Wann kommt die Inflation?
09.04.2012 | Carsten Klude
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Man kann davon ausgehen, dass sich die EZB diesem Dilemma durchaus bewusst ist. Da die EZB genau aus diesem Grund keine Deflation in Ländern wie Spanien, Portugal oder Italien zulassen wird, ist mit einem Überschießen der Inflationsraten in Deutschland zu rechnen. Das ist sozusagen der Preis dafür, dass der Süden Europas nicht kolla-biert. Die perspektivisch höheren Inflationsraten und die damit einhergehende viel zu expansive Geldpolitik für die deutsche Volkswirtschaft sind Fluch und Segen gleichzeitig. Ein Fluch liegt deshalb vor, weil höhere Inflationsraten i.d.R. als unsozial gelten und einkommensschwächere Einkommensschichten tendenziell stärker belasten. Außerdem sinkt die Kaufkraft, der Konsum könnte dadurch u.U. benachteiligt werden. Auf der anderen Seite ergeben sich aber auch handfeste Vorteile; so dürften sich z.B. die Steuereinnahmen in einem derartigen Umfeld positiver entwickeln als von vielen angenommen. Lohnsteigerungen wären zudem leichter zu verkraften, da die Reallöhne dadurch nicht zwangsläufig steigen. Außerdem wäre bei Sachwerten mit einer gewissen Assetpreisinflation zu rechnen - der deutsche Wohnimmobilienmarkt weist hier u.U. schon in diese Richtung.
Vor allem aber wird das für deutsche Verhältnisse viel zu niedrige Zinsniveau zu extrem günstigen Finanzierungskonditionen für Unternehmen führen. Positive Wachstumseffekte sind damit fast vorprogrammiert, was wiederum die Differenz in der Inflationsrate zum Euro-Durchschnitt für längere Zeit zementieren dürfte.
Hier zeigt sich auch das konzeptionelle Problem einer jeden Währungsunion, die über eine größere Anzahl heterogener Volkswirtschaften verfügt. Ist erst einmal ein gewisses Maß an Divergenz in der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht, ist eine einheitliche Geldpolitik keine adäquate Lösung mehr für einen derartigen Wirtschaftsraum. Da aber in einer Währungsunion per Definition eine einheitliche Geldpolitik vorliegt, ist die resultierende Geldpolitik für den einen Teil der Länder zu expansiv und für den anderen Teil zu kontraktiv.
Von diesem Moment an führt eine wie auch immer gestaltete Geldpolitik eher zu einer weiter zunehmenden Divergenz in der wirtschaftlichen Entwicklung, und der Zentralbank sind weitgehend die Hände gebunden wenn es darum geht, diesen Prozess aufzuhalten oder umzukehren. Möchte man diesen sich jetzt abzeichnenden Trend einer weiteren Divergenz der wirtschaftlichen Entwicklung trotzdem stoppen, bedarf es neben strukturellen Verbesserungen in den südeuropäischen Ländern und einer Angleichung der Lohnstückkosten vor allem eines europäischen Transfersystems, welches sich konzeptionell am deutschen Länderfinanzausgleich orientiert.
Die politischen Implikationen und Konsequenzen eines solchen Ansatzes wollen wir an dieser Stelle nicht kommentierten; aus ökonomischer Sicht lässt sich aber am Beispiel Deutschlands gut studieren, wie ein derartiger Länderfinanzausgleich zwar die Lebensverhältnisse angleichen kann, die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit aber eher zementiert als nivelliert. Damit wird ein derartiges Transfersystem zu einer Dauereinrichtung und nicht zu einer temporären Lösung. Und somit zeigt sich, dass die in der Überschrift gestellte Frage auch Aspekte tangiert, die über das eigentliche Thema der Inflation weit hinausgehen.
Auf Deutschland bezogen muss man kein Prophet sein, um für die kommenden 24 Monate ansteigende Inflationsraten zu prognostizieren. Angesichts rekordtiefer Renditen bei Staatsanleihen und Unternehmensanleihen guter Bonität bedeutet dies für viele Kunden, ihre strategische Asset Allokation zu überdenken. Ein "weiter so“ könnte mittelfristig zu bösen Überraschungen führen.
© Carsten Klude, Dr. Christian Jasperneite, Matthias Thiel, Martin Hasse
M.M.Warburg Investment Research
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