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Rezession weg - Aktien her?

06.09.2009  |  Klaus Singer
Die Finanzmärkte spielen "V-förmige Erholung", die Stimmung bei den Entscheidungsträgern und sonstigen "Gurus" wird immer besser. Zahlreiche Stimmungsindikatoren verbessern sich - zuletzt ist der ISM-Index der amerikanischen Einkaufsmanager wieder über 50 gestiegen und signalisiert damit Expansion. Gleichzeitig zeigen aber harte Makroindikatoren Ermüdungserscheinungen und die kritischen Stimmen mehren wieder. Wer hat recht?

Die OECD hat jüngst ihre eigenen, aus dem Juni stammenden Prognosen nach oben revidiert. Jetzt wird damit gerechnet, dass die Erholung der Weltwirtschaft früher startet. Für die G7 wird jetzt ein negatives Wachstum in diesem Jahr von 3,7% erwartet, zuvor hatte man mit minus 4,1% gerechnet. Für 2010 wird weiterhin mit schwachem Wachstum gerechnet. Die EZB sieht Anzeichen einer Stabilisierung und nachlassendem Deflationsdruck. Für 2009 wird einer Kontraktion des BIP in der Euro-Zone zwischen 4,4 und 3,8% gerechnet. In 2010 sollen es zwischen minus 0,5 und plus 0,9% an Wachstum werden. Die Inflationsrate soll 2009 zwischen 0,2 und 0,6% liegen, 2010 sollen es 0,8 bis 1,6% werden.

Die US-Wirtschaft nach Einschätzung von Richard Fisher, Präsident der Fed von Dallas, über einen langen Zeitraum hinweg nur schwach wachsen und hohe Arbeitslosenquoten verzeichnen. Die Unternehmen litten unter mangelndem Preisgestaltungsspielraum und schwacher Nachfrage. Sie dürften daher weiter ihre Finanzpläne straffen und Arbeiter entlassen.

Die Banken des Euroraums soll im Zuge der Krise bis Ende 2010 rund 600 Mrd. Euro verlieren, sagt Jürgen Stark, Direktoriumsmitglied der EZB. Bisher sind es rund 300 Mrd. Euro. Die EZB warnt, das Gegenpartei-Risiko in der europäischen Bankenlandschaft sei erheblich. CDS-Kontrakte seien zunehmend in Händen weniger, großer Institutionen (oft anderen Banken) konzentriert. Stark äußerte sich zurückhaltend über die sich anbahnende Konjunkturerholung in der Eurozone: Nach kleineren Finanzkrisen habe es in der Vergangenheit vier bis fünf Jahre gedauert, bis die Wirtschaft zu ihrem Niveau vor der Krise zurückgekehrt sei.

Kenneth Rogoff warnt vor einer neuen Krise, nach der Schuldenkrise stehe ein Kreditkrise an. Die Regierungen hätten sich bei dem Versuch, im Finanzsektor einen Boden einzuziehen, übernommen. Die hierzu aufgenommenen Schulden führten unweigerlich dazu, dass Staaten in massive Probleme kämen. Staatsbankrotte gebe es entweder direkt oder über Inflation.

Nouriel Roubini nennt sieben Gründe für eine schwache U-förmige Erholung. Darüber hinaus gibt Roubini zwei Gründe für einen double-dip an, einen W-förmigen Verlauf. Für "U" spricht: Schwache Beschäftigungslage in den USA, weitergehendes Deleveraging, Schuldenabbau bei den Verbrauchern, weitergehende strukturelle Schwäche im Finanzsektor, schwache Unternehmensgewinne, die Gefahr, dass öffentliche Ausgaben private Investitionen ersetzen, sinkende Wahrscheinlichkeit, dass das US-Handelsbilanzdefizit durch Länder mit Leistungsbilanz-Überschüssen "finanziert" wird (wie früher - Deutschland, China, Japan).

Für "W" spricht nach Roubini: Wenn Politik und Zentralbanken zu früh auf Ausstieg aus ihrer Krisenstrategie gehen, oder wenn sie zu spät aussteigen (dann besteht das Risiko einer Bond-Krise mit stark steigenden Zinsen). Zum zweiten treibt Überschuss-Liquidität die Rohstoffpreise, über die die Kosten der Unternehmen steigen, während gleichzeitig die geringe kaufkräftige Nachfrage (Arbeitsmarkt) den Unternehmen nicht die Möglichkeit gibt, die Kosten zu überwälzen. Die W-Möglichkeit hatte ich in einem Artikel vom 5. Juni 2009 angesprochen.

Robert Shiller haut in dieselbe Kerbe: Er sagt für die nächsten fünf Jahre eine enttäuschende wirtschaftliche Entwicklung voraus. Die erste Welle der Krise sei zwar vorbei, aber analog zur Großen Depression zwischen 1929 und 1941 könnte bald eine weitere folgen.

Die Saison der Quartalsberichte ist mittlerweile gelaufen. Sie fiel besser aus erwartet, weit mehr Unternehmen als im langfristigen Durchschnitt überraschten mit ihrer Gewinnentwicklung positiv. Die Umsatzentwicklung hielt da nicht mit. Und so ist die Entwicklung der Aktienkurse bis jetzt eine reine Expansion des KGV. Z.B. wird die Aktie von Nordstrom, einem soliden amerikanischen Einzelhändler, mit einem KGV von rund 20 gehandelt (bezogen auf die erwarteten Gewinne) bei auch zuletzt nur flacher Umsatzentwicklung.

Die Aktienmärkte in den USA, in Europa und in den Emerging Markets sind technisch klar überkauft. Das ist aber schon seit einigen Wochen so und für sich kein Grund, davon auszugehen, dass nun ein Rückzug ansteht. Mancher Beobachter argumentiert, wir befänden uns am Beginn eines neuen säkularen Bull-Marktes. Zwar sind zahlreiche Indices technisch, bezogen etwa auf die Zuordnung der gleitenden Mittelwerte im kurzen, mittleren und langen Zeitfenster im Bull-Modus. Aber eine solche KGV-Expansion wie aktuell tritt in der Regel nicht am Beginn, sondern eher am Ende eines lang laufenden Bull-Runs auf. Damit handelt es sich meiner Meinung nach um eine Bärenmarkt-Rallye.

Die enorme Liquidität, die die Zentralbanken in den Finanzsektor pumpen, fließt nach wie vor in die Asset-Märkte, nicht in die Güterwirtschaft (siehe Chart!). Daher ist von Güterpreisinflation weiterhin nichts zu sehen - im Gegenteil, die Produzentenpreisindices sind im Juli sowohl in den USA, als auch in Europa kräftig eingebrochen, was mit einer Verzögerung von drei bis sechs Monaten auf die Verbraucherseite durchschlagen dürfte.




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