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Pferdewechsel bei Carry-Trades? Und makroökonomische Unbill

21.11.2009  |  Klaus Singer
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Und das in einer Situation, wo die Preise für Gewerbeimmobilien um 40% unter ihrem Hoch aus 2007 liegen und weiter fallen. Die Darlehensgeber sind mit gut 50% Banken und Sparkassen, gefolgt von Investoren in "Collateralized Mortgage Backed Securities" (CMBS) mit 21% (nach Fed-Angaben). Seit 2002 sind die CMBS überdurchschnittlich stark gestiegen, nämlich um 144 % gegenüber dem durchschnittlichen Zuwachs von gut 75% (siehe Chart!). Gerade diese Konstruktionen hatten sich bei der Hypothekenkrise im Privatsektor als besonders riskant erwiesen.

Wer springt da ein? Die Banken sind daran interessiert, ihre Ausrichtung hierbei abzubauen. Die Deutsche Bank schätzt, dass mindestens 65% der Kredite bei Fälligkeit nicht refinanziert werden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Bereich der Gewerbeimmobilien der konjunkturellen Erholung hinterherläuft. Ungewöhnlich aber ist das Ausmaß des Einbruchs in diesem Sektor. Die Leerstände steigen, Bankrotte der Besitzer nehmen zu. Und mancher Beobachter geht davon aus, dass eine Besserung überhaupt erst dann einsetzen kann, wenn die Arbeitslosenquote spürbar und nachhaltig zurückgeht. Müssen also Regierung und Fed mit einem weiteren (gigantischen) Rettungsprogramm in die Bresche springen?

Ein zweiter Gefahrenpunkt sind die Unternehmenskredite. Finanzminister Geithner äußerte sich jetzt zur bereits bestehenden Kreditklemme. Danach hätten es vor allem kleinere Firmen sehr schwer, Kredite zu bekommen. Die Situation dürfte sich noch verschärfen, wenn die Unternehmensbilanzen früh in 2010 vorliegen und bestehende Kredite neu bewertet werden. Es gehört keine Glaskugel dazu, vorauszusehen, dass sich die Konditionen durchweg erheblich verschlechtern werden. Unternehmen, die es bis hierher gebracht haben, könnten gerade dann auf der Strecke bleiben.

Ein dritter Gefahrenpunkt: In 2010 sind die staatlichen Anreizprogramme in den USA ein Jahr alt. Man kann davon ausgehen, dass deren Wirkungsverzögerung zwischen sechs und zwölf Monaten liegt. Damit muss sich bald zeigen, ob der Keynessche Multiplikator dieser Maßnahmen über eins liegt, sprich, ob staatliche Ausgaben zusätzliche private Wirtschaftsaktivitäten losgetreten haben.

An den Einzelhandelsumsätzen im Oktober zeigt sich schön, dass der Strohfeuer-Effekt der amerikanischen Abwrackprämie schon wieder verloschen ist. Die Kfz-Verkäufe befinden sich aktuell wieder auf dem Niveau von 1982, als die Bevölkerung der USA noch rund 50 Millionen geringer war.

Solche einmaligen Aktionen bleiben ohne Keynesschen Multiplikator-Effekt, wenn die Verbraucher nicht mit einer Verbesserung ihrer Lage rechnen. Und das tun sie nicht - siehe Verbrauchersentiment und Verbraucherstimmung (siehe Chart!). Solche Aktionen kosten dann mehr als sie bringen - sie helfen nur kurzzeitig den Anbietern, stellen also eine versteckte Subvention der Hersteller dar und verzerren die Marktkräfte.

Wenn das ein Vorgeschmack auf die Wirkung der Anreiz-Programme insgesamt ist, dann "gute Nacht". Dann ist eine double-dip-Rezession so gut wie sicher mit der Gefahr eines Abgleitens in eine Depression.

Irgendwann werden die Aktienkurse anfangen, solche negativen Szenarien "einzupreisen", die V-förmig vorgelaufenen Kurse müssen sich der Realität stellen. Ein kosmetischer Punkt könnte dabei die Bullen noch etwas stützen, der statistische Basiseffekt. 2010 wird mit den schlechten Vergleichzahlen von 2009 gerechnet. Und die zu erreichen ist zumindest leichter als die noch relativ hohen Werte von 2008.

Und was ist in der Zwischenzeit? In meinem Artikel von der vergangenen Woche hatte ich „kurzfristige Perspektiven und mittelfristige Weichenstellung“ diskutiert: Ist bei einem Stand des S&P 500 bei rund 1120 Schluss mit der bullischen Vorstellung oder geht es weiter bis zum nächsten Ziel bei etwas über 1200? Wobei die erste Variante nicht unbedingt gleich einen Zusammenbruch bedeuten muss, denkbar wäre auch eine längere volatile Phase von Gewinnmitnahmen und Fehlausbrüchen.

Wie zuletzt bereits erörtert (z.B. im Diskussions-Form, Eintrag vom 12.11.09) sind im S&P 500 und Dow Abwärtslinien aus Okt 2007 im Test. Sie wurden gestern intraday erneut erreicht, der Schlusskurs lag etwas höher (siehe Chart!). Werden sie nachhaltig gebrochen, trübte das bullische Bild bereits jetzt deutlich ein. Dann wäre eher von der Variante "1.120 im S&P500" auszugehen. Anderenfalls steigt die Wahrscheinlichkeit einer Jahresend-Rallye mit höheren Zielkursen.

Für die Bullen spricht, dass die Volumenverteilung im S&P 500 jetzt in Akkumulation gekippt ist (siehe Chart!). Das deutet darauf hin, dass große Adressen erneut zufassen. Auch Mitte März und Mitte Juli war das schon der Fall - jedes Mal zu Beginn eines starken Aufwärtsimpulses.

Zum "Wollen" gehört das "Können" - und hier zeigen die Verläufe der Bankreserven per Oktober einen weiteren Zuwachs (siehe Chart!). Die Überschussreserven kommen auf fast 95% der gesamten Reserven, das zeigt das enorme Ausmaß an Liquidität. Das zeigt ferner: Das Potenzial zur Geldschöpfung per Kredit (und mithin das Inflationspotenzial (cet. par.)) ist sehr hoch und es steigt weiter. Aber die Banken verleihen wenig, spekulieren lieber an den Finanzmärkten - die Zentralbank-Mittel kosten fast nichts, also kann man nur gewinnen. Und so lange bleibt das Potenzial das, was es ist.

Die Erwartungen an das Weihnachtsgeschäft werden immer tiefer gelegt. Nach Wal-Mart hat sie auch Target, der zweitgrößte nach Wal-Mart, gedämpft. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit einer positiven Überraschung. Zudem haben die Fed und die G20 geschworen, die Geldpolitik weiter locker zu halten. Und die Fed hat (s.o.) die Schleusen im Oktober nochmals kräftig aufgedreht.

Auch das spricht eher noch für die Bullen. Allerdings herrscht Sentiment-seitig kurzfristig ein unangemessener Optimismus vor. Das legt nahe, dass es beim Test der Ausbruchslinien im Dow und S&P 500 auch zu einem "Fehldurchbruch" kommen kann - Fehlsignale gibt es ja insbesondere seit März in Serie.

Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de




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