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Populäre Missverständnisse

27.11.2009  |  Steve Saville
Was folgt, ist ein Auszug aus einem Kommentar, der ursprünglich am 08. Oktober 2009 auf www.speculative-investor.com erschienen ist.


"Das Paradox der Sparsamkeit"

Die Theorie des "Wirtschaftskreislaufs", die von Keynes und seinen Schülern befürwortet wurde, besagt, dass die Ausgaben des einen die Einahmen des anderen sind. Daraus wird geschlossen, dass die Steigerung der Verbraucherausgaben auch zu einer Steigerung der Einnahmen innerhalb der Binnenwirtschaft führt, was wiederum die Gesamtwirtschaft stärkt. Aus dieser Theorie folgt, dass verstärktes Sparen innerhalb einer Wirtschaft insgesamt zu einer schwächeren Wirtschaft führen wird. Denn nur durch eine Senkung der aktuellen Ausgaben können Ersparnisse ausgebaut werden. Keynes bezeichnet dies als das “Paradox der Sparsamkeit“. Nach dieser Sichtweise existiert ein Paradox, weil man auf der einen Seite zeigen kann, dass wachsende Ersparnisse auf individuellem Niveau häufig positiv sind, wohingegen sie in der Praxis zu Problemen für die Gesamtwirtschaft führen würden.

Aber kann das denn wirklich so sein? Immerhin ist die Wirtschaft nur eine Ansammlung von Individuen; das, was auf individuellem Niveau sinnvoll ist, müsste doch eigentlich auch auf gesamtwirtschaftlichem Niveau sinnvoll sein. Oder nicht?

Ja, das sollte und das ist es auch. Das Paradox der Sparsamkeit tritt nur auf, wenn man von den falschen Grundannahmen ausgeht. Die falsche Grundannahme ist dahingehend die Theorie des "Wirtschaftskreislaufes".

Das Manko dieser Theorie wird deutlich, wenn man sich darüber im Klaren wird, dass Menschen nicht wirklich Geld ausgeben - sie geben eher aus, was sie produzieren. Geld ist nur das Tauschmittel. Zum Beispiel gibt ein Bäcker Brot aus, ein Schuster Schuhe und ein Zahnarzt gibt die zahnärztlichen Dienstleitungen aus, die er seinen Patienten gewährt. In jedem dieser Fälle werden Güter oder Dienstleitungen in Geld konvertiert; aber das wird auch nur gemacht, um den Austausch effizienter zu gestalten. Gäbe es kein Geld, müsste der Zahnarzt, der Brot bräuchte, einen Bäcker ausfindig machen, der seine Zähne gereinigt haben will, damit der Tausch zustande kommt.

Wenn man erst einmal verstanden hat, dass jede Person das verkauft, was sie/ er produziert, dann wird auch klar, dass steigenden Verbraucherausgaben ein Produktionszuwachs vorausgehen muss. Man könnte es auch so betrachten, dass mit Konsumausgaben der Wirtschaft auch gleichzeitig etwas entzogen wird. Würden die Individuen innerhalb der Wirtschaft mehr Dinge entnehmen, als sie hineinstecken, wie könnte dann die Wirtschaft überhaupt wachsen?

Gehen wir nun davon aus, dass einem vertretbaren Wachstum der Verbraucherausgaben eine wachsende Produktion vorausgehen muss, stellt sich uns folgende Frage: Was führt zu wachsender Produktion?

Einfach ausgedrückt: Ein Pro-Kopf-Wachstum der Produktion entsteht durch Investitionen in die Produktionsfaktoren*, und Investitionen stammen aus Ersparnissen. Der wirtschaftliche Wachstumsprozess ist also kein Kreislauf ohne Anfang und Ende, er beginnt vielmehr mit Ersparnissen und Investitionen. Steigende Ersparnisse und Investitionen führen zu einer größeren Pro-Kopf-Produktion und wachsende Produktion schafft größere Nachfrage nach Konsumgütern. Eine Regierungspolitik, die versucht, Ersparnisse zu senken und Konsumentenausgaben anzukurbeln, wird deshalb - soweit erfolgreich - zu einer schwächeren Wirtschaft führen.

Letzten Endes gibt es kein "Paradox der Ersparnisse".


"Überproduktion"

Dieselbe fehlgeleitete Denkweise, die beim "Paradox der Sparsamkeit" zum Tragen kommt, bringt auch die Vorstellung hervor, wirtschaftliche Abschwünge könnten durch eine generelle Überproduktion von Gütern verursacht oder verschlimmert werden. Aber wenn die Produktion den Konsum finanziert, wie kann die Wirtschaft dann je unter einer generellen Überproduktion leiden?

Die Antwort ist, sie kann es nicht.

Statt genereller Überproduktion passiert eigentlich Folgendes: Monetäre Inflation verzerrt die relativen Preisniveaus und sorgt für exzessive Investitionen in bestimmten Wirtschaftbereichen. Anfänglich ergibt sich dadurch ein Boom in jenen Teilen der Wirtschaft, die die exzessiven Investitionszuflüsse empfangen. Aber nach einer Weile - vielleicht der Reduzierung eines monetären "Stimulus" geschuldet - wird offensichtlich, dass viele der Investitionen aus Boom-Zeiten nicht mit den Bedürfnissen oder finanziellen Voraussetzungen der Konsumenten abgestimmt waren. Am Ende steht deswegen jedoch keine "allgemeine Überproduktion", am Ende steht eine unausgeglichene Wirtschaft, in der die Produktion nicht hinreichend auf die Konsumenten abgestimmt ist.

Dafür hat es in den letzten Jahren sehr viele eindrucksvolle Beispiele gegeben. Besonders zu erwähnen sind dabei die inflationären Strategien von Banken und Regierungen, welche (um es mild auszudrücken) exzessive Investitionen in die Sektoren Eigenheimimmobilien und gewerbliche Immobilien nach sich zogen. Das ließ Wirtschaften entstehen, deren Struktur auf Bau, Ausstattung, Finanzierung und auf den Absatz einer viel größeren Anzahl von Immobilien ausgerichtet war, als für eine tragbare Befriedigung der Konsumentennachfrage nötig gewesen ist.

Nachdem die Struktur einer Wirtschaft verändert wurde - aufbauend auf Illusionen, die durch monetäre Inflation geschaffen wurden - muss sie sich einer schmerzlichen Anpassung unterziehen, um wieder in Gleichklang mit der Wirklichkeit zu kommen.


*Produktionsfaktoren sind die Ressourcen, die zur Herstellung von Güter oder Erbringung von Dienstleistungen aufgewendet werden - dazu zählen Werkzeuge, Ausrüstung, Land, Fabriken, Büros, Technologie und Arbeitskräfte (Fachkunde und Ausbildung).


© Steve Saville
www.speculative-investor.com



Regelmäßige Finanzmarktprognosen und -analysen stehen auf unserer Webseite zur Verfügung www.speculative-investor.com. Zurzeit bieten wir keine kostenlosen Probeabos an, aber Gratisbeispiele unserer Arbeit (Auszüge aus unseren regelmäßig erscheinenden Kommentaren) können Sie unter www.speculative-investor.com/new/freesamples.html einsehen.



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