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Erfolgreich spekulieren: Interview mit Doug Casey (Teil I)

04.05.2012  |  The Gold Report
Bislang kann das Jahr 2012 als durchaus vorzeigbares Aktienmarktjahr gelten, die Ergebnisse des ersten Quartals waren so gut wie seit 14 Jahren nicht mehr. Doug Casey, Vorstand von Casey Research, besteht dennoch darauf, dass die Zünder der tickenden Zeitbomben nicht mehr lange zu ticken haben. Nächste Woche wird Doug Casey zur Eröffnung des Casey-Research-Frühjahrsgipfels in der ersten öffentlichen Diskussionsrunde auf die Frage eingehen, ob das Unvermeidliche schon unmittelbar bevorsteht (das Anlegertreffen fand vom 27. bis 29. April statt, Anm. d. Red.). In einem weiteren Exklusivinterview mit dem Gold Report spricht Casey über die seiner Meinung nach anstehende extreme Marktvolatilität, weil sich, wie er sagt, "die titanischen Kräfte der Inflation und der Deflation gegenseitig bekämpfen". Casey ist zudem der Auffassung, dass sich Investoren zwangsläufig der Spekulation verschreiben müssen, um ihr Vermögen schützen oder ausbauen zu können.

The Gold Report: Letzten September erzählten Sie uns von zwei tickenden Zeitbomben: 1) die Billionen Dollars, die außerhalb der USA gehalten werden und die auf einen Schlag verkauft werden könnten, sollten deren Besitzer das Vertrauen in die Währung verlieren und 2) die Billionen Dollars, die in den USA geschöpft wurden, um die Folgen der Liquiditätskrise von 2008 zu überdecken. Seither sind sechs Monate vergangen. Konnte die Katastrophe abgewendet werden, oder sind wir ihr näher als jemals zuvor?

Doug Casey: Die Situation ist heute schlimmer. Das was kommen wird, ist meiner Ansicht nach unausweichlich, die Frage ist nur noch, wann es soweit ist. Aber wir bewegen uns mit hohem Tempo auf diesen Moment zu. Ich vermute, dass es in Europa losgehen wird, weil so viele europäische Staaten bankrott sind; Griechenland ist keine Ausnahme, es ist die Norm. Bankrotte Staaten versuchen, die europäischen Banken zu retten, die bankrott sind, weil sie den bankrotten Staaten Geld geliehen haben. Wenn es nicht so schlimm wär, könnte man fast darüber lachen.

Wenn nur die Banken oder nur die Staaten betroffen, fände ich das gar nicht weiter schlimm - sie würden das bekommen, was sie verdienen. Das Problem ist nur, dass auch die finanziellen Grundlagen so vieler umsichtiger Menschen aus der Mittelklasse komplett zerstört werden. Diese Menschen haben schließlich ihr ganzes Leben lang versucht, mehr zu produzieren, als sie verbrauchen, und den Rest gespart. Aber ihre Ersparnisse stecken fast ausschließlich in staatlichen Währungen und diese Währungen liegen in den Banken.

Die Banken sind aber nicht in der Lage, den betreffenden Einlegern beispielsweise all die Euros wieder zurückzuzahlen, die ihnen zuvor anvertraut wurden. Und das ist eine sehr ernste Situation. Die europäischen Regierungen versuchen, das Problem zu lösen, indem sie vermehrt Euros schöpfen. Am Ende wird der Euro seinen intrinsischen Wert erreichen - also nichts. In den USA passiert dasselbe. Die Banken sind bankrott. Der Staat ist bankrott, und er schöpft immer mehr Dollars, damit die Banken nicht zusammenbrechen und die Einleger ihr Geld nicht verlieren.

Ich denke Folgendes: Wenn der Zusammenbruch dieses Jahr nicht kommt, dann wird er mit Sicherheit nächstes Jahr kommen. Wir stehen ganz nah am Rande des Abgrunds.


The Gold Report: Ist die Verschuldung das Problem oder die Währungsmengen, die ins System gepumpt werden?

Doug Casey: Beides. Wir müssen uns wieder vor Augen führen, was Schulden eigentlich sind. Sie sind das Gegenteil von Ersparnissen, denn Ersparnisse bedeuten, dass mehr produziert als ausgegeben wurde, und Differenz wurde zur Seite gelegt. So wird Kapital gebildet. So wächst Vermögen. Auf der anderen Seite der Bilanz stehen Schulden, d.h. dass mehr verbraucht als produziert wurde. Es wird also eine Hypothek auf die Zukunft aufgenommen oder es wird von Kapital gelebt, das andere in der Vergangenheit produziert haben. Die Existenz von Schulden ist eine sehr schlechte Sache.

