Kauft Aktien - oder lieber nicht?
22.08.2010 | Klaus Singer
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Nicht zu vergessen: Nicht-Finanz-Unternehmen sitzen auf insgesamt 7,2 Bill. Dollar Schulden, dem höchsten jemals erreichten Stand. Florieren die Geschäfte nicht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass einer drückenden eine er-drückende Schuldenlast wird. Deflationsängste leben immer wieder auf, das drückt auf Stimmung und Kurse. Inflation, schon entsprechende Erwartungen hingegen lieferten Kaufargumente für Aktien, insbesondere, wenn die Preise von den Endmärkten her getrieben würden und eine nachhaltige Preissteigerung von bis zu 5% jährlich zu erwarten wäre. Doch davon ist nicht zu sehen - die Erwartungen sind zuletzt eher wieder gesunken, die hiermit korrigierten “realen” Kurse liegen im oberen Drittel des langjährigen Bereichs.In einem solchen Umfeld hält sich der Kaufwille in Grenzen, auch wenn genügend Kapital auf der Seitenlinie steht. Ich erinnere nur an die nach wie vor enorme Überschussliquidität im US-Finanzsystem (siehe Chart!). Daran wird sich so schnell nichts ändern. Das hat die Fed zuletzt mit ihrer Ankündigung signalisiert, die mit Fälligkeit von MBS und Hypothekenanleihen zufließende Liquidität für den Kauf lang laufender Treasuries einzusetzen. Von ihrer Ankündigung zur Jahreswende, die Überschussliquidität im Finanzsystem nach und nach wieder einzusammeln, ist nichts übrig geblieben. Im Gegenteil - es gibt Forderungen von FOMC-Mitgliedern, die Bond-Käufe auszuweiten. Und Beobachter wie Roubini glauben, dass genau das auch geschehen wird, der FOMC-Beschluss sollte die Märkte schon einmal auf diese Richtung einstimmen.
Wo ein Wille ist, ist ein Weg? Ein Weg ist gegenwärtig da, aber kein Wille. Das Kapital an der Seitenlinie führt nicht automatisch zu steigenden Aktienkursen.
Damit kommen wir zum dritten Punkt der Bewertungsfrage: Sind Aktien relativ zu anderen Assets günstig bewertet?
Eindeutig ja, was US-Treasuries angeht. Die Rendite der 10-jährigen Notes hatte nach der FOMC-Ankündigung vor einigen Tagen mit 2,575 ein neues Tief markiert. Nur zwischen Dezember 2008 dem ersten Quartal 2009 lag der Wert noch tiefer. Nach Fed-Modell liegt das Renten-KGV damit bei über 38, das jüngste Hoch war im Dezember 2008 mit rund 48 markiert worden. Zur Erinnerung: Das S&P500-KGV liegt aktuell bei 16. Wenn das keine Bond-Blase ist... Aber die Blase ist noch nicht geplatzt. Und ob hier ein Reservoir für in Aktien abfließendes Kapital liegt, muss sich erst noch zeigen.
Genauso könnte es sein, dass das bisher in Bonds investierte, in besonderem Maße Sicherheit suchende Kapital in Gold wandert. Mit 38,5 Mrd. Dollar ist der SPDR Gold Shares mittlerweile der zweitgrößte ETF nach dem auf den S&P500 ausgerichteten SPY mit 66,7 Mrd. Dollar. Das dürfte insbesondere dann geschehen, wenn der Kursverlauf bei Gold seinen langjährigen Bullenmarkt bestätigen kann. Hierzu ist erforderlich, dass sich der Preis des Krisenmetalls weiterhin in seinem langfristigen Aufwärtskanal (aktuell zwischen 1300 und 1050) bewegt. Vor kurzem erst hatte er genau in dessen Mitte wieder nach oben abgedreht.
Der Chart der relativen Präferenzen (siehe Chart!) jedenfalls sieht Gold eindeutig bevorzugt gegen den S&P500, genauso wie das Edelmetall industriellen Rohstoffen (CRB) und (nicht ganz so eindeutig) MZM als Repräsentant für Geld-nahe Anlagen vorgezogen wird. Zwischen Rohstoffen und S&P500 hat sich keine eindeutige Vorliebe herausgeschält, tendenziell scheinen Aktien vorgezogen zu werden. Selbst MZM steht höher im Kurs als Rohstoffe.
Damit kann zusammengefasst werden: Aktien sind in ihrer Bewertung historisch weder teuer, noch billig, die makroökonomische Entwicklung gibt momentan wenig schlagende Argumente an die Hand, Aktien stark zu gewichten. Liquidität ist reichlich vorhanden, aber andere Asset-Klassen scheinen bevorzugt. Andererseits gibt die wirtschaftliche Entwicklung auch (noch) keine klaren Hinweise auf einen deutlichen Abschwung bis hin zu einem double-dip-Szenario, so dass auch der Abgabedruck bei Aktien zurzeit nicht ausufern dürfte.
Daraus folgt für die weitere Kursentwicklung des S&P500, dass er ohne marktbewegende neue Makro-Aspekte zunächst wohl in einer Seitwärtsbewegung zwischen rund 1.120 und 1.050, bzw. 1.020 verbleiben wird (siehe Chart!).
Einen Aspekt habe ich hier außen vorgelassen: Das Szenario eines Zusammenbruchs des Finanzsystems könnte eine massive Flucht in Sachwerte aller Art auslösen und damit auch Aktienkurse stützen, bzw. steigen lassen. Hierfür gibt es aktuell aber keine wirklich belastbaren Hinweise, auch wenn da "im Untergrund" einiges schwelt. Eine akute Rolle spielt dieser Aspekt daher gegenwärtig nicht.
Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de
© Klaus G. Singer
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