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Ein Jahr Lehman-Pleite

20.09.2009  |  Klaus Singer
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Dabei wirkt die Hypothekenkrise immer noch weiter fort. Der Anteil der Problemkredite bei Schuldnern mit hoher Bonität hat sich von fünf auf neun Prozent fast verdoppelt. Diese Prime-Kredite machen rund 80% des Gesamtvolumens aus, da reicht eine Steigerung um ein paar weitere Prozentpunkte, um die Hypothekenkrise wieder aufflammen zu lassen. Und wo dann noch einmal Billionen an Rettungsgeldern herkommen sollen, ist die Frage. Rund um den Globus haben die G20 bis jetzt Finanzspritzen im Umfang von 12 Bill. Dollar veranlasst.

Bisher gab es eine mehr oder weniger stillschweigende internationale Arbeitsteilung. Die USA kaufen chinesische Waren, China leiht das Geld dazu. Die "Volksrepublik" hielt im Juli US-Treasuries im Volumen von über 770 Mrd. Dollar, gefolgt von Japan mit fast 720 Mrd. Dollar. Dann folgt immerhin schon Großbritannien mit 214 Mrd. Dollar. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres verkauften öffentliche und private Investoren per Saldo US-Treasuries im Volumen von 344,7 Mrd. Dollar. China kaufte im selben Zeitraum noch im Wert von 49 Mrd. Dollar, nach 192,3 Mrd. im sechs-Monats-Zeitraum davor.

Sind das frühe Anzeichen einer Aufkündigung dieser Arbeitsteilung? Zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise versicherten alle Staaten im Chor, so auch die USA, auf Protektionismus zu verzichten. Solche nationalwirtschaftliche Abschottung hatte nach 1929 die damalige Krise erheblich verschärft. Jetzt hat Obama besondere Importzölle auf chinesische Reifen verhängt. Die Chinesen wollen auf gleicher Ebene antworten.

Wer kauft die zusätzlichen US-Schulden? Gut, die Fed kauft selbst, entweder direkt oder indirekt über primary Broker/Dealer. Aber das Volumen erreicht nicht im entferntesten das, was notwendig wäre. Was die Struktur der Treasury-Käufe hinsichtlich der Fristenverteilung angeht, so besteht zudem seit einiger Zeit eine klare Präferenz von kurzen Laufzeiten. Die Kreditgeber haben entweder kein Zutrauen in die lange Perspektive ihres Schuldners oder sie finden das Zinsniveau nicht attraktiv genug oder sie sehen eine weitere Dollar-Entwertung. Thema für einen nächsten Beitrag.

Ein Jahr nach der Lehman-Pleite - was gelernt? Nein, Schulden werden mit Schulden bekämpft. Liquidität als Allheil-Mittel. Steuerzahlers Rettungsgeld wird an die Börse getragen und damit eine im historischen Maßstab äußerst bemerkenswerte Expansion der Aktienmärkte angeschoben.

So V-förmig, wie die Bewegung der Aktienkurse das nahe legt, dürfte die Weltwirtschaft kaum "auferstehen". Das mag die Akteure an den Börsen zunächst wenig "jucken". Aber wenn das volkswirtschaftliche Wachstum dauerhaft hinter dem Wachstum des Schuldenanteils am BIP zurückbleibt, ist Trouble vorprogrammiert (siehe Chart!). Schätzungsweise würden nachhaltig mehr als 5% reales Jahreswachstum benötigt, um den bei den gerade ausufernden Staatsschulden zu vermeiden. Das ist aus meiner Sicht bei den entwickelten Industrieländern völlig unrealistisch.

Wenn schon nicht real, so wenigstens nominal? Das wäre die systemkonforme Lösung - Inflationierung. Nach wie vor ist der Zug hierfür noch nicht angefahren - und möglicherweise bleibt er auch auf dem Abstellgleis stehen. Es wird immer wieder darauf verwiesen, dass die enormen Überschussreserven im Bankensystem per se inflationär wirken. In einer lesenswerten Abhandlung (www.newyorkfed.org, PDF, engl.) wird das verneint. Entscheidend ist, wozu sie verwendet werden. Die Autoren schreiben sogar, dass es die Fed in der Hand hat, hieraus möglicherweise entspringenden inflationären Impulsen wirksam zu begegnen. Ich möchte den umgekehrten Schluss ziehen: Wenn es zu deutlicher Inflation kommt, dann ist sie gewollt.

Bei Inflation ist Gold nicht weit. Das Edelmetall kraucht bei einem Euro/Dollar um 1,47 etwas über 1000 Dollar dahin. Ich bezweifele, ob es sich jetzt schon hiervon deutlich nach oben absetzen kann. Unterstellt man beim Euro/Dollar noch ein Potenzial bis 1,4840, würde das den Goldpreis weiter stützen. Aber wahrscheinlicher ist darüber hinaus ein Rückzug bis in den Bereich von aktuell 970. Im Sinne einer langfristig bullischen Ausrichtung wäre das wahrscheinlich sogar "gesünder". Motivation hinter den Goldkäufen scheint mir momentan auch eher im "sicherer-Hafen"-Aspekt begründet, als im Inflationsschutz. Sonst dürften lang laufende US-Traesuries parallel dazu viel stärker unter Druck geraten. Damit bleibt zusammen genommen die Inflationserwartung weiterhin eher gedämpft (siehe
Chart!).

Jeder redet im Vorfeld des G20-Treffens von rigideren Vorschriften hinsichtlich Eigenkapital-Ausstattung und Reservesätzen, so auch Obama. Man darf gespannt sein, was davon am Ende übrig bleibt.

Erwähnte Charts können über diesen www.timepatternanalysis.de eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de




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