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Kauft Aktien - oder lieber nicht?

22.08.2010  |  Klaus Singer
Dieser Tage hört man wieder die Geschichte von den billigen Aktien. Und weil es ja heißt "der Gewinn des Kaufmanns liegt im Einkauf" folgt daraus natürlich, man soll, ja, man muss Aktien kaufen.

Was ist bei Aktien "billig", was "teuer"?

Zunächst - eine Aktie oder ein Aktienindex hat keine festen Eigenschaften, wie z.B. eine Lampe. Deren Preis kann zwar auch schwanken, aber es ist immer dieselbe Lampe mit einem mehr oder gleichen Wert. Mit einer Aktie oder einem Aktienindex kaufe ich hingegen einen Anteil am stets wechselnden Unternehmensgewinn. Die Höhe der Gewinne stellt den stets wechselnden Wert einer Aktie oder eines Index dar.

Zur Gewinnentwicklung der Unternehmen gibt es mindestens drei gebräuchliche Varianten. Da sind erst einmal die "operating earnings", bei der alle außergewöhnlichen Belastungen herausgerechnet werden. Dann kommt die auf GAAP-Basis, und schließlich gibt es noch die "forward earnings", bei der die Schätzung zugrunde liegt, was das oder die Unternehmen in einem Jahr verdienen.

Ich nehme als Wertmaßstab die am wenigsten spekulative Variante, die GAAP-Zahlen. Aber auch dabei ist feststellen, dass deren Qualität seit den 1980er Jahren deutlich abgenommen hat. Also sind wir gut beraten, den relevanten Gewinnansatz eher niedriger als höher anzusetzen. Für den S&P 500 ergibt sich ein 2010er GAAP-Gewinn von 66 Dollar.

Eine populäre Messlatte dafür, ob eine Aktie/ein Aktienindex günstig oder teuer ist, ist das Verhältnis zwischen Kurs und Gewinn (KGV). Während die erste Variante der Wertentwicklung beim gegenwärtigen Stand des S&P500 auf etwa 13 kommt, liegt die zweite bei gut 16. Gegenwärtig wird auf Jahressicht eine Steigerung der Unternehmensgewinne von bis zu 18% erwartet, dementsprechend veranschlagen die Liebhaber der dritten Variante ein KGV von 11 bis 13.

Jetzt wissen wir zwar das KGV, das Verhältnis zwischen Preis und Wert, aber ob Aktie oder Aktienindex kaufenswert sind, wissen wir damit immer noch nicht. Welche Messlatten sollten angelegt werden? Ich sehe im wesentlichen drei: Die Einschätzung im historischen Kontext, die Zukunftsbewertung und alternative Investments.

Der langfristige Mittelwert des GAAP-KGVs liegt bei rund 15. An ausgeprägten Markttiefs liegt das KGV bei sieben, im Zuge des offenen Ausbruchs der jüngsten Finanzkrise lag es kurzzeitig sogar bei zwei. Mittlerweile haben die Unternehmensgewinne das Hoch der Technologie-Blase des Jahres 2000 erreicht. Nur Ende 2007 lagen sie noch höher (siehe Chart!), was zu einem KGV von damals rund 18 führte.

Aus historischer Sicht lässt sich nicht behaupten, dass der S&P500 mit einem heutigen KGV von mindestens 16 günstig, schon gar nicht billig ist.

Wie sieht es mit der Zukunftsbewertung aus?

Man kann argumentieren, dass ein Mittelwert eben nur ein Mittelwert ist, und auf die Idee kommen, einen schönen Aufwärtskanal in den Chart der Zeitreihe der Unternehmensgewinne einzumalen (siehe Chart!). Nur um dann zu dem Schluss zu kommen, dass die Gewinnentwicklung aktuell noch Luft bis mindestens 80 Dollar hat, der oberen Kanalgrenze. Das wären gut 20%. Besonders kühne Bullen würden die rote Linie als Ziel nehmen, dann gäbe es gegenwärtig noch Luft bis über 90 Dollar. Dementsprechend würden sich für den S&P500 beim gleichen KGV Zielbereiche von jenseits 1.250 und für den noch optimistischeren Fall von gut 1.500 ergeben.

Völlig von der Hand zu weisen sind solche Überlegungen nicht. Charttechnisch interessant ist, dass die blau eingezeichnete Mittellinie des durch die obere (rote) Begrenzung gebildeten Kanals in etwa auch der linearen Regressionsgerade der Entwicklung seit 1930 entspricht. Die Unternehmensgewinne haben nach dieser Betrachtung die Mitte gerade durchschritten. Was hindert sie daran, bis zur Kanaloberkante zu laufen?

Damit sich diese rein technische Betrachtung umsetzen kann, muss es Akteure geben, die kaufwillig und zugleich "kauffähig" sind.

Der Kaufwille hat entscheidend etwas mit der Einschätzung zu tun, wie sich die Gewinne der Unternehmen weiter entwickeln. McKinsey & Co. haben ausgerechnet, dass die im S&P500 in den vergangenen 25 Jahren um jährlich 10 bis 12% gestiegen sind. Die aktuelle Steigerungsrate hat diesen Rahmen für 2010 noch nicht ausgeschöpft.

Allerdings sind die Gewinnsteigerungen in erster Linie erzielt worden durch Einsparungen, bis hin zu Entlassungen. Die Umsätze sind hingegen nur unterdurchschnittlich angestiegen, die Hoffnung, dass die Stimulus-Programme die Wirtschaft schnell wieder auf Touren bringt, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Die Stimmungs-Indices laufen nur noch flach, wenn sie nicht schon in den Sinkflug übergehen. Das war zuletzt in dieser Woche beim Philly-Fed-Index zu sehen. Zudem laufen die Keynesschen Anreizprogramme jetzt aus und die Befürchtung besteht allerorten, dass sich das Rad schon bald wieder rückwärts dreht.




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