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Ausstiegsfibel für die Eurozone (Teil 1/3)

02.03.2012  |  John Mauldin
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Euro-Mitgliedsländer könnten ihre Zahlungsunfähigkeit erklären, ohne den Euro zu verlassen. Doch nur mit dem Ausstieg aus dem Euroraum kann deren Wettbewerbsfähigkeit wiederhergestellt werden. Der Ausstieg wird zum effektivsten politischen Werkzeug auf dem Weg zum innereuropäischen Ausgleich und zur Schaffung von Wachstum.

Die Randnationen des Euroraumes leiden unter Solvenz- und Liquiditätsproblemen, die einen Schuldenausfall unausweichlich und ein Verlassen der Währungsunion wahrscheinlich machen; Griechenland, Portugal, Irland, Italien und Spanien haben unhaltbar hohe Auslandsschulden aufgetürmt - in einer Währung, die sie weder drucken noch abwerten können. Schwellenländer, die während vergangener Krisen Zahlungsunfähigkeit erklären mussten und ihre Währung abwerteten, hatten fast immer eine niedrigere Auslandsverschuldung aufzuweisen als die heutigen Randnationen Europas. Diese Auslandsverschuldung wurde durch enorme Schulden-Blasen angeheizt, die wiederum durch unangemessene Geldpolitik verursacht wurden.

Alle europäischen Randnationen unterscheiden sich voneinander, eines haben sie aber gemeinsam - zu hohe Schulden. Griechenland und Italien haben eine hohe Staatsverschuldung. In Spanien und Irland ist hingegen der private Sektor sehr stark verschuldet. In Portugal ist der öffentliche wie auch der private Sektor hochverschuldet. Griechenland und Portugal sind aller Wahrscheinlichkeit nach insolvent, wohingegen Spanien und Italien wahrscheinlich illiquide sind. Schuldausfälle sind nur ein Teil der Lösung. Selbst wenn diese Länder ihren Zahlungsausfall erklären, haben sie immer noch überbewertete Wechselkurse.

Der Euro ist wie eine moderne Version des Goldstandards, wobei die schwächeren Länder die Last der Anpassung tragen müssen. Wie beim Goldstandard erzwingt jetzt auch der Euro Anpassungen direkt über die realen Preise und Löhne - anstatt über Wechselkurse. Und ähnlich dem Goldstandard hat der Euro eine rezessive Neigung, wobei die Lasten der Anpassungen immer auf das Konto der schwächeren und nicht der stärkeren Länder des Währungsraums gehen. Der Lösungsansatz der europäischen Politiker besteht in der Forderung nach mehr "Austerität". Eine Entschuldung im öffentlichen wie privaten Sektor ist jedoch nur mit einem Leistungsbilanzüberschuss möglich, der aber in Anbetracht der hohen Auslandsschulden und der geringen Exporte der peripheren Euroländer unerreichbar ist. Solange diese Länder im Euroverbund bleiben, tragen sie die Anpassungslasten und sind zu wirtschaftlicher Kontraktion oder niedrigem Wachstum verdammt.

Ein Rückzug aus dem Euro würde nur die bestehenden Ungleichgewichte auflösen und die ohnehin schon existierenden Verluste herauskristallisieren. Die Märkte diskontieren schon mit hohem Tempo die sich verschlechternde Situation in Europa. Ein Ausstieg aus dem Euro würde die Feststellung der eigentlichen und endgültigen Verluste beschleunigen, da sich die Randzonenländer ihrer Schulden weder durch Wirtschaftswachstum noch durch Währungsentwertung erfolgreich entledigen können. Die politischen Entscheidungsträger sollten sich nicht nur auf die organisatorischen und technischen Abläufe eines möglichen Ausstiegs aus dem Euro konzentrieren, sondern genauso darauf, wie grenzübergreifende Bankrotte und Umschuldungprozesse bei Staatsanleihen ablaufen.

Mit dem Verlassen der Eurozone dürfte man die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit, eine Umschuldung und die Umschreibung der Staatschulden in eine Landeswährung erreichen und die Anleihehalter zum Schuldenschnitt zwingen können. Die Aufnahme von Staatsschulden unterliegt in Europa so gut wie immer dem jeweiligen Landesrecht. Somit hätte man die Möglichkeit, die Schulden in eine neue nationale Währung umzuschreiben, was aus rechtlicher Sicht dann kein Schuldenausfall wäre - auch wenn die Ratingagenturen und internationalen Vereinigungen wie die ISDA dies wahrscheinlich als technischen Ausfall werten würden. Die Abwertung der Landeswährung und die Rückzahlung der Schulden in Drachmen, Lire oder Peseten würde die reale Schuldenlast verringern: Die Randnationen können durch Exporte Euros einnehmen und durch Inflation im eigenen Land den realen Wert der Schulden verringern.

Zumindest der Umschreibung aller privaten Schulden in eine neue Landeswährung stünde nichts entgegen. Private Auslandsschulden würden jedoch weiterhin den rechtlichen Bestimmungen der zuständigen Gerichtsbarkeit unterliegen, die bei der Vergabe der Anleihen oder Bankenkredite galten.

Das Hauptproblem für Unternehmen besteht nun darin, dass sie auf lokaler Ebene arbeiten, aber im Ausland Kredite aufnahmen. Ein Ausstieg aus dem Euro würde wahrscheinlich auch eine hohe Zahl von Unternehmens- und Privatinsolvenzen nach sich ziehen, wenn Kredite im Ausland aufgenommen wurden. Das wäre aber nichts Neues oder Beispielloses. Gerade während der Asienkrise von 1997 kam es zu besonders vielen Kreditausfällen in den jeweiligen nationalen Privatsektoren. Die positive Folge war jedoch, dass Unternehmen anschließend mit frischen Bilanzen an den Start gingen.

Wie die Erfahrungen der Schwellenwirtschaften zeigen, wären die Qualen der Währungsabwertung nur von kurzer Dauer und anschließend würde eine schnelle Erholung und schnelles Wachstum folgen. Staaten, die sich zahlungsunfähig erklärten und daraufhin ihre Währung abwerteten, erlebten eine kurze, schwere Kontraktion, der sehr steile, ausgedehnte Wachstumsperioden folgten.

Ein geordneter Zahlungsausfall und eine Umschuldung sind, in Verbindung mit Währungsabwertung, unausweichlich und sogar wünschenswert. Die europäische Peripherie würde am Ende wieder mit weniger schuldenlastigen Bilanzen dastehen. Die europäische Peripherie könnte dann wieder schnell wachsen, so wie es in vielen Schwellenländern nach Zahlungsausfällen und Währungsentwertungen der Fall gewesen ist (siehe Asien 1997, Russland 1998, Argentinien 2002, etc.). In fast allen Fällen fiel das reale BIP nicht länger als zwei bis vier Quartale. Zudem erreichte das BIP sein Vorkrisenniveau innerhalb von zwei bis drei Jahren; die meisten Länder hatten darüber hinaus nach nicht allzu langer Zeit wieder Zugang zu den internationalen Schuldenmärkten.

Lesen sie weiter: Teil 2 und Teil 3.


© John Mauldin



Dieser Artikel wurde am 28. Februar 2012 auf www.ritholtz.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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