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Neue Erkenntnisse über Inflation und Finanzkrisen

08.02.2004  |  Markus Mezger
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Das Bretton-Woods-System

Die Abschaffung der Goldbindung der nationalen Währungen läutete ab dem Ersten Weltkrieg das Jahrhundert der Hyperinflationen ein. Die einseitige Ausrichtung der Wirtschaft auf die Rüstungsproduktion führte in den Krieg führenden Staaten zu einem heftigen Anstieg der Konsumgüterpreise. Gerade in einer Zeit horrender Inflationsraten konnte Gold seinen Ruf als krisensicheres Anlagemedium begründen. Goldbesitz erwies sich auch zum Ende des Zweiten Weltkrieges als der beste Krisenschutz.

Noch während des Zweiten Weltkrieges wurden auf der Konferenz von Bretton Woods (1944) unter Führung der USA und Großbritanniens die Weichen für eine neue internationale Währungsordnung gestellt. Gestützt auf die guten Erfahrungen mit den Währungs- und Goldparitäten der Vorkriegszeit wurde für den internationalen Waren- und Kapitalverkehr erneut ein System fester Wechselkurse eingeführt. Zur Leitwährung wurde der US-Dollar bestimmt. Alle anderen Währungen waren auf eine fixe Parität zum USDollar festgelegt. Die deutsche Nachkriegswirtschaft fand mit einem Wechselkurs von 4,20 DM für einen US-Dollar eine günstige Ausgangsposition für die Entwicklung der Exporte und das Wirtschaftswachstum vor. Die innere und äußere Stabilität der Leitwährung US-Dollar sollte durch eine erneute Goldpreisbindung sichergestellt werden. Ein Gramm Feingold entsprach 1,13 US-Dollar, bzw. eine Unze Feingold rund 35 USDollar.

Um Abwertungswettläufe wie in den 30er Jahren zu vermeiden, sollte eine internationale Währungsbehörde Defizitländern mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten vorübergehend Devisenreserven zur Verfügung stellen. Damit war die Aufgabe des Internationalen Währungsfonds (IWF) definiert. Der Fonds sollte im Gegenzug zu den gewährten Devisenkrediten kontrollieren, ob die Wirtschaftspolitik und insbesondere die Geldpolitik in den Defizitländern geeignet waren, die Ungleichgewichte im Außenhandel und im Kapitalverkehr zu beseitigen.

Bald zeigten sich die Schwächen des Bretton-Woods-Systems. Ausgerechnet die USA hielten sich nicht an die Spielregeln. Da der US-Dollar die Hauptreservewährung war, erlagen sie der Versuchung, Defizite im Warenverkehr nicht durch restriktive Wirtschaftspolitik zu lösen, sondern durch den Druck neuer Papierdollars zu finanzieren. Analog zur Währungsgeschichte des Mittelalters tauchte also auch im Bretton-Woods-System das Problem der Seignorage auf.

Das Ende der Selbstbedienungspolitik der USA war ebenso leicht vorhersehbar wie bei den nicht an Gold gebundenen Papiergeldemissionen in früheren Jahrhunderten. Nachdem Länder mit Handelsbilanz überschüssen, zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland, anfangs noch US-Dollar zum Aufbau eines Grundstocks von Devisenreserven akzeptiert hatten, tauschten sie schließlich die überschüssigen US-Dollar in knappes Gold, das von der US-Notenbank nicht inflationiert werden konnte. Die Folge waren massive Goldabflüsse aus den USA zu den fixierten Paritäten. 1964 reichten die Goldreserven der USA nicht mehr aus, um die auf fast 16 Milliarden US-Dollar angehäufte amerikanische Auslandsverschuldung vollständig abzudecken. Zu Beginn der 70er Jahre waren die Gläubigerländer, in denen die Dollar-Überschüsse die inländische Geldmenge aufgebläht hatten, nicht weiter bereit, den überbewerteten US-Dollar zu stützen. Im August 1971 wurde die Goldeinlösungspflicht des US-Dollars aufgehoben, 1973 brachen die festen Wechselkurse des Bretton-Woods-Systems zusammen.


Ölpreisschocks in währungspolitischer Sicht

Dem Geldangebot und der Notenpresse waren nach der Aufhebung der Goldeinlösungspflicht des US-Dollars keine externen Grenzen mehr gesetzt. Damit waren die Türen für eine aggressive Preispolitik der OPEC, die den ersten Ölschock 1973 auslöste, weit geöffnet. Nach einem leichten Anstieg 1972 explodierte der Ölpreis binnen des Jahres 1973.

Für die Industrieländer waren Ölprodukte in den 70er Jahren die wichtigsten Energieträger und Vorleistungsprodukte. Viele Betriebe fielen aufgrund des exogenen Preisschocks unter die Rentabilitätsschwelle. Als wirtschaftspolitisches Leitbild hatten sich in den 70er Jahren die von der Weltwirtschaftskrise geprägten Überlegungen von John Maynard Keynes durchgesetzt. Der Staat, so das einhellige Credo in den 70er Jahren, müsse auf die wirtschaftliche Rezession mit kreditfinanzierten Ausgabenprogrammen reagieren, die von den Notenbanken mit einer expansiven Geldpolitik flankiert werden sollten. Die Folgen dieser Politik waren fatal. Zwar gelang es den Industriestaaten, das reale Wirtschaftswachstum in kurzer Zeit wieder auf das Vorkrisenniveau anzuheben, doch wurde dieser Erfolg mit zweistelligen Inflationsraten und strukturellen Staatsdefiziten erkauft, die in den 80er Jahren nicht mehr abgebaut werden konnten.

Goldbesitzer konnten der Papiergeldentwertung und der defizitären Fiskalpolitik in den 70er Jahren gelassen zusehen. Der Goldpreis schoss in den 70er Jahre sogar noch schneller in die Höhe als die Notierungen des "schwarzen Goldes" der Ölförderstaaten. Mit Wachstumsraten von über 50 Prozent jährlich bot Gold Schutz suchenden Anlegern in den Krisenjahren nicht nur einen Inflationsausgleich, sondern auch eine deutlich höhere Rendite als Aktien oder Renten.

Zu Anfang der 90er Jahre trieb die Golfkrise die Ölpreise erneut kräftig nach oben. Die Industriestaaten zeigten sich zu diesem Zeitpunkt allerdings besser vorbereitet als während der vorangegangenen Ölpreiskrisen. Weder die Inflationsraten noch die staatlichen Budgetdefizite erreichten in den USA oder in Japan Besorgnis Erregende Höhen. Bereits Mitte der 80er Jahre hatte der Monetarismus, aufbauend auf den theoretischen Arbeiten Milton Friedmans, keynessche Ansätze aus den Köpfen von Notenbankern und Politikern verdrängt. In den Augen der Monetaristen folgt die Güterpreisinflation langfristig immer der Entwicklung der Geldmenge. Die Geldpolitik werde, wenn sie auf kurzfristige Beschäftigungswirkungen einer expansiven Geldmengensteuerung schiele, langfristig nur höhere Inflationsraten, aber keinen Beschäftigungszuwachs ernten. Nach monetaristischen Vorstellungen muss die Geldpolitik verstetigt werden, weil konstant niedrige Inflationsraten die beste Rahmenbedingung für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum schaffen. Die Umsetzung monetaristischer Ideen in den 90er Jahren hat die jährlichen Inflationsraten in den USA von 6,4 Prozent (1991) auf 3,5 Prozent (2001), in Japan von vier Prozent (1991) auf -0,5 Prozent (2001) und in Europa von fünf Prozent (1991) auf 2,6 Prozent (2001) gedrückt. Die um schwankungsanfällige Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigten Kerninflationsraten liegen mit 2,6 Prozent in den USA und 1,3 Prozent in Europa heute sogar noch deutlich tiefer.

Mit dem weltweiten Rückgang der Inflationsängste ist die reale Kaufkraft des Goldes wieder auf den Wert vor den Ölpreiskrisen zurückgefallen. Ist die Inflation nun endgültig besiegt und hat Gold als Versicherung gegen eine undisziplinierte Geldpolitik ausgedient?


Auch Inflation, die nicht gemessen wird, ist Inflation

Viele Marktbeobachter waren in den 90er Jahren überrascht, dass es trotz einer überreichlicher Liquiditätsversorgung der Wirtschaft zu keiner Güterpreisinflation gekommen ist. Stimmt also die monetaristische Theorie nicht, die die Geldmengenentwicklung als die zentrale Ursache steigender Preise sieht? Mitnichten, denn die gängigen Inflationsmaße, die als Zielvariable der Zentralbanken herangezogen werden, sind zu eng abgegrenzt. So werden beispielsweise die Preisentwicklungen im Finanzsektor völlig ausgeblendet. Für ein stetiges, langfristiges Wirtschaftswachstum sind Preisverwerfungen im Finanzsektor jedoch genauso schädlich wie eine ungebremste Güterpreisinflation. Die Geschichte des Geldes ist reich an Beispielen, in denen eine unangemessen expansive Geldpolitik der finanzielle Nährboden für eine Inflation der Kapitalmarktpreise (Asset Inflation) war, ohne dass es zu schnell steigenden Güterpreisen kam.