In einem klassischen Bankensystem wurde Kredit nur gegen eine 100%ige Sicherheit vergeben und das auch nur kurzfristig. Und auch nur von verzinsten Spareinlagen - also nicht das Geld, das auf Transaktionskonten und Tagesgeldkonten liegt, bei denen der Einleger (zumindest theoretisch) die Bank für die sichere Verwahrung der eigenen Geldmittel bezahlt. Diese Unterscheidung ist eigentlich von großer Bedeutung, sie hat sich aber voll und ganz verloren.

Das heutige Bankensystem ist vollkommen korrupt. Es ist sogar noch schlimmer: Das Zentralbankenwesen hat sich Problemen angenommen, die ehemals vereinzelt auf lokaler Ebene auftraten - z.B. der Bankrott einer Bank aufgrund von Betrug oder Misswirtschaft. Zentralbanken haben dieses Problem auf eine nationale Ebene gehoben, indem sie ein partielles Reservesystem zuließen und auch die Geldschöpfung für Rettungsaktionen erlaubten. Schulden - zumindest die Verbraucherschulden - sind eine schlechte Sache. Sie sind in der Regel das Signal, dass die Verbraucher über ihre Verhältnisse leben. Doch die Aufblähung der Währungsmenge hat noch schlimmere Konsequenzen, sie kann die gesamte gesellschaftliche Grundlage kippen lassen und die Mittelklasse zerstören.


The Gold Report: Was passiert nun, wenn diese Zeitbomben hochgehen?

Doug Casey: Es gibt zwei Möglichkeiten. Die Zentralbanken und Regierungen könnten einerseits die Geldschöpfung stoppen, mit der sie das für die Bankenrettungen benötigte Geld bereitstellen. Das könnte zu einer katastrophalen Deflation führen und die Banken könnten der Reihe nach Bankrott gehen. Wenn die Verbraucher- und Unternehmenskredite nicht mehr zurückgezahlt werden, gehen die Banken Bankrott. Die Geldmengen, die von diesen Banken mithilfe des partiellen Reservesystems aus dem Nichts geschöpft wurden, werden dann buchstäblich verschwinden. Die Dollars “sterben" oder finden ihren Weg in sichere Geldhäfen; und die von den Einleger hinterlegten Geldmittel können nicht ausgezahlt werden.

Die andere Möglichkeit wäre letztendlich eine Hyperinflation. Die Zentralbank würde also einschreiten und den Banken neue Währungseinheiten verschaffen, damit die Einleger ausgezahlt werden können. Die Frage ist nur, welches Szenario sich durchsetzen wird. Es könnte aber auch passieren, dass beides nacheinander auftritt. Sollte es zu einer katastrophalen Deflation kommen, werden die Regierungen Angst bekommen und den Druck verspüren, "unbedingt irgendetwas zu tun“. Und dazu werden sie Geld brauchen, weil die Steuereinnahmen genau dann einbrechen werden, wenn die Ausgaben durch die Decke schießen. Also werden sie mehr drucken, und was letztendlich eine Hyperinflation bewirkt.

Es könnte aber auch sein, dass wir in einigen Wirtschaftsbereichen Deflation erleben werden, in anderen dafür Inflation. Während eines Booms könnten beispielsweise die Preise für Bohnen und Reis fallen - nur um einen Vergleich zu bringen - weil jeder Steak und Kaviar isst. Sollte nun im Anschluss daran eine wirtschaftliche Depression folgen, so bräuchten die Menschen mehr Kalorien für einen geringeren Preis, und dann würden die Preise für Steak und Kaviar sinken. Bohnen und Reis würden hingegen teurer werden, weil alle mehr davon essen.

Inflation verursacht alle möglichen Arten von Verzerrungen in der Wirtschaft und eben auch Fehlallokation von Kapital. Bestünde tatsächliche Nachfrage nach feinem Rinderfilet, würden hohe Investitionssummen in den Filetsektor fließen, aber nicht genug in den Bereich Bohnen und Reis, weil die keiner mehr isst. Und umgekehrt. Und das passiert überall in der Wirtschaft, in jedem Bereich.




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