Schuldenkrise ad acta gelegt?
12.06.2010 | Klaus Singer
Angesichts des Gegackers der europäischen Politik verwundert es schon ein wenig, dass sich der Euro gegen Dollar nunmehr stabilisiert und sich sogar anschickt, den Pegel bei 1,2150 anzugreifen.
Aus Brüssel kamen zuletzt wie gewohnt starke Worte nach dem Motto "nach der Griechenland-Krise wird alles anders", aber -ebenfalls wie gewohnt- folgten den Worten keine Taten. Eine konkrete zentrale Steuerung der Fiskalpolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten zeichnet sich nicht ab (deren Fehlen zu einem wichtigen Teil die Schuldenkrise mit bedingt, bzw. hat eskalieren lassen). Anscheinend meinen die Politbürokraten in Brüssel und anderswo, mit dem beschlossenen Hilfspaket in Höhe von 750 Mrd. Euro und Sparmaßnahmen in den einzelnen Länderhaushalten sei die Sache ausgestanden.
Und was als Mittel zur Disziplinierung der Mitglieder beschlossen wurde -härtere Strafen für Schuldensünder-, ja, welche Wirksamkeit das hat, das steht außer Frage. Nämlich im Ernstfall keine. Denn Strafen standen schon in den Maastrichter Verträgen - und als es ernst wurde, wurden sie außer Kraft gesetzt.
Die politischen Vorgänge in Brüssel lassen nach Wolfgang Münchau von Eurointelligence den Schluss zu, dass die Schuldenkrise offenbar nicht schlimm genug ist, um in der EU ein Umdenken zu bewirken. Alles bleibt (fast) so wie es ist und wie es sich als untauglich zum Managen und Lösen einer solchen Krise erwiesen hat.
Das Rettungspaket schafft ein trügerisches Sicherheitsgefühl. Aber eine Solvenz-Krise lässt sich nun einmal nicht mit Liquidität zu lösen.
Man muss die Politiker verstehen: Schließlich sind ja dauernd irgendwo in Europa irgendwelche Wahlen, da hat keiner Interesse, unangenehme Wahrheiten verkaufen zu müssen.
Was die Finanzmärkte von der Fähigkeit der EU halten, die Schuldenkrise zu lösen, zeigt sich an der Entwicklung der Spreads europäischer Staatsanleihen zu deutschen. Sie weiten sich seit dem Beschluss des Rettungspaketes wieder aus (siehe Chart!).
Überall in Europa werden jetzt Sparpakete aufgelegt. Die Bank von Italien hat ausgerechnet, dass das nationale, 24 Mrd. Euro große Sparpaket zu einer Wachstumsminderung von 0,5% führt. Dabei sind die Effekte anderer nationaler Sparpakete nicht berücksichtigt. Die EZB revidiert aufgrund der Sparpakete in der EU die eigenen Wachstumsprognosen: Für 2011 geht es von 1,5% auf 1,2% runter, für 2009 jedoch von 0,8 auf 1% hoch (warum auch immer).
Das Sparpaket in Deutschland wird zu Recht als unsozial kritisiert. Zeitgleich genehmigen sich die Abgeordneten des niedersächsischen Landtags eine ordentliche Erhöhung ihrer Diäten, was nur zeigt, dass unsere Damen und Herren Politiker in Hannover und anderswo jegliches Gespür verloren haben (um das "vornehm" auszudrücken) - oder nie hatten.
Meiner Meinung nach hätte ein Sparprogramm ganz einfach ausfallen können: Alle strukturellen Subventionen bis hin zur Kilometerpauschale werden gestrichen, die Begünstigung der Hotels bei der Mehrwertsteuer wird zurückgenommen, der niedrige Mehrwertsteuer-Satz bliebt ausnahmslos auf einen überschaubaren Korb wirklicher Grundnahrungsmittel beschränkt. Das bringt wahrscheinlich alles zusammen mehr als 150 Mrd. Euro und trifft alle. Zudem schafft das ein Stück mehr Markt und beseitigt die Verzerrungen, die strukturelle Subventionen stets mit sich bringen.
