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Der Magier spricht

20.06.2010  |  Klaus Singer
Ex-Fed-Chef Alan Greenspan schreibt, die USA würden an ihre Kredit-Grenze stoßen. Die gegenwärtigen niedrigen Zinsen maskierten das nur und führten in die Irre. Zwischen 1979 und 1980 seien die Zinsen auch plötzlich und unerwartet stark gestiegen. Damals ging der letzten großen Kreditblase die Luft aus.

In der Tat, die 30-jährigen Zinsen stiegen damals innerhalb von neun Monaten von 9 auf fast 13%. Und das war noch nicht alles: Im Herbst 1981 touchierten sie den Bereich von 16 % (siehe Chart!). Damals konnte man im Chart auch noch recht enge Zusammenhänge zwischen den jährlichen Steigerungsraten der gesamten Schulden (yy%chg) und deren absoluter Höhe (Credit Markte Debt outstanding) auf der einen Seite und dem Zinsverlauf auf der anderen Seite erkennen: Hohe, bzw. steigende Zinsen spiegelten das Gefahrenpotenzial zu hoher und/oder zu schneller Verschuldung zuverlässig wider. Auch der Spread zwischen den 30-jährigen und den 10-jährigen Bond-Renditen zeigte das mit negativen Werten an.

Dieser Zusammenhang löste sich aber spätestens in den 1990er Jahren auf. Ich vermute, das ist der Greenspanschen Geldpolitik zuzuschreiben, die die Hähne jedes Mal aufdrehte, wenn es in den Finanzmärkten zu brennen begann. In dieser Tradition steht die Geldpolitik der Fed bis heute und so wundert es nicht, dass die Trends der langfristigen Zinsen einer Untertasse ähnlich sehen, die etwa zur Hälfte durchmessen wurde.

Aber auch Untertassen besitzen nur eine endliche Größe. Würde man den Trend linear extrapolieren, lägen die Zinsen in 50 Jahren vielleicht bei Null. Das ist genauso blödsinnig, wie mittels linearer Extrapolation der Rekordzeiten beim 100 m-Lauf anzunehmen, dass in rund 450 Jahren 0,05 Sekunden erreicht würden. Verfolgt man hingegen die Verläufe der nicht-linearen Interpolationen (gestrichelte Linien), so scheint bei der 10jährigen Rendite der Boden im Frühjahr 2008 erreicht worden zu sein, bei der 30-jährigen ein Jahr später. Beim Spread (30- minus 10-jährige Rendite) spiegelt sich das noch nicht wider, der Verlauf ist jedoch zuletzt auf historisch hohem Niveau ganz flach geworden.

Damit gibt es einige Indizien, die nahe legen, dass im langfristigen Maßstab die Tiefs bei den Renditen erreicht sind. Damit kann auch angenommen werden, dass die Renditen künftig wieder stärker die Verschuldungssituation widerspiegeln werden.

Das seit den 1990er Jahren atypische Zinsverhalten hatte Greenspan, der auch der Magier der Märkte genannt wurde, gegen Ende seiner Zeit als Fed-Chef als "Conundrum der Finanzmärkte" bezeichnet. Sein "Rätsel" dürfte vor der Auflösung stehen.

Das US-Staatshaushaltsdefizit wird im Jahr 2010 (das Budgetjahr endet per September) auf 1,6 Bill. Dollar kommen und damit 10,6% des BIP ausmachen. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1929 kam es nur 4,8% des BIP. Insgesamt wird das US-Finanzministerium in 2010 Staatsanleihen in Gesamtwert von 2,5 Bill. Dollar emittieren - eine Steigerung von 171% in zwei Jahren. Die Bilanzsumme der Fed hat sich innerhalb dieser Zeit von 890 auf 2.035 Mrd. Dollar nahezu verdreifacht. Darin enthalten sind Hypothekenanleihen im Gesamtwert von 1,1 Bill. Dollar, die wahrscheinlich unverkäuflich sind. Die Gesamtschulden in den USA belaufen sich auf rund 380% des BIP.

Der Rettungsschirm für Euro-Länder mit Schuldenproblemen hat die Finanzmärkte nach Einschätzung der BIZ (BIS) nur vorläufig beruhigt. Die Sorge, dass die schnell wachsende Staatsverschuldung in vielen Ländern eine Erholung der Wirtschaft behindern und das Wachstum dämpfen könnte, bestehe weiter, heißt es im Quartalsbericht der "Zentralbank der Zentralbanken". Die Zinsstruktur auf dem Interbanken-Geldmarkt signalisiere zunehmende Bedenken, "dass das Finanzsystem anfälliger ist als zuvor vermutet". Das zeige auch die Flucht aus riskanten in traditionell sichere Anlagen wie amerikanische und deutsche Staatsanleihen, sowie Gold.

Es seien aber nicht nur die Sorgen über "unhaltbare staatliche Haushaltssituationen" in Industrieländern, die die Finanzmarktteilnehmer beunruhigen. Auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik in Ländern wie China, Brasilien und Indien wecke Zweifel, ob die aufstrebenden Volkswirtschaften für die notwendige globale Dynamik sorgen könnten. Die Entwicklung der Zinsfutures und Optionen signalisiere, dass die Finanzmärkte eine Leitzinserhöhung in den USA nicht vor dem ersten Quartal 2011 und in Europa erst nach 2011 erwarten.

Nach Zahlen der BIZ beträgt die Kredit-Ausrichtung europäischer Banken an öffentliche und private spanische Stellen (Staat, Regionen, Banken, Unternehmen und Verbraucher) insgesamt etwa 600 Mrd. Euro. Deutsche Banken haben an Spanien 202 Mrd. Euro an Krediten ausgereicht, die Hälfte davon an spanische Banken. Bei Frankreich sind 248 Mrd. Euro an Krediten an Spanien ausstehend, das meiste davon an Unternehmen und Haushalte. Die spanische Zentralbank schätzt das Ausmaß fauler Kredite auf 166 Mrd. Euro, nur ein Viertel ist davon bis jetzt abgeschrieben. Der spanische Bailout-Fonds umfasst 99 Mrd. Euro in einer Phase, in der sich die Marktzinsen für spanische Marktteilnehmer stark erhöhen.

Spanische Banken haben aktuell einen Anteil von 16,5% bei den direkten Ausleihungen der EZB. Alleine im Mai sind die spanischen Ausleihungen bei der EZB um 26,5% angestiegen. (Der Anteil Spaniens an der EZB beträgt nur 9%). Der Spread spanischer 10jähriger Bonds gegenüber deutschen liegt jetzt bei über 200 Basispunkte. Spanien stand wegen seiner stark auf Immobilien
ausgerichteten Wirtschaft viele Jahre im Fokus von intra-EU-Kreditzuflüssen - viel stärker als andere PIIGS-Länder.





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