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Pferdewechsel bei Carry-Trades? Und makroökonomische Unbill

21.11.2009  |  Klaus Singer
Der Komplex "Dollar als Carry-Trade-Währung" war zuletzt mehrfach thematisiert worden. Nichts währt ewig, auch keine Intermarket-Korrelation. Daher möchte ich heute zunächst mögliche alternative Entwicklungen diskutieren.

Die Korrelation zwischen Aktien, z.B. dem S&P 500, und dem Währungspaar Euro/Dollar ist über den gesamten Zeitraum des Bull-Run seit Mitte März immer stärker geworden (siehe Chart! - "SPX vs ECW"). Indirekt geschlossen wurden offenbar zunehmend Assets mit Dollar-Krediten finanziert.

Nun hat Fed-Chef Bernanke am Montag dieser Woche herausgestellt, dass die Fed an einem festen Dollar interessiert ist. Das könnte das Signal gewesen sein, nicht mehr darauf zu wetten, dass Euro/Dollar über die alten Hochs bei rund 1,5050 hinaus steigt. In der Tat verhält sich das Währungspaar seitdem sehr volatil, die Aufwärtslinie aus März war schon in der Vorwoche unterboten worden.

Der Yen hat im Verhältnis zum Dollar seine Bedeutung als Carry-Trade-Währung eingebüßt (siehe Chart!). Man sieht sehr deutlich, dass sich das Währungspaar seit Mitte September aus dem mit dem S&P 500 gebildeten neutralen Band herausbewegt - ein Indiz, dass beide signifikant asynchron laufen. Hingegen ist der Gleichlauf zwischen Euro/Yen und EuroStoxx 50 nach wie vor gegeben.

Dollar/Yen notiert nahe an einem langjährigem Tief bei rund 88,50, das zuletzt im Januar und Anfang Oktober erreicht worden war (siehe Chart!). Im Chart sind auch die Phasen starker positiver Korrelationen zum S&P 500 eingezeichnet (vertikale, verbundene Linien).

Bei Euro/Dollar dürfte sich, abgesehen von einer aktuell volatilen Bewegung um 1,49 herum, übergeordnet eher weiterer Abwärtsdruck ergeben. Das hat erhebliche Konsequenzen für Carry-Trades. Eine festere Kreditwährung, in diesem Fall der Dollar, macht Carry-Trades zunehmend teurer. Werden in einer solchen Situation Carry-Trades aufgelöst, stärkt das die Kreditwährung zusätzlich und bringt weitere Carry-Trades unter Druck. Für die damit finanzierten Assets, z.B. Aktien, gilt das gleiche. Das sehen wir aktuell.

Andersherum bei Dollar/Yen: Hier spitzt sich die Lage ebenfalls zu - hält der Support bei 88,50 und bildet sich hier ein Boden für eine Aufwärtsbewegung? Wenn dem so wird, bewirkt ein schwächer werdender Yen eine zusätzliche Verbilligung der in Yen geschriebenen Carry-Trades und die Schwäche-Bewegung wird durch weitere Carry-Trades noch verstärkt - währungsseitig ein günstiges Umfeld für solche Geschäfte.

Mitte März 2008 gab es eine Situation bei Dollar/Yen, die gut vergleichbar ist mit der aktuellen Situation. Damals war die Entkopplung zum S&P 500 auf ein Maximum angestiegen (siehe Chart! - Cursor-Position), das Währungspaar bildete zeitgleich ein Tief aus. In der Folge kam es zu einem synchronen Anstieg bei beiden Werten. In dieser rund sieben Wochen anhaltenden Phase legten beide gut 8 % zu.

Auch wenn es noch sehr früh ist - ich halte es für gut möglich, dass Carry-Trades jetzt wieder verstärkt auf den Dollar/Yen verlagert werden. Da die Leitzinsen beider Währungsräume vergleichbar niedrig sind, eignen sich Dollar wie Yen hierfür gleich gut, es kommt lediglich auf die Kursperspektiven an. Und da spricht einiges für eine künftige Entwicklung ähnlich der zwischen Juni und September 2003. Auf heute übertragen bedeutete das: Der Support bei 88,50 hält zunächst, es kommt zu einem Fehlausbruch über die relevante Abwärtslinie, bevor das Währungspaar nach unten durchbricht (siehe Chart!).

Trifft die Annahme zu, dürfte es wegen Umschichtungen bei mit Carry-Trades finanzierten Assets kurzfristig ziemlich holprig werden. Gut möglich auch, dass im Zuge der damit in Verbindung stehenden Yen-Abwertung der Nikkei nun einen Boden findet. Wahrscheinlich wird das Ganze auch noch begleitet von erratischen Kursbewegungen bei Yen, Dollar und Euro.

Für Gold (und Silber) könnte das bedeuten, dass deren Aufwärtsbewegung erst einmal nicht mehr weiter geht. Gold war in der Vergangenheit sehr häufig ein Hedge gegen einen sinkenden Dollar. Wenn der Dollar jetzt erstarkt, fiele dieses Argument weg. Wahrscheinlich werden auch Rohstoffe mit einem sinkenden Euro/Dollar unter Druck kommen.

Insgesamt würden sich die meisten anderen Assets tendenziell (und zeitweise) von ECW entkoppeln, nachdem die Synchronität zuletzt extrem eng geworden war. Wie schon gesagt, nichts währt ewig, auch keine Intermarket-Korrelation.

Auch wenn ein weitergehender Carry-Trade-Ritt (auf welchem Pferd auch immer) zunächst von ungebrochener Risikobereitschaft zeugt - im großen zeitlichen Rahmen beinhaltet ein fester werdender Dollar eine bärische Botschaft. Ein nachhaltig starker Dollar war in der jüngeren Vergangenheit ein deutliches Zeichen von Problemen in Güter- und Finanzmärkten, insofern kommen übergeordnet (weitere) Zweifel an der Nachhaltigkeit des Bull-Runs auf.

Was könnte die bullische Freude nachhaltig trüben? Die US-Baubeginne sind im Oktober um 10,6% auf 529.000 eingebrochen, das ist das niedrigste Niveau seit April. Analysten gingen von 600.000 Baubeginnen aus. Die Zahl der Baugenehmigungen brach im Oktober auf 552.000 ein. Erwartet wurden 580.000. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang von fast 25%, bei den Baubeginnen sogar einer von über 30%.

Aber es lauern weitere Gefahren im Immobiliensektor, und zwar vor allem bei den gewerblichen Immobilien. Hier sind gegenwärtig Darlehen im Volumen von rund 3,5 Bill. Dollar offen. Sie wurden zu einem nicht unbeträchtlichen Teil dazu verwendet, in der Hochpreisphase bis 2007 Objekte
zu erwerben. Dabei war eine Kreditfinanzierung von bis zu 80% keine Seltenheit. Geschätzte 1,3 bis 1,5 Bill. Dollar an Schulden für Gewerbeimmobilien müssen in den nächsten drei bis vier Jahren refinanziert werden, davon etwa 500 Mrd. Dollar in 2010.




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