Alles über die Goldpreismanipulation! - Interview mit Dimitri Speck
01.04.2010 | Rohstoff-Spiegel
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Rohstoff-Spiegel: Wie läuft Ihrer Meinung nach die Manipulation in der Praxis ab? Wer gehört alles zu den Manipulatoren?Dimitri Speck: Anfänglich gab es eine Vereinbarung zwischen mehreren Zentralbanken, keinen Goldpreis über der Marke von 400 Dollar je Unze zuzulassen. Schnell aber spielten noch weitere Akteure mit. Man konnte sich nämlich Gold von den Zentralbanken leihen, im Markt verkaufen und den Erlös höher verzinslich anlegen. Bei diesem Gold-Carry-Trade hatten die beteiligten privaten Finanzhäuser nun selbst ein Interesse an einem schwachen Goldpreis. Sie waren Gold schuldig und mussten es irgendwann im Markt zurückkaufen, profitierten also unmittelbar von einem schwachen Goldpreis. Diese Kooperation zwischen privaten, am Gewinn orientierten Finanzhäuser und den Zentralbanken, die eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen, ist eine äußerst spannende Geschichte.
Rohstoff-Spiegel: Im Zuge der letzten Finanzkrise haben die Zentralbanken begonnen, so ziemlich alles aufzukaufen, was es an Vermögenswerten gibt und Interventionen am Währungsmarkt sind auch schon lange gesellschaftsfähig. Warum wird um die Interventionen am Goldmarkt nach wie vor ein Mantel des Schweigens gehüllt? Worin unterscheidet sich die Manipulation am Goldmarkt von jener bei Zinsen, Geldmenge oder Wechselkursen?
Dimitri Speck: Bei den klassischen Interventionen, denen am Devisenmarkt, verhält es sich seit Jahren meist wie bei denen am Goldmarkt: Die Zentralbanken veröffentlichen sie nicht. Auch viele der Devisenmarktinterventionen in früheren Jahren, die heute bekannt sind, waren ursprünglich geheim. Sie hatten sich bloß an Spuren - etwa im Kursverlauf oder in den Bilanzen - verraten und wurden dann im Nachhinein veröffentlicht. Die Goldinterventionen sind bis jetzt ebenfalls öffentlich nicht bekannt gegeben worden.
Rohstoff-Spiegel: Hat sich in den letzten Jahren, seitdem Sie die Anomalien am Goldmarkt entdeckten, etwas daran verändert?
Dimitri Speck: Die Interventionen ändern sich laufend. Methoden, Motive und Teilnehmer sind weder einheitlich noch konstant. Das macht die Erforschung schwieriger, aber auch spannender. Es ergibt sich ein regelrechtes Puzzle an Motiven und Entscheidungen, die im Kontext des jeweiligen Umfeldes zu sehen sind. Die Goldinterventionen lassen sich sogar in klar unterscheidbare Phasen einteilen. Desweiteren werden die Methoden angepasst, so gab es beispielsweise während der Finanzmarktkrise besonders viele sehr scharfe Interventionen. All das ist messsbar.
Rohstoff-Spiegel: Konnten Sie auch bei anderen Rohstoffen bzw. Edelmetallen ähnliche Manipulationsmuster wie beim Gold entdecken?
Dimitri Speck: Gold unterscheidet sich grundsätzlich von anderen Waren, da es kein Verbrauchsgut, sondern ein Anlagegut ist. Die Zentralbanken alleine halten ein Vielfaches des Jahresverbrauchs. Sie brauchen nur Bruchteile ihres Bestandes in den Markt zu geben, um einen nennenswerten Anteil des jährlichen Bedarfs zu decken. Bei Verbrauchsgütern wie Öl, Kupfer oder Weizen sind bei weitem keine derartigen Mengen eingelagert.
Rohstoff-Spiegel: Wie lange können die Notenbanken den Goldpreis noch niedrig halten? Angesichts der massiven Investmentnachfrage von physisch hinterlegten Produkten kann der Markt doch nicht ewig über Derivate manipuliert werden?
Dimitri Speck: Bereits seit 2001 können oder wollen die Zentralbanken den Goldpreis nicht mehr niedrig halten, sondern seinen Anstieg nur noch bremsen. Die Interventionen am Goldmarkt kosten die Zentralbanken schließlich auch echtes Gold, und sie möchten nicht alles, was sie haben, dafür zur Verfügung stellen. Für den Markt ist Gold ein liquides Wertaufbewahrungsmittel, das weder Konkurs gehen noch durch Inflation an Wert verlieren kann. Der Goldpreis wird so weit steigen, wie Nachfrage nach so einem Wertaufbewahrungsmittel besteht. Dem Gold steht die Welt der Kredite gegenüber. Wenn es zu viel von ihnen gibt in Relation zur Wirtschaftskraft, steigen die Risiken, aber auch das Potential für reale Güter, insbesondere für Gold.
Rohstoff-Spiegel: In der älteren Literatur wird oft das Ende des Goldpools in den 1960er Jahren und die nachfolgende Goldpreisexplosion als Vorbild für die heutige Hausse gesehen. Was führte damals zum ungebändigten Goldpreisanstieg? Ist etwas Ähnliches heute vorstellbar?
Dimitri Speck: Das Problem ist ein Grundsätzliches: Kreditschöpfung ist ein selbstrentabler Prozess, da mit ihr die Vermögenspreise steigen. Deswegen ist es so schwer und historisch auch noch nie geglückt - auch im Goldstandard nicht - Blasenbildung zu verhindern. Man hat nun in den letzten Jahrzehnten keine Rückführung der Verschuldung zugelassen, sondern vielmehr mit immer neuen Krediten auf drohende Rezessionen reagiert. Deswegen sind wir jetzt in einer Megablase, Kennzahlen wie die Gesamtverschuldung aller Wirtschaftsteilnehmer zur Wirtschaftsleistung sind weit höher als in den Sechzigern. Es gibt also Parallelen, aber auch gravierende Unterschiede, die die heutige Ausgangslage problematischer erscheinen lässt als die damalige.
Rohstoff-Spiegel: Wie hoch müsste der Goldpreis ohne die Interventionen der Zentralbanken steigen, um die wahren Marktkräfte widerzuspiegeln?
Dimitri Speck: Seit Jahrhunderten hängt der Goldpreis wesentlich davon ab, was Politik und Geldpolitik machen. Daran hat die Aufhebung der Goldbindung Anfang der Siebziger eben gerade nichts geändert. Wahre Marktkräfte finden Sie vielleicht bei Kupfer oder Käse, aber nicht bei Gold.
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Dieser Artikel ist bereits vorab im Rohstoff-Spiegel 05/2010 erschienen. Der Rohstoff-Spiegel liefert Ihnen alle 14 Tage umfangreiches Hintergrundwissen, Interviews, Produktvorstellungen und Anlageempfehlungen für Gold, Silber & Co. Profitieren auch Sie vom Megatrend Rohstoffe und melden Sie sich noch heute kostenlos für den Rohstoff-Spiegel auf www.rohstoff-spiegel.de an.