Aber das ist natürlich zu einfach und deshalb wird es genauso wenig umgesetzt, wie all die anderen einfachen Vorschläge - ich denke da z.B. an den Plan des Gründers der dm-Drogeriekette für die Einführung eines pro-Kopf-Einkommens statt immer komplizierterer Hartz-4- Regelungen. Nun, es geht ja auch nicht um "einfach" - der wahre Grund ist, dass die Bürokratie immer stärker in die einzelnen Verästelungen des gesellschaftlichen Lebens eingreifen und diese kontrollieren will. An die Kosten für die ausufernde Bürokratie geht natürlich sowieso niemand.
Sei, wie es sei - die Finanzmärkte beginnen, das Thema "Schuldenkrise" zunächst einmal abzuhaken. Und damit zusammen auch die Befürchtung, dass die Sparpakete die schleppende konjunturelle Erholung auf dem falschen Fuß erwischen und zu einer "double-dip"-Rezession beitragen könnten (vgl. Artikel vom 21. Mai 2010).
Zu diesem Thema schieb Paul Krugman kürzlich, der Effekt europäischer Sparprogramme könne ernste Folgen für den Rest der Welt haben. Sie führten zu sinkenden Zinsen und dadurch zu einer Abwertung des Euro. Wörtlich: "Folks, this is getting ugly. And the US needs to be thinking about how to insulate itself from European masochism." Klingt da das Thema "Deglobalisierung" an? Der etwas US-bornierte Krugman sollte sich vielleicht einmal die Unterschiede zwischen den frühen 1980er Jahren und heute vor Augen (vgl. Artikel vom 28. Mai 2010), statt gebetsmühlenartig zu fordern, Schulden mit Schulden zu bekämpfen.
Interessanterweise haben der S&P 500 und Euro/Dollar in den vergangenen Wochen eine starke Synchronität entwickelt (vgl. Chart!). Bei beiden hat sich ein Abwärtsdreieck entwickelt, das vor einigen Tagen "regelkonform" nach unten durchbrochen wurde. Momentan wird versucht, die waagerechte Unterkante dieser Formationen nach oben zu durchstoßen, was deren Bedeutung hinfällig machte.
Aus Brüssel kamen zuletzt wie gewohnt starke Worte nach dem Motto "nach der Griechenland-Krise wird alles anders", aber -ebenfalls wie gewohnt- folgten den Worten keine Taten. Eine konkrete zentrale Steuerung der Fiskalpolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten zeichnet sich nicht ab (deren Fehlen zu einem wichtigen Teil die Schuldenkrise mit bedingt, bzw. hat eskalieren lassen). Anscheinend meinen die Politbürokraten in Brüssel und anderswo, mit dem beschlossenen Hilfspaket in Höhe von 750 Mrd. Euro und Sparmaßnahmen in den einzelnen Länderhaushalten sei die Sache ausgestanden.
Und was als Mittel zur Disziplinierung der Mitglieder beschlossen wurde -härtere Strafen für Schuldensünder-, ja, welche Wirksamkeit das hat, das steht außer Frage. Nämlich im Ernstfall keine. Denn Strafen standen schon in den Maastrichter Verträgen - und als es ernst wurde, wurden sie außer Kraft gesetzt.
Die politischen Vorgänge in Brüssel lassen nach Wolfgang Münchau von Eurointelligence den Schluss zu, dass die Schuldenkrise offenbar nicht schlimm genug ist, um in der EU ein Umdenken zu bewirken. Alles bleibt (fast) so wie es ist und wie es sich als untauglich zum Managen und Lösen einer solchen Krise erwiesen hat.
Das Rettungspaket schafft ein trügerisches Sicherheitsgefühl. Aber eine Solvenz-Krise lässt sich nun einmal nicht mit Liquidität zu lösen.
Man muss die Politiker verstehen: Schließlich sind ja dauernd irgendwo in Europa irgendwelche Wahlen, da hat keiner Interesse, unangenehme Wahrheiten verkaufen zu müssen.
