2010 - ein Rentenjahr?
04.09.2010 | Klaus Singer
Da sollte man meinen, die Akteure an den Finanzmärkten feiern die Auferstehung aus der Finanzkrise. Aber nichts da, der S&P 500 stand zu Jahresbeginn bei 1117, zur Wochenmitte notiert er bei 1080. Der DAX startete bei 5976, zur Wochenmitte konnte er die 6.000 übersteigen. Beim S&P 500 ein Minus von 3,3%, beim DAX plus 1,6%.
Dagegen kann der REX, der deutsche Renten-Performance-Index, im selben Zeitraum um 6,3% zulegen. Die Renditen sind deutlich gefallen, ein solch niedriges Niveau gab zuletzt weit vor dem Zweiten Weltkrieg. In den USA sieht es nicht viel anders aus. Allerdings sind nachhaltig sinkende Renditen in den entwickelten Industrieländern auch nichts Neues. Seit 1981, als die langfristigen Zinsen auf nahezu 16 % explodierten, geht es bergab.
Eine solch geringe Verzinsung regt nicht unbedingt dazu an, Staatsanleihen bis zur Fälligkeit zu halten. Also wird damit rege gehandelt. Und so lange dabei verdient wird, ist man zufrieden. Da muss ich doch kurz des regen Handels mit seligen Immobilienpapieren in der Zeit vor 2008 gedenken...
Steigende Kurse, sinkende Renditen - wie weit kann das noch gehen? Charttechnisch steht die Rendite für 30jährige US-Treasuries an einer Abwärtslinie in einem statischen Supportbereich (siehe Chart!), die Rendite der 10jährigen läuft auf eine Abwärtslinie aus 2000 zu. Zumindest gute technische Gründe, hier wenigstens eine längere Pause zu vermuten.
Wie sieht es mit der "fundamentalen" Bewertung aus? Häufig wird die Summe von realem BIP-Wachstum und Inflationsrate als "fair value" der 10jährigen Rendite ermittelt. Nehmen wir als Hausnummern plus 1,9% und plus 1,5%, so liegt die deutsche Rendite per Wochenmitte mit 2,05% erheblich tiefer, in den USA notierte die 10jährige Rendite zuletzt bei unter 2,5%. Man kann stattdessen auch das Anleihen-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) als Messlatte nehmen. Die genannten Zinssätze ergeben für die USA eines von 40, deutsche Staatsanleihen kommen auf 50. Zum Vergleich: Das KGV des S&P 500 liegt unter 16, der langfristige Mittelwert liegt bei rund 15.
Damit wären Anleihen überbewertet und "eigentlich" reif für eine (kräftige) Korrektur. Oder anders: Das Interesse an Staatsanleihen scheint bezogen auf die aktuelle wirtschaftliche Verfassung zu hoch. Oder noch anders: Die Akteure auf dem Markt für Anleihen trauen dem Aufschwung nicht. Die Meinung dieses Marktsegments hat Gewicht - es ist mit einer Kapitalisierung von rund 90 Billionen Dollar mehr als doppelt so groß wie das der Aktien.
Wer irrt hier? Die Anleihe-Player oder die Volkswirte mit ihren Statistiken?
Für niedrige Renditen spricht, dass die Unsicherheit und Risikoaversion der Anleger nach wie vor hoch ist. Gelder aus als risikoreich empfundenen Anlagen steuern den "sicheren" Anleihe-Hafen an. Seit Mai befinden sich Aktien und Renditen in einem sehr ausgeprägten Gleichlauf (siehe Korrelation SPX vs TYX im Chart!).
Die hohe (Überschuss)-Liquidität im Bankensystem sorgt für rege Nachfrage selbst bei dem gegenwärtig hohen Angebotsstrom an Staatsanleihen. Der Beschluss der Fed, ihre Bilanz nicht zu verkürzen und die aus fällig werdenden Hypothekenpapieren frei werdenden Mittel für den Kauf lang laufender Treasuries einzusetzen, drückt die Zinsen und wirkt zudem als ganz besonderer Kaufanreiz. Schließlich besteht dadurch die schöne Aussicht, die Staats-Papiere später der Fed anzudienen und mit dem Erlös andere Assets zu kaufen.
Und schließlich sind eine niedrige Teuerungsrate wie aktuell und erst recht die Erwartung, dass es so bleibt, stets ein Kaufargument für Anleihen. Das drückt den "fair value".
Die Furcht vor wirtschaftlicher Wachstumsschwäche ist nicht unbegründet: Schon wenn das reale Wachstum deutlich hinter dem Potenzialwachstum zurück bleibt, müssen die Warnlampen angehen. Denn eine ineffiziente und nur langsam wachsende Wirtschaft ist das letzte, was man bei der gegebenen hohen Gesamtverschuldung brauchen kann. Dann werden nicht genügend Mittel erwirtschaftet, um die Schulden bedienen und tilgen zu können.
Für die USA schätzt RGE/Roubini, dass dem Potenzialwachstum von 3% ein für das Gesamtjahr 2010 erwartetes reales Wachstum von 1% gegenüber steht. Damit steigt das Risiko eines "double dip" schnell an. RGE/Roubini beziffert die Wahrscheinlichkeit hierfür auf gegenwärtig 40% - Zeitrahmen erstes Halbjahr 2011.
