Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Die Goldpreismanipulation

30.09.2003  |  Dimitri Speck
- Seite 2 -
Kein Zufall

Ob nun der Goldpreis insgesamt steigt, fällt oder seitwärts tendiert, man erwartet, daß dies gleichermaßen in New York wie an den übrigen Handelsplätzen geschieht, was aber nicht der Fall ist. Den optischen Eindruck der oberen Linie bekräftigt eine statistische Auswertung: In den zehn Jahren seit Beginn der Interventionen stieg der Kurs in New York nur 1039 mal, an den ürbigen Handelsplätzen hingegen 1431 mal. Beinahe umgekehrt sieht bei den fallenden Bewegungen aus, hier stehen 1440 in New York nur 1018 zu den übrigen Handelszeiten entgegen (unveränderte blieben unberücksichtigt). Noch deutlicher wird die in den USA lokalisierte Kursdrückung, wenn man folgende Bewegungspaare betrachtet: 430 mal stieg der Kurs in New York an einem Tag, an dem er zur übrigen Zeit fiel. Umgekehrt jedoch stieg er beinahe doppelt so oft, 839 mal, zur übrigen Zeit, während er in New York fiel! Dies ist kein Zufall (die gleichgerichteten Bewegungen sowie die unveränderten Kurse blieben unberücksichtigt). Daß es sich nicht um einen Zufall handelt, wird zudem dadurch bekräftigt, daß diese lokalen Anomalien verstärkt nach Anstiegen des Goldpreises erfolgen, wie Chart 2 ausweist. Das führt uns zu den Gründen der beteiligten Finanzinstitutionen: Weshalb intervenieren sie zugunsten eines niedrigen Goldkurses?


Goldleihe

Etwas, das es in dieser Form nur bei Gold gibt, wurde seit den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts zunehmend praktiziert: Die Goldleihe. Bei ihr wird Gold, das in den Tresoren vor allem der Zentralbanken quasi ungenutzt liegt, an Minen verliehen. Eine Bank, mitunter Bullionbank genannt, fungiert dabei als Mittler. Die Minen verkaufen das Gold im Markt, und verwenden den Erlös, um Investitionen (z.B. in Förderanlagen) zu tätigen. Diese Investitionen versetzen die Minen in die Lage, Gold zu fördern. Damit begleichen sie dann später ihre Goldschuld bei der Zentralbank. Die vermittelnden Banken erhalten die geschäftsübliche Provison, die Zentralbanken einen Leihzins, und die Minen eine Finanzierung. Diese lautet auf Gold und nicht auf eine Währung, weshalb sie abgesichert ist gegenüber einem fallenden Goldpreis (und somit für die Mine leichter erhältlich). Anderseits profitiert die Mine nicht von einem steigenden Goldkurs.

Open in new window
-Abbildung 3: Funktionsweise Leihgeschäft-


Stellt Gold zur Verfügung

Die Goldleihe weist viele Analogien zu normalen Leihgeschäften auf, es gibt aber auch Unterschiede. So wird üblicherweise nicht dasselbe Gold zurückgegeben, sondern anderes. Dies ermöglicht den zwischenzeitlichen Verkauf im Markt, was in gleicher Weise wie ein Verkauf das Angebot vergrößert und negativ auf den Preis wirkt. Neben Zentralbankverkäufen war es also die Goldleihe, die dem Markt physisches Gold zur Verfügung stellte, was den Preis drückte und das Produktionsdefizit ausglich.


Gold Carry Trade

Von der Goldleihe gibt es verschiedene Varianten. Eine riskante Form der Goldleihe ist der Gold Carry Trade. Hierbei sichern sich die Banken nicht bei den Minen ab, sondern verkaufen das Gold im Markt und investieren den Erlös (etwa in Anleihen). So verdienen sie an der Zinsdifferenz. Die Banken sind nun aber auch vom Goldpreis abhängig: Ein steigender Goldpreis generiert Verluste, ein fallender Gewinne.

Open in new window
-Abbildung 4: Funktionsweise Gold Carry Trade-


Inverser Bubble

Dadurch kann aber ein inverser Bubble entstehen, ein sich selbst verstärkender Rückkopplungsprozeß. Bei einem normalen Kreditbubble, etwa dem Kauf von Aktien auf Kredit, profitiert der Käufer vom steigenden Preis, wobei er zugleich zusätzliche Nachfrage schafft und so einen steigenden Preis erzeugt, womit er selbst den Kreditkauf rentabel macht - bis die Blase platzt. Beim inversen Bubble des Verkaufs des geliehenen Goldes profitiert die verkaufende Bullionbank vom fallenden Goldpreis, wobei sie zugleich zusätzliches Goldangebot schafft und so einen fallenden Preis erzeugt, womit sie selbst den Leerverkauf des Gold Carry Trade zusätzlich rentabel macht - bis die Blase platzt (beim Short Squeeze).

