Rezession weg - Aktien her?
06.09.2009 | Klaus Singer
- Seite 2 -
Deflationärer Druck besteht weiter: Die Kapazitätsauslastung ist nach wie vor schlecht, schwache Arbeitsmärkte sorgen für geringe kaufkräftige Nachfrage, die Staats-Verschuldung steigt krass. Die Banken haben nach wie vor zu viele faule Papiere in ihren Büchern, die Liquidität, die nicht zum Spekulieren eingesetzt wird, verschwindet in "schwarzen Löchern". Daher bleibt die Kreditvergabe restriktiv, mit den mit Verzögerung steigenden Pleitezahlen wird die Kreditklemme weiter wachsen. Zudem ist ein großer Teil der zuletzt gesehenen Erholung getrieben durch Lager-Normalisierung, nichtdurch Konsum.
Jeremy Grantham vom Vermögensverwalter GMO in Boston, hatte Anfang März im WSJ geraten, Aktien zu kaufen. Die faire Bewertung im S&P500 sah er da bei 880, übrigens der Boden, von dem aus im Juli die Bullen wieder zugriffen. Seit März ist der Index in der Spitze ohne wesentliche Korrektur um über 50% bis auf 1.030 gestiegen. Im Mai sagte Grantham, zwischen 950 und 1.050 sei der Index mäßig überbewertet, ein Ausbruch über diesen Bereich mache ihn stark korrekturanfällig.
Der SPX hat nun kürzlich etwas Abstand von seinen Höchstständen genommen und sich bis zu einer bedeutenden Abwärtslinie aus Oktober 2007 (~995) zurückgezogen. Die wurde gestern (vorsichtig) auf ihren Bestand hin getestet. Im späten Handel kam Kaufinteresse auf. Im Vorfeld der heute anstehenden US-Arbeitsmarktdaten wird vorsichtig weiter gekauft. Man erwartet für August Stellenverluste in Höhe von 225.000. Der vor einigen Tagen veröffentlichte ADP-Report legt knapp 300.000 nahe. Sollte diese Zahl nicht überschritten werden, wird das wohl eher bullisch umgesetzt.
Zuletzt führten besser als erwartet ausgefallene Makrodaten eher zu Kursverlusten, weil Anschlusskäufe ausblieben, gestern war (noch zögerlich) wieder das Umgekehrte fest zu stellen.
Hinsichtlich der Volumenverteilung im SPX (siehe Chart!) gibt es seit Anfang März folgende Phasen: Mit Beginn des Bull-Runs startete eine Akkumulationsphase, die am 20. April in Distribution kippte. Die währte, von einer kurzen Unterbrechung Anfang Mai abgesehen, bis Mitte Juli. Dann wurde erneut mit steil steigenden Kursen heftig akkumuliert. Seit 27. August wird erneut "verteilt".
Die spannende Frage ist: Wird die Seitenlinie nun einsteigen und dabei gierig genug sein, damit die Kurse weiter steigen können? Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Der VIX zeigte zuletzt wieder Anzeichen von "Angst" (siehe Chart!), von Euphorie oder "Sorglosigkeit" kann keine Rede sein. Kurzfristiges Ziel an der Oberseite dürfte der Bereich der zuletzt erreichten Hochs bei 1.030 im S&P500 sein, wobei das verlängerte "Labour Day"-Wochenende heute eher für Zurückhaltung sorgen dürfte.
Wie geht es danach weiter? Ich hatte in einem Artikel vom 14.8.2009 ein Szenario entworfen mit Preisziel bei 1.150 (+/-50). Diese Zone spielte in den vergangenen Jahren stets eine bedeutende Rolle und stellt etwa die Mitte zwischen den Kursextremen der vergangenen 12 Jahre dar. Als Zeitziel hatte ich damals irrtümlich den Oktober angegeben, richtig ist November. Nicht unwahrscheinlich, dass diesem Schub eine Seitwärtsbewegung zwischen 1.030 und 980 vorangeht, in der bestehende bullische Überdehnung abgebaut wird. Entscheidende Bedingung für die Umsetzung dieses Szenarios wäre ein starker Liquiditätszufluss, verbunden mit extremer Euphorie, sprich einem kollabierenden VIX. Die KGV-Expansion würde dann krasse Züge annehmen, die zwangsläufig folgende Korrektur dürfte sehr heftig ausfallen.
Ein Wort zu Gold: Der Preis des Edelmetalls ist in den vergangenen Tagen mit nachgebenden Aktienkursen nach oben ausgebrochen. Gestern wurden in der Spitze fast 1.000 Dollar erreicht. Heute wird der kleine Rückwärtsgang eingelegt. An der Unterseite ist eine Abwärtslinie bei rund 973 (siehe Chart!) zu beachten, die von früheren wichtigen Hochs herrührt. Darunter liegt ein statischer Support bei etwa 925. Vom Zyklusgerüst sieht Gold nicht so aus, als würde es jetzt einen nachhaltigen Bruch von 1.000 vollziehen können. Die fraktale Ecke der TimePatternAnalysis zeigt rasanten Zufluss in bullische Positionen. Hier wird mit Macht versucht, Gold über 1.000 zu drücken.
Wer hat recht? Ich beantworte die Eingangsfrage so: Ein "double dip" erscheint mir am Wahrscheinlichsten - die gegenwärtige Krise löst sich nicht so einfach in Luft auf, wie es uns die Politiker weismachen wollen. Die Aktienmärkte haben eine V-förmige Wirtschaftserholung mit schneller Rückkehr zu den alten Wachstumsraten gespielt, in Kürze werden sie den zweiten Teil des "W" ins Visier nehmen.
Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden.
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de