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Staatsschulden, Sparen und die Konjunktur

22.05.2010  |  Klaus Singer
Den Märchen der Politiker in Brüssel, Berlin und Athen über die böse Spekulation und den Ankündigungen, die Finanzmärkte stärker regulieren zu wollen, folgten jetzt Taten: Gegen den Willen Englands wurde entschieden, Hedgefonds in Europa strengen Melde- und Aufsichtspflichten zu unterwerfen. Die deutsche Regierung will eine globale Finanzmarkt-Transaktionssteuer durchsetzen. Die BaFin verbietet Mitte der Woche in einer Nacht-und-Nebel-Aktion für ein Jahr ungedeckte Leerverkäufe bei wichtigen Bank- und Finanzaktien. Das Verbot erstreckt sich auch auf bestimmte europäische Staatsanleihen und CDS-Geschäfte, die nicht zur Absicherung bestehender Positionen dienen.

Die europäische Politik befindet sich auf dem Kreuzzug gegen die Spekulation. Kreuzzüge waren nie eine besonders kluge Idee. Bei den alten Kreuzzügen stand hinter dem religiösen Wahn handfeste wirtschaftliche Großmannssucht. Was steckt hinter dem heutigen Verfolgungswahn, die Spekulation sei an allem schuld?

Ich habe mich mit den Ursachen, Wirkungen und Hintergründen dieser zum Teil lachhaften Maßnahmen in einem separaten Artikel befasst (www.timepatternanalysis.de). Ganz reduziert: Die Politik zieht vordergründig populistisch gegen die Spekulanten zu Felde und spendiert mit ihrem Rettungsschirm für die Euro-Zone den Zockern in den Bank-Etagen und Hedge-Fonds ein Rundum-Sorglospaket zur risikofreien Nutzung der weiter ausufernden Liquiditätsschwemme.

Sei es, wie es sei - diese am Mittwoch Abend bekannt gewordenen Maßnahmen verunsicherten die Finanzmärkte. Mancher Marktteilnehmer fühlte sich bei dem deutschen Regulierungsalleingang wohl an den Herbst des Jahres 2008 erinnert, als vor dem ominösen 15. Sep (Lehman-Pleite) ebenfalls ungedeckte Leerverkäufe deutscher Finanzwerte verboten wurden. Andere sehen darin einen Akt der Verzweiflung, er bewirke nichts, im Gegenteil.

Die Gerüchte schießen ins Kraut, es ist sogar davon die Rede, dass die Beteiligung des IWF an besagtem Rettungsschirm zurückgezogen wird. Andere wollen wissen, dass Griechenland aus der Euro-Zone austritt. Wieder andere wollen gesehen haben, wie Herr Trichet persönlich den Euro stützt. Vielleicht wird in Deutschland an Pfingsten auch die D-Mark wieder einführt, das Gerücht fehlt noch in der Sammlung. Wie es bei Gerüchten so ist - kann sein, kann nicht sein.

Die offizielle Lesart in der Finanzpresse ist die: Nach dem Beschluss der Euro-Zone, ein Hilfspaket im Umfang von rund einer dreiviertel Bill. Euro zur Bekämpfung der Staatsschuldenkrise aufzulegen, wich die anfängliche Freude schnell Zweifeln, ob die PIIGS auch in der Lage seien, genügend zu sparen, um ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen.

Andersherum wird ein Schuh draus: Bisher lebte die Finanzindustrie in der trügerischen Hoffnung, mit dem Schuldentransfer aus der Finanzindustrie auf die fiskalische Ebene („Rettungspakete“ der Finanzkrise) die deflationären Folgen der Entschuldung zu vermeiden. Die Griechenlandkrise lehrt, dass das nicht so einfach geht. Und zwar deshalb, weil hierzu ein solides, überdurchschnittlich starkes Wachstum der Realwirtschaft gehört. Dies ist aber nicht in Sicht. Dies hat die Fed in ihrem Protokoll zur zurückliegenden FOMC-Sitzung bestätigt: Die Erholung dürfte schwächer ausfallen als bei früheren Aufschwüngen nach einer schweren Rezession, sie erwartet für 2010 aber immerhin noch ein Wirtschaftswachstum von 3,2 bis 3,7%. (Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaft ist zum Vorquartal um 0,2% gewachsen, wie auch im Schlussquartal 2009. Im zweiten (+0,4 %) und dritten Quartal 2009 (+0,7%) hatte das Wachstum höher gelegen.)

Die schlechte Nachricht in diesem Zusammenhang: Die US-Inflationsrate wird nach Fed-Schätzungen mit 0,9 bis 1,2% deutlich niedriger ausfallen als noch im Jan erwartet (1,1 bis 1,7%). Auch mittelfristig werden keine Inflationsgefahren gesehen, der Preisdruck werde durch die niedrige Kapazitätsauslastung und die niedrigen Inflationserwartungen gedämpft.

Das passt nicht in ein bullisches Konzept: Hohe Verschuldung, verhaltenes Wachstum und niedrige Inflationsrate. Und dann auch noch staatliche Ausgabenkürzungen zur Verringerung der Schulden...

Meiner Meinung steckt genau das hinter der gegenwärtigen Kontraktionsbewegung. Die Erkenntnisse sind nicht neu, sie rücken aber mit der fortdauernden Diskussion und der politischen Zerrissenheit der Euro-Zone immer mehr in den Fokus. Man befürchtet, hier fällt ein Treiber für die Erholung der Weltwirtschaft aus. Ein anderer Schwachpunkt ist die Frage, wie es in China weitergeht. Hier zeichnet sich ebenfalls eine Immobilienblase, chinesische Aktien sind seit einiger Zeit auf dem absteigenden Ast. Da kommt viel zusammen, zu viel, um an dem Kursniveau von Ende April nahtlos anknüpfen zu können.





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