Die Unterauslastung der Kapazitäten ist gleichzeitig Garant dafür, dass der Inflationsdruck noch weiter gering bleibt. Und das stützt Anleihe-Käufe tendenziell - siehe oben.
Dagegen kann der REX, der deutsche Renten-Performance-Index, im selben Zeitraum um 6,3% zulegen. Die Renditen sind deutlich gefallen, ein solch niedriges Niveau gab zuletzt weit vor dem Zweiten Weltkrieg. In den USA sieht es nicht viel anders aus. Allerdings sind nachhaltig sinkende Renditen in den entwickelten Industrieländern auch nichts Neues. Seit 1981, als die langfristigen Zinsen auf nahezu 16 % explodierten, geht es bergab.
Eine solch geringe Verzinsung regt nicht unbedingt dazu an, Staatsanleihen bis zur Fälligkeit zu halten. Also wird damit rege gehandelt. Und so lange dabei verdient wird, ist man zufrieden. Da muss ich doch kurz des regen Handels mit seligen Immobilienpapieren in der Zeit vor 2008 gedenken...
Steigende Kurse, sinkende Renditen - wie weit kann das noch gehen? Charttechnisch steht die Rendite für 30jährige US-Treasuries an einer Abwärtslinie in einem statischen Supportbereich (siehe Chart!), die Rendite der 10jährigen läuft auf eine Abwärtslinie aus 2000 zu. Zumindest gute technische Gründe, hier wenigstens eine längere Pause zu vermuten.
Wie sieht es mit der "fundamentalen" Bewertung aus? Häufig wird die Summe von realem BIP-Wachstum und Inflationsrate als "fair value" der 10jährigen Rendite ermittelt. Nehmen wir als Hausnummern plus 1,9% und plus 1,5%, so liegt die deutsche Rendite per Wochenmitte mit 2,05% erheblich tiefer, in den USA notierte die 10jährige Rendite zuletzt bei unter 2,5%. Man kann stattdessen auch das Anleihen-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) als Messlatte nehmen. Die genannten Zinssätze ergeben für die USA eines von 40, deutsche Staatsanleihen kommen auf 50. Zum Vergleich: Das KGV des S&P 500 liegt unter 16, der langfristige Mittelwert liegt bei rund 15.
Damit wären Anleihen überbewertet und "eigentlich" reif für eine (kräftige) Korrektur. Oder anders: Das Interesse an Staatsanleihen scheint bezogen auf die aktuelle wirtschaftliche Verfassung zu hoch. Oder noch anders: Die Akteure auf dem Markt für Anleihen trauen dem Aufschwung nicht. Die Meinung dieses Marktsegments hat Gewicht - es ist mit einer Kapitalisierung von rund 90 Billionen Dollar mehr als doppelt so groß wie das der Aktien.
Wer irrt hier? Die Anleihe-Player oder die Volkswirte mit ihren Statistiken?
Für niedrige Renditen spricht, dass die Unsicherheit und Risikoaversion der Anleger nach wie vor hoch ist. Gelder aus als risikoreich empfundenen Anlagen steuern den "sicheren" Anleihe-Hafen an. Seit Mai befinden sich Aktien und Renditen in einem sehr ausgeprägten Gleichlauf (siehe Korrelation SPX vs TYX im Chart!).
Die hohe (Überschuss)-Liquidität im Bankensystem sorgt für rege Nachfrage selbst bei dem gegenwärtig hohen Angebotsstrom an Staatsanleihen. Der Beschluss der Fed, ihre Bilanz nicht zu verkürzen und die aus fällig werdenden Hypothekenpapieren frei werdenden Mittel für den Kauf lang laufender Treasuries einzusetzen, drückt die Zinsen und wirkt zudem als ganz besonderer Kaufanreiz. Schließlich besteht dadurch die schöne Aussicht, die Staats-Papiere später der Fed anzudienen und mit dem Erlös andere Assets zu kaufen.
Und schließlich sind eine niedrige Teuerungsrate wie aktuell und erst recht die Erwartung, dass es so bleibt, stets ein Kaufargument für Anleihen. Das drückt den "fair value".
Die Furcht vor wirtschaftlicher Wachstumsschwäche ist nicht unbegründet: Schon wenn das reale Wachstum deutlich hinter dem Potenzialwachstum zurück bleibt, müssen die Warnlampen angehen. Denn eine ineffiziente und nur langsam wachsende Wirtschaft ist das letzte, was man bei der gegebenen hohen Gesamtverschuldung brauchen kann. Dann werden nicht genügend Mittel erwirtschaftet, um die Schulden bedienen und tilgen zu können.
Für die USA schätzt RGE/Roubini, dass dem Potenzialwachstum von 3% ein für das Gesamtjahr 2010 erwartetes reales Wachstum von 1% gegenüber steht. Damit steigt das Risiko eines "double dip" schnell an. RGE/Roubini beziffert die Wahrscheinlichkeit hierfür auf gegenwärtig 40% - Zeitrahmen erstes Halbjahr 2011.
Die Unterauslastung der Kapazitäten ist gleichzeitig Garant dafür, dass der Inflationsdruck noch weiter gering bleibt. Und das stützt Anleihe-Käufe tendenziell - siehe oben.