Open in new window
-Abbildung 5: Inverser Bubble-


Ein Grund der Manipulation

Ein solches Platzen der inversen Blase drohte nach dem Anstieg des Goldes 1993. So drohten den privaten Bullionbanken große Verluste. Schon zuvor hatte die britische Zentralbank vor ungesicherten Goldleihgeschäften gewarnt. Die seitdem stattfindenden Interventionen gegen den steigenden Goldpreis schützten also die Banken vor Verlusten bzw. brachten ihnen zusätzliche Gewinne. Möglicherweise beteiligten sich einige Bullionbanken auch selber an den Interventionen. Dazu müßten die Zentralbanken lediglich garantieren, genügend Gold physisch zur Verfügung zu stellen. Private Banken können die Interventionen dann selber übernommen haben, etwa durch Terminmarktverkäufe.


Fazit zur Goldleihe

Die Goldleihe ist Mittel der Manipulation, denn durch sie kommt notwendiges Gold physisch in den Markt. Sie ist zugleich auch ein Grund der Manipulation, denn durch sie sollten Verluste der Bullionbanken verhindert werden. Die Goldleihe führte zum vermutlich ersten inversen Bubble der Geschichte (bei einer Ware), denn erstmals stand zu Leihzwecken ein Vielfaches des Jahresverbrauchs zur Verfügung.



Die Wettbewerbsgründe

Drei Wettbewerbsgründe lassen sich herausarbeiten. Zum einen befördert ein künstlich gedrückter Goldkurs niedrige Zinsen: Gold steht im direkten Wettbewerb mit festverzinslichen Geldanlagen, ein fallender Goldkurs läßt Gold als Alternative unattraktiv erschienen. Zum zweiten wird neben Gold ganz überwiegend der US-Dollar von nichtamerikanischen Zentralbanken als Reservewährung gehalten, weshalb ein fallender Goldkurs unmittelbar dem Dollar zugute kommt. Es fällt Amerika leichter, sein Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren, wenn ausländische Zentralbanken keine attraktive Alternative zum Dollar haben. In einer vergleichbaren Wettbewerbssituation steht der Dollar weltweit zum Gold insbesondere auch für die privaten Anleger, deren eigene Währung schwach ist. So stärkt ein schwaches Gold das Vertrauen in den Dollar. Der dritte Grund hängt mit einem der Hauptziele der Notenbankpolitik zusammen, mit der Inflationsbekämpfung: Eine geringe Inflation läßt sich leichter erzielen, wenn die Inflationserwartung gering ist. Ein fallender Goldkurs erweckt beim Publikum den Eindruck, daß keine Preissteigerung zu erwarten ist, weshalb es keinen Anlaß sieht, seine Ersparnisse vor einer Inflation in Sicherheit zu bringen, also auszugeben, was die Preise treiben würde.


Die Wettbewerbsgründe zusammengefaßt

Die Interventionen gegen Gold sind also eine Intervention für 'Papier'. Die Erwartungen der amerikanischen Zentralbank und Regierung an einen gedrückten Goldpreis sind somit:

  • Niedrige Zinsen
  • Fester US-Dollar
  • Geringe Inflation

  • Es ist nun auch klarer, weshalb die Goldpreisdrückung hauptsächlich in den USA durchgeführt wird, was in Zusammenhang mit der Anomalie in Chart 1 steht. Dieser zeigt schließlich, daß der Kurs hauptsächlich in den USA gedrückt wird. Die amerikanischen Finanzinstitutionen sind die Hauptverursacher, sei es, weil sie vorwiegend ihr 'Papier' (Dollar, Bonds) stärken wollen, sei es, weil sie als Teil der führenden Wirtschaftsnation auch entsprechend hauptverantwortlich für das Weltfinanzsystem sind.