Was die Finanzmärkte von der Fähigkeit der EU halten, die Schuldenkrise zu lösen, zeigt sich an der Entwicklung der Spreads europäischer Staatsanleihen zu deutschen. Sie weiten sich seit dem Beschluss des Rettungspaketes wieder aus (siehe Chart!).
Überall in Europa werden jetzt Sparpakete aufgelegt. Die Bank von Italien hat ausgerechnet, dass das nationale, 24 Mrd. Euro große Sparpaket zu einer Wachstumsminderung von 0,5% führt. Dabei sind die Effekte anderer nationaler Sparpakete nicht berücksichtigt. Die EZB revidiert aufgrund der Sparpakete in der EU die eigenen Wachstumsprognosen: Für 2011 geht es von 1,5% auf 1,2% runter, für 2009 jedoch von 0,8 auf 1% hoch (warum auch immer).
Das Sparpaket in Deutschland wird zu Recht als unsozial kritisiert. Zeitgleich genehmigen sich die Abgeordneten des niedersächsischen Landtags eine ordentliche Erhöhung ihrer Diäten, was nur zeigt, dass unsere Damen und Herren Politiker in Hannover und anderswo jegliches Gespür verloren haben (um das "vornehm" auszudrücken) - oder nie hatten.
Meiner Meinung nach hätte ein Sparprogramm ganz einfach ausfallen können: Alle strukturellen Subventionen bis hin zur Kilometerpauschale werden gestrichen, die Begünstigung der Hotels bei der Mehrwertsteuer wird zurückgenommen, der niedrige Mehrwertsteuer-Satz bliebt ausnahmslos auf einen überschaubaren Korb wirklicher Grundnahrungsmittel beschränkt. Das bringt wahrscheinlich alles zusammen mehr als 150 Mrd. Euro und trifft alle. Zudem schafft das ein Stück mehr Markt und beseitigt die Verzerrungen, die strukturelle Subventionen stets mit sich bringen.
Aber das ist natürlich zu einfach und deshalb wird es genauso wenig umgesetzt, wie all die anderen einfachen Vorschläge - ich denke da z.B. an den Plan des Gründers der dm-Drogeriekette für die Einführung eines pro-Kopf-Einkommens statt immer komplizierterer Hartz-4- Regelungen. Nun, es geht ja auch nicht um "einfach" - der wahre Grund ist, dass die Bürokratie immer stärker in die einzelnen Verästelungen des gesellschaftlichen Lebens eingreifen und diese kontrollieren will. An die Kosten für die ausufernde Bürokratie geht natürlich sowieso niemand.
Sei, wie es sei - die Finanzmärkte beginnen, das Thema "Schuldenkrise" zunächst einmal abzuhaken. Und damit zusammen auch die Befürchtung, dass die Sparpakete die schleppende konjunturelle Erholung auf dem falschen Fuß erwischen und zu einer "double-dip"-Rezession beitragen könnten (vgl. Artikel vom 21. Mai 2010).
Zu diesem Thema schieb Paul Krugman kürzlich, der Effekt europäischer Sparprogramme könne ernste Folgen für den Rest der Welt haben. Sie führten zu sinkenden Zinsen und dadurch zu einer Abwertung des Euro. Wörtlich: "Folks, this is getting ugly. And the US needs to be thinking about how to insulate itself from European masochism." Klingt da das Thema "Deglobalisierung" an? Der etwas US-bornierte Krugman sollte sich vielleicht einmal die Unterschiede zwischen den frühen 1980er Jahren und heute vor Augen (vgl. Artikel vom 28. Mai 2010), statt gebetsmühlenartig zu fordern, Schulden mit Schulden zu bekämpfen.
Interessanterweise haben der S&P 500 und Euro/Dollar in den vergangenen Wochen eine starke Synchronität entwickelt (vgl. Chart!). Bei beiden hat sich ein Abwärtsdreieck entwickelt, das vor einigen Tagen "regelkonform" nach unten durchbrochen wurde. Momentan wird versucht, die waagerechte Unterkante dieser Formationen nach oben zu durchstoßen, was deren Bedeutung hinfällig machte.