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Wege aus der Schuldenkrise

15.01.2012  |  Klaus Singer
Am zurückliegenden Freitag hat die Rating-Agentur Standard & Poors das Kreditrating von neun europäischen Ländern herabgesetzt. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der im Dezember beschlossene Fiskalpakt unzureichend ist, bzw. umgesetzt wird. Dessen jetzt dritter Entwurf stellt eine signifikante Verwässerung des seinerzeit beschlossenen Vorhabens dar.

Die Abstufung war zu erwarten gewesen. Die europäische Politik reagierte jedoch mit Unverständnis, teilweise auch mit dem "leisen" Hinweis, die Rating-Agentur wolle mit ihrem Schritt nur von der amerikanischen Verschuldungsproblematik ablenken. Ich finde, z.B. ein "AA+" für Frankreich ist doch immer noch eine äußerst freundliche Bewertung.

Die "Märkte" hatten noch kurz vorher die erfolgreich verlaufenen Bond-Auktionen in Italien und Spanien gefeiert. Oder war es das gute Geschäft für die Banken? Diese leihen sich im Dezember beim "LTRO" der EZB für ein Prozent auf drei Jahre Geld und kaufen damit drei Jahre laufende italienische Staatsanleihen, die mit 4,83% rentieren. Die tragen sie dann beim nächsten LTRO als Sicherheit zur EZB, leihen sich dafür neues Geld und... Und Standard & Poors sorgt mit schlechterem Kredit-Rating dafür, dass das Geschäft künftig noch mehr Zinsen abwirft.

Schulden – das alte Thema ist das neue. Welche Möglichkeiten haben Staaten eigentlich, die Problematik übermäßiger Verschuldung anzugehen? Zur Beantwortung dieser Frage greife ich im Folgenden auch auf Material aus Aufsätzen von David Rhodes und Daniel Stelter von Boston Consulting Group zurück.

Zunächst aber: Wie steht es mit der Verschuldung im historischen Vergleich? Das Verhältnis Gesamtschulden zu BIP in den 18 Kernländern der OECD ist von 160% in 1980 auf 321% in 2010 gestiegen. Heruntergebrochen und inflationsbereinigt ist die Verschuldung von nicht-Finanz-Unternehmen im selben Zeitraum um 300% angewachsen, die der Staaten um 425% und die der privaten Haushalte um 600% (siehe Chart!).

Da bleibt nur der Schluss: Die in den zurückliegenden mehr als 25 Jahren aufgeblasene Kredit-Blase platzt. Einen Überblick über die Projektionen der "offziellen" Schuldenquoten zahlreicher Länder für 2012 finden Sie Blog der TimePatternAnalysis.

Grundsätzlich gibt es für Staaten vier Wege, das Schuldenproblem anzugehen: Der erste Weg: „Sparen und zurückzahlen“. Das liegt intuitiv am nächsten - wer zu viel ausgegeben hat, muss den Gürtel eben enger schnallen. Auf der staatlichen Ebene aber ist das paradoxerweise nicht so einfach: Wenn zu viele zum gleichen Zeitpunkt sparen und Schulden tilgen, führt das zu einem Rückgang des Verbrauchs und damit zu nachlassendem Wachstum. Daraus folgen zurückgehende Beschäftigung und somit sinkende Einkommen. Das erschwert wiederum das Tilgen von Schulden und führt im schlimmsten Fall nach der Schulden-Deflations-Theorie von Irving Fisher zu einer langen und tiefen Rezession mit ausgeprägter Deflation.

Wenn mehrere Länder gleichzeitig versuchen, der Überschuldung durch Sparpolitik entgegen zu wirken, wird das Problem noch verschärft. Und wenn sich privater und öffentlicher Sektor gleichzeitig entschulden wollen, erfordert das einen Außenhandelsüberschuss, um der Gefahr einer Deflationsspirale zu entgehen. Des einen Überschuss ist des anderen Defizit: Wenn zwei Fünftel der Weltwirtschaft gleichzeitig sparen und tilgen wollen - wer springt dann in die Bresche? Dazu müssten etwa die Emerging Markets ihre Importe erheblich steigern. Das ist nicht sehr wahrscheinlich.

Der zweite Weg: "Schneller wachsen" ist die schönste aller Möglichkeiten, das Schuldenproblem anzugehen. Um einen nachhaltigen Wachstumsimpuls zu erzeugen, müssen die Lohnstückkosten nachhaltig sinken. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine besteht in einem Investitionsschub. Die Mittel dazu wären vorhanden, bewegt sich doch die Quote der Unternehmensgewinne am BIP in den USA mit 13% bei einem Allzeit-Hoch - wie übrigens auch die Cash-Haltung.

Warum aber sollen Unternehmen investieren, wenn die Nachfrage schwach und die Kapazitätsauslastung relativ gering ist. Und so lagen die realen Netto-Investitionen zuletzt auf dem Niveau von 1975, als das damalige reale BIP bei 38% des heutigen lag.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Löhne zu drücken. An diesem Thema "verbrennen“ sich Politiker insbesondere in Zeiten erhöhter Arbeitslosigkeit ungerne die Finger. Außerdem stellt sich hierbei meist zunächst ein gegenläufiger Effekt ein, weil die mit einer veränderten Sozialpolitik einhergehende Unsicherheit erst einmal einen Spar-Reflex auslöst.

Schulden selbst behindern das Wachstum. Reinhardt und Rogoff haben in ihrem Buch "This time is different" gezeigt, dass eine Staatsverschuldung von 90% des BIP und darüber eine Belastung für das reale Wachstum darstellen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Wirtschaft eine Finanzkrise durchläuft.




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