Währung könnte das einmal werden ... aber erst in 40 bis 50 Jahren, denn heute hat die chinesische Regierung daran kein Interesse, noch ist die Volkswirtschaft nicht stark und stabil genug. Kommt es nicht zu einem komplett anderen Währungssystem (z.B. Anbindung an Sonderziehungsrechte oder Rohstoffe), dann ist der US-Dollar auch in den nächsten 10 Jahren noch Weltleitwährung.
Deshalb erwarten wir, dass Euro und US-Dollar in den nächsten Monaten in einer breiten Trading-Range verharren werden, die zwischen 1,30 und 1,50 liegen dürfte. Momentan sind wir einen Großteil unserer Dollar-Positionen gehedgt, würden dies aber in der Nähe von 1,50 sicher wieder überdenken, denn die Kaufkraftparitäten sprechen eher pro Dollar.
Rohstoff-Spiegel: Wie schätzen Sie derzeit das Potenzial für die Goldaktien ein?
P. Vorndran: Nein, wir favorisieren momentan physisches Gold gegenüber den Goldaktien. Das war im Sommer 2008 kurzfristig einmal anders, als die Goldminenaktien dramatisch und - unserer Meinung nach - ungerechtfertigter Weise stark unter Druck gekommen waren. Heute sind diese aber relativ zu physischem Gold fair bewertet und Themen wie die Abhängigkeit vom Aktienmarkt, Re-Verstaatlichungen von Ressourcen oder auch die unterschiedliche steuerliche Behandlung sprechen klar für ein physisches Investment.
Rohstoff-Spiegel: Wie schätzen Sie das weitere Potenzial von Industrierohstoffen ein?
P. Vorndran: Die Schwellenländer werden den Großteil einer zukünftigen Erholung schultern. Sie bfinden sich unserer Meinung nach in einem zyklischen Tief innerhalb eines strukturellen Aufwärtstrends, die großen Volkswirtschaften hingegen leiden auch in den nächsten Jahren an vielen strukturellen Problemen, die ein rasches Annähern an ihre Trendwachstumsraten verhindern dürften. Bei den Schwellenländern wäre es aber falsch, immer nur auf China zu achten, auch Brasilien oder Indien schlagen sich in der aktuellen Krise relativ gut.
Rohstoff-Spiegel: Welchen Rat Sie Investoren in der derzeitigen Marktlage mit auf den Weg geben würden?
P. Vorndran: Die Risiken an den Kapitalmärkten sind heute nicht größer als vor einigen Jahren, auch wenn einem die täglichen Schlagzeilen etwas anderes glauben machen. Im Unterschied zu damals sind viele Risiken aber bekannt und haben sich inzwischen in den Kursen der Anlagen (überwiegend negativ) niedergeschlagen. Eine Fortschreibung dieser Entwicklung führt zu prozyklischem Verhalten.
Herrscht allgemeiner Optimismus, werden Risiken gerne ignoriert. In Krisen dominieren sie dagegen Denken und Handeln der Investoren. Um Prozyklik zu vermeiden, muss man in der Krise vor allem nach Chancen suchen und in der Euphorie vor allem nach Risiken. Kombiniert man dieses Denken mit einer intelligenten Vermögensdiversifikation, verliert die Krise nicht nur ihre Bedrohung, sondern wird zur Basis langfristiger Vermögensmehrung.
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Dieser Artikel ist vorab im Rohstoff-Spiegel erscheinen, die gesamte Ausgabe können Sie hier downloaden (2,5 MB).