PIIGS-Staaten: Unter einer Decke?
28.07.2010 | Carsten Klude
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Die Zweifel an dieser Annahme mehrten sich jedoch aus zwei Gründen: Die Wirtschaft vieler südeuropäischer Länder (Irland ist davon ausgenommen) verlor kontinuierlich an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nachbarländern, und damit erodierte zunehmend die Basis für die Refinanzierung und Rückzahlung der ausstehenden Schulden. Außerdem erreichten die Schuldenlasten der wirtschaftlich leistungsfähigeren Länder durch die Finanzkrise neue Höchststände, so dass deren Handlungswille und Spielraum für Hilfsmaßnahmen zugunsten dritter Länder zunehmend in Frage gestellt wurde. Sind aber die Voraussetzungen für die günstige Finanzierung der erheblichen Schuldenlasten in den PIIGS-Staaten nicht mehr gegeben, müssen die Staatshaushalte deutlich konsolidiert werden, um zu verhindern, dass die Schulden unkontrolliert ansteigen. Dies dürfte die Wirtschaft in den PIIGS-Staaten in den kommenden Jahren belasten, selbst wenn die Sparmaßnahmen auf eine das Wirtschaftswachstum schonende Art durchgeführt werden sollten.
Notwendig ist außerdem, dass die PIIGS-Staaten wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückkehren, weil auch dies das Verhältnis von Schulden zur Wirtschaftsleistung drückt. Doch das Potenzial für ein kräftiges Wirtschaftswachstum in den PIIGS-Staaten ist unseres Erachtens mehrheitlich begrenzt, weil die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Ländern in den letzten Jahren zurückgegangen ist.
Für Spanien ist dies zum Beispiel an der Situation am Arbeitsmarkt zu erkennen. So fällt auf, dass die Arbeitslosenquote in Spanien von rund 11% im Durchschnitt seit 2000 auf heute rund 20% gestiegen ist. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland im selben Zeitraum trotz der Finanzkrise gesunken. Weniger offensichtlich ist der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit an den Arbeitslosenzahlen der anderen südeuropäischen Staaten, wo die Arbeitslosenquoten zwar auch angestiegen sind, allerdings in einem geringeren Ausmaß und auf ein geringeres Niveau als in Spanien.
Offensichtlicher wird der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit dann, wenn man die Lohnentwicklung zwischen den PIIGS-Staaten und Deutschland vergleicht. Während die Lohnstückkosten in Deutschland lediglich um 4% angestiegen sind, haben die südeuropäischen Staaten um mehr als 30% und Irland um mehr als 20% zugelegt. Per se müssen steigende Lohnstückkosten keinen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit bedeuten, wenn dem Lohnstückkostenanstieg ein entsprechender Anstieg der Produktivität entgegensteht. Denn ein Arbeitnehmer, der um 20% mehr leistet und entsprechend besser bezahlt wird, lässt den Arbeitgeber weder besser noch schlechter dastehen. Doch nur in Deutschland war der Anstieg der Lohnstückkosten eins zu eins durch Produktivitätsverbesserungen gedeckt, in Irland stiegen die Löhne immerhin nur leicht stärker an als die Produktivität.
Eine bedenkliche Entwicklung war dagegen in Südeuropa zu verzeichnen: In Griechenland betrug das Verhältnis von Lohnstückkostenzuwächsen zu Produktivitätsgewinnen 1,8, und in Portugal und Spanien stiegen die Lohnstückkosten in den letzten 10 Jahren mehr als viermal so schnell wie die Produktivität. Trauriges Schlusslicht dieser Betrachtung ist Italien - dort leistete man sich einen Anstieg der Lohnstückkosten um fast 40%, während die Produktivität in den letzten 10 Jahren um rund 5% gefallen ist. Um diese strukturellen Probleme zusammen mit einigen landestypischen Schwächen abzubauen (Portugal und Griechenland: geringe Diversifikation der Wirtschaft; Spanien: Immobilienblase) sind Anstrengungen über mehrere Jahre notwendig, während gleichzeitig unter dem Druck der Finanzmärkte mit der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte begonnen werden muss.
Konjunkturell und strukturell relativ solide ist unseres Erachtens die irische Wirtschaft aufgestellt. Erhebliche Anstrengungen müssen dagegen noch in Portugal, Italien, Spanien und Griechenland unternommen werden. Portugal könnte davon profitieren, dass die Konjunktur noch eine Weile konstruktiv bleibt, während Spaniens öffentliche Haushalte am solidesten aufgestellt wirken. Für die Aktienmärkte bleibt aber festzuhalten, dass die Abschläge auf PIGS-Aktien (ohne Irland) gerechtfertigt sind und wohl noch eine Weile anhalten dürften.
© Carsten Klude, Dr. Christian Jasperneite, Matthias Thiel
M.M.Warburg Investment Research
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