Basel III, Banken-Stress und die große Unsicherheit
11.09.2010 | Klaus Singer
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Die deutliche Reduktion des Handelsbilanzdefizits kann man bullisch werten, wenn man argumentiert, dass damit Finanzierungsdruck abgebaut wird (ich komme darauf gleich zurück). Umgekehrt wird allerdings auch ein Schuh daraus: Man kann nämlich den bärischen Schluss ziehen, das geringere Defizit geht auf die Schwäche des US-Verbrauchers zurück, der noch nicht einmal in Zeiten eines festen Dollar auf dem Weltmarkt einkaufen kann (oder will).Der negative Saldo der Handelsbilanz erzwingt einen Ausgleich. Dies kann auf der Ebene der Außenbeziehungen selbst geschehen, indem vereinfacht gesagt ein positiver Saldo der Kapitalbilanz besteht. Z.B. so, dass Ausländer mehr Kapital importieren als Amerikaner exportieren. Von 2003 an betätigten sich z.B. China und auch Japan als fleißige Käufer von US-Verbindlichkeiten (Staatsschulden) und sorgten so für die "Finanzierung" des Handelsbilanzdefizits.
Wenn aber der Ausgleich auf der Ebene der Zahlungsbilanz nicht erfolgt, findet die Kompensation ihres Saldos durch den inländischen öffentlichen und/oder privaten Sektor statt. Im Falle einer negativen Zahlungsbilanz fließen aus diesen Mittel zur Finanzierung des Defizits ab. Das stellt gerade in Zeiten eines wackelnden Finanzsystems und eines hohen Verschuldungsgrades eine Belastung für die Gesamtwirtschaft dar und kommt einer "inneren Rosskur" gleich, