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Ein Jahr Lehman-Pleite

20.09.2009  |  Klaus Singer
An dem Tag, an dem sich die Lehman-Pleite jährte, warnte US-Präsident Obama, die Finanzindustrie, sie solle nicht darauf vertrauen, dass der Steuerzahler auch beim nächsten Mal wieder in die Bresche springt. In seinem Wahlkampf klang das noch anders, nämlich nach kategorischer Ablehnung eines Heraushauens von Banken, die aufgrund von Gier oder kriminellen Machenschaften versagt hätten.

Dass die US-Regierung unter starkem Einfluss der Wallstreet-Elite steht, ist an sich nichts besonderes. Es begann mit dem Ende der Bretton Woods Ära Anfang der 1970er, als die Goldbindung des Dollar aufgehoben und die Währungskurse nach und nach frei gegeben wurden. Das war der Grundstein für den Boom der Finanzbranche, der in der Reagan-Ära auf Touren kam. Die Regierungen von Clinton und Bush führten die Deregulierung weiter fort. Nahezu alles wurde erlaubt, was noch mehr Gewinn versprach. Verbriefungen, Zinsswaps, Credit Default Swaps usw. ließen das Transaktionsvolumen, an dem Finanzunternehmen verdienen konnten, immer weiter ansteigen.

Und so steigt der Anteil des US-Finanzsektors an den Unternehmensgewinnen zuletzt über 40%. Bis 1985 waren es nie mehr als 16%. Parallel dazu stieg das Durchschnittseinkommen der Bank-Manager zuletzt auf über 180% des US-Durchschnitts. Bis Anfang der 1980er Jahre pendelte es stets um den Durchschnitt.

Der persönliche Reichtum, wie die erheblich über dem Durchschnitt liegenden Gewinne der Finanzinstitute sind die Basis für den politischen Einfluss von Wallstreet. Und so heißt es heute, wenn es Wallstreet gut geht, geht es Amerika gut. Früher war der Spruch einmal auf GM gemünzt. Aber das ist Schnee von gestern und das ehemals größte Unternehmen der Welt längst ein Fall für die Schrottpresse.

Das Besondere an der aktuellen Situation ist, welches Ausmaß der politische Einfluss der Finanzindustrie angenommen hat. Simon Johnson, einst Chefvolkswirt des IWF, vergleicht die USA diesbezüglich mit Schwellenländern wie Südkorea oder Indonesien. Welch massiven Einfluss Wallstreet auf die Reform des US-Finanzsystems nimmt, lässt sich schon an einzelnen Personen zeigen. Stephen Friedman z.B., einst Präsident der Fed New York, stolperte zwar über Interessenkonflikte wegen seiner Beziehungen zu Goldman Sachs. Er war gleichzeitig Aufsichtsrat bei der Bank, früher sogar ihr Chef.

In Friedmans Zeit als Aufsichtsrat fiel auch der Wechsel von ex-Goldman-Chef Hank Paulson an die Spitze des Finanzministeriums. Dessen wichtigste Tat war das 700-Mrd-Dollar Hilfsprogramm für Wallstreet. Es sollte freihändig vergeben werden ohne Kontrolle durch andere staatliche Einrichtungen - Ausnahme, die Fed New York. Dass auch Goldman Sachs davon abbekam, dafür sorgte ihr Wechsel von der Investment- zur Geschäftsbank, zu dem die Fed New York als zentrale Bankenaufseherin drängte.

Finanzminister Geithner, vormals ebenfalls Chef der Fed New York, zählt zum Kreis des früheren Finanzministers Rubin, der von Goldman Sachs kam. Der fungiert jetzt als inoffizieller Berater Obamas. Hinzu gehört auch Larry Summers, Nachfolger von Rubin als Clintons Finanzminister, er ist jetzt Obamas wichtigster Wirtschaftsberater. Summers hatte 2008 2,7 Mio. Dollar für Vorträge bei Wallstreet-Häusern eingenommen. Goldman zahlte z.B. 135.000 Dollar für einen eintägigen Besuch. Merrill Lynch gab 45.000 Dollar für einen Kurzbesuch - acht Tage nach Obamas Sieg bei der Präsidentschaftswahl.

Natürlich hat Obama in seinem Wahlkampf von Spenden der Finanzindustrie ordentlich profitiert, aber das ist eher ein Detail. Bei den Mitteln der Einflussnahme von Wallstreet geht es auch nicht so sehr um direkte Zahlungsflüsse, Bestehung und dergleichen. Das ist auch gar nicht nötig. Denn viele hohe Beamte im Finanzministerium haben ihre Karriere an Wallstreet begonnen, weiß Johnson.

Und auf den unteren Ebenen der vergangenen drei US-Regierungen verbreitern sich die persönlichen Verflechtungen noch. Johnson sagt, es sei fast eine Tradition geworden, dass Ex-Mitarbeiter von Goldman Sachs in den Staatsdienst wechseln und er sieht eine ganze Generation von Politikern, die fest an alles glauben, was auch immer die Banken sagen. So wird dafür gesorgt, dass sich die Regulierung des Finanzsektors in Grenzen hält.

Obama war mit dem Schlachtruf "Change" angetreten.

Die Änderung besteht darin, den Bock zum Gärtner zu machen, die Mitverursacher der Finanzkrise zur Mitwirkenden bei der Bekämpfung der Folgen zu machen. Deren Rezept sieht vor, die Finanzindustrie, mit Mitteln des Steuerzahlers frisch gestärkt, zum letzten (oder vor-vor-letzten Gefecht?) ausziehen zu lassen.

Die Lehman-Pleite wird mittlerweile schon wieder, wenn auch noch leise, als externer Schock bezeichnet, der die Finanzkrise erst ausgelöst hat. Wie war das noch mit Ursache und Wirkung? Die Ursache, extensives Aufblähen der Verschuldung in neoliberaler Deregulierung, lebt weiter. Nach der privaten ist dieses Mal die öffentliche Hand dran. Ende August erst hat die US-Regierung ihre Prognose für die Neuverschuldung von rund sieben auf über neun Bill. Dollar erhöht.




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