So erschütterte bereits im England des 18. Jahrhunderts eine spekulative Aktienpreisblase die Finanzmärkte. Unter dem Vorsitz von John Blunt hatte die South Sea Company den Auftrag, die staatlichen Schulden und Rentenzahlungen in eigene Aktien mit festen Dividendenzahlungen umzuwandeln. Obwohl der genaue Konvertierungsplan nicht bekannt gegeben wurde, setzte im Frühjahr 1720 ein Run auf die Aktien der South Sea Company ein. Der Aktienkurs stieg zwischen Januar und Juni 1720 von 128 bis auf 1050 Britische Pfund an. Der gesamte englische Aktienmarkt wurde vom Spekulationsfieber mitgerissen. Angetrieben wurde die Spekulationsmanie von der Geldschöpfung der Banken, die gegen geringe Sicherheiten immer neue Wertpapierkredite ausgaben.(3)

In Frankreich war es die von John Law gegründete Banque Generale, ein Vorläufer der heutigen Zentralbank, die der französischen Krone ähnliche Dienste anbot wie die South Sea Company. Als Ludwig XIV. 1715 starb, hinterließ er seinem Nachfolger Ludwig XV. einen Schuldenberg von 2,4 Milliarden Livre. John Law entlastete die königlichen Finanzen, indem er Aktien der Banque Generale und der Mississippi Company gegen die Einlage von Staatsanleihen emittierte. Die Spekulation in diesen Aktien artete im Herbst 1719 zu einer regelrechten Volksbewegung aus. Die mittlerweile in die Banque Royal umfirmierte Bank John Laws finanzierte die spekulativen Exzesse mit der laufenden Ausgabe von Papiernoten, die längst nicht mehr durch die Goldbestände der Bank gedeckt waren.(4) Am Ende war das Vermögen der Aktien- und Papiergeldbesitzer in England und Frankreich durch die unkontrollierte Geldausgabe der damals noch privaten Zentralbanken weitgehend vernichtet worden.

Verblüffende Ähnlichkeit mit den Kapitalmarktspekulationen in der heutigen Zeit zeigen auch die Erfahrungen mit den spekulativen Exzessen in den so genannten "goldenen 20er Jahren" des vergangenen Jahrhunderts.(5) Auslöser des damaligen Börsenrauschs waren die phantastischen technischen Errungenschaften wie Elektrizität, Radio und Auto sowie die organisatorischen Neuerungen, die durch Frederick Taylor inspiriert wurden.

In den USA betrieb die Federal Reserve Bank (Fed) eine akkommodierende Geldpolitik. Der Diskontsatz wurde von sechs Prozent im Jahr 1921 bis Mitte 1927 auf 3,5 Prozent gesenkt. Für eine restriktivere Linie der Notenbank gab es nach dem traditionellen Inflationsbegriff keinen Fingerzeig, da die Steigerungsraten der Güterpreise durchweg unter den kritischen Toleranzschwellen lagen. Die eigentliche Inflation und Kreditschöpfung spielte sich im Wertpapierbereich ab, aber die Überwachung der Kapitalmarktpreise gehörte nicht zu den expliziten Zielvariablen der amerikanischen Notenbank. Als es einigen Mitgliedern des amerikanischen Geldwesens dämmerte, dass die Verbindung von Wertpapierkrediten und Börsenboom Sprengkraft birgt, war es bereits zu spät, um das Spekulationskarussell zu stoppen. Die Börsen nahmen gerade dann markant Fahrt auf, als die Notenbank mit drei Diskontsatzerhöhungen von 3,5 Prozent zu Beginn des Jahres 1928 auf fünf Prozent im Sommer 1928 sich entschlossen hatte, die spekulative Bewegung abzubremsen. Auf die Überspekulation mit Kursgewinnen von über 400 Prozent zwischen 1921 und 1929 folgte ein tiefer Fall der US-Wirtschaft und der US-Börsen. Von seinem Kurshöchststand von 381,17 Punkten am 3. September 1929 verlor der Dow Jones Industrials bis zum Tiefpunkt bei 41,22 Punkten am 8. Juli 1932 nahezu 90 Prozent. Das reale Bruttosozialprodukt schrumpfte zwischen 1929 und 1933 um ein Drittel, die Geldmenge M2 ging in derselben Zeit um 31 Prozent zurück.(6)

Auch der spekulativen Blase an den Immobilien- und Aktienmärkten in Japan zum Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts ging eine extrem expansive Geldund Kreditpolitik voraus. Die Wachstumsraten der Geldmenge M2 lagen bis zu acht Prozent über den Wachstumsraten des realen Bruttosozialprodukts. Trotz des schnell steigenden Geldüberhangs erreichten die Güterpreisinflationsraten nicht einmal vier Prozent, während das japanische Börsenbarometer Nikkei 225 von einem Rekordstand zum nächsten kletterte.7 Die Überbewertung der Kapitalmärkte in den Emerging Markets wurde bis 1997 durch die massiven Kapitalzuflüsse aus den Industrieländern hervorgerufen, die die Notenbanken der Nehmerländer nicht sterilisierten. Die jungen und ineffizienten Finanzstrukturen in den Schwellenländern waren nicht in der Lage, die Kapitalschwemme aus dem Ausland einer produktiven Verwendung in der Realwirtschaft zuzuführen. Die spekulative Blase an den Kapitalmärkten in den Schwellenländern platzte schließlich im Sommer 1997, als sich unter den ausländischen Kapitalgebern Zweifel an der Profitabilität ihrer Investitionen mehrten.(8)




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