    Äußerungen der Akteure

    Eine Intervention dieses Ausmaßes hinterläßt nicht nur Spuren im Kursverhalten. Sie entsteht nicht aus dem Nichts und somit finden wir Hinweise in den Äußerungen der Beteiligten bzw. ihres Umfelds. Verantwortliche in der FED und im amerikanischen Finanzministerium haben sich 1993, als die Goldpreismanipulation begann, oder zuvor zu den drei obigen Gründen geäußert. So hatte der spätere US-Finanzminister Summers über den Zusammenhang zwischen Zins und Gold wissenschaftlich gearbeitet. Im August 1993 begann er, eine Politik des festen Dollars zu propagieren. Fed-Gouverneur Angell wiederum hatte sich ausgerechnet in der letzten FED-Sitzung vor Beginn der Interventionen über den Zusammenhang des Goldpreises zu Dollar, Zins und Inflationserwartung geäußert. Womöglich gab er den Anstoß, denn er sagte, ausweislich einer nach fünf Jahren veröffentlichten Mitschrift, es sei 'sehr leicht', den Goldpreis zu 'halten'.


    Kurzsichtige Lösungen

    Wie vieles in der Politik und sogar in der Geldpolitik ist auch die Goldpreismanipulation Bestandteil der menschlichen Neigung zu kurzsichtigen Lösungen. Letztlich geht es um den Wettbewerb des Kreditgeldes zum schuldnerfreien Warengeld Gold. In diesem Wettbewerb könnte das Kreditgeld nur bestehen, wenn die relative Kreditmenge dauerhaft konstant niedrig wäre (etwa im Maße der Relation Gesamtverschuldung zu Bruttoinlandsprodukt). Sie ist aber seit drei Jahrzehnten verstärkt am steigen, da nötige Anpassungen aufgeschoben wurden, da populistisch Ausgaben getätigt wurden, und da Kriege (Vietnamkrieg, Kalter Krieg) auf Kredit finanziert wurden.


    Fehlentwicklungen

    Die langanhaltende Goldpreismanipulation führt zu Fehlentwicklungen, künftige Anpassungen werden dadurch schwerer fallen. Beispielsweise gibt es folgende Fehlentwicklungen in bezug auf die drei genannten Gründe:
    Zu niedrige Zinsen befördern eine übermäßige Ausweitung der Verschuldungsbereitschaft, die Goldpreismanipulation hat so das ihre zum Bubble der Neunziger beigetragen. Zusammen mit dem festen Dollar vergrößern niedrige Zinsen und vereinfachter Absatz der US-Anleihen das Leistungsbilanzdefizit und verzögern die nötigen Anpassungen der amerikanischen Industrie. Eine Senkung der Inflationserwartung führt dazu, daß Ersparnisse nicht ausgegeben werden, die sich aber verzinsen und somit künftig ein noch größeres Nachfrage- und damit Preissteigerungspotential darstellen. Im Bereich des Goldes selbst führt der niedrige Preis zu verringerten Anstrengungen bei der Goldförderung. Zudem könnte das von den Zentralbanken verliehene und somit bei ihnen nicht physisch vorhandene Gold in Krisensituationen einen Vertrauensverlust bewirken. Ferner könnte der künstlich verstärkte Gold Carry Trade bei steigendem Goldpreis Probleme im Bankensektor bewirken.


    Fazit

    Die Goldpreismanipulation ist eine kurzsichtige Aktion. Insbesondere die Steuerungsfunktion des Goldes als natürliches schuldnerfreies Geld wird geschwächt, die Problemlösung der Überschuldung wurde so auf die Zukunft verschoben. Die Goldpreismanipulation ist aber dennoch nicht nur aus gesamtwirtschaftlichen Gründen bedenklich, sondern auch, da sie möglicherweise teilweise privat durchgeführt wird, und da Privatbanken daraus Profite erzielen (darunter, wie manche mutmaßen, als einzige deutsche Bank die Deutsche Bank).

    Open in new window
    -Abbildung 6: Chart Gold ab 1970-


    Anlegerfazit

    Ein Goldanleger stellt sich in Zeiten der Goldpreismanipulation gegen die Zentralbanken. Die ihnen zur Verfügung stehende Goldmenge ist aber begrenzt. Zudem werden nicht alle Zentralbanken ihr gesamtes Gold ver(sch)wenden wollen. Seit dem Hoch der Aktienkurse im Jahre 2000 hat sich ein neues Investmentumfeld etabliert, in dem sich Gold gut entwickelte. Diese Dekade scheint die Dekade des Goldes zu werden.


    © Dimitri Speck

    Quelle: aus Zeitschrift "Smartinvestor" 09/2003



    Bewerten 
    A A A
    PDF Versenden Drucken

    Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




    Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
    Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

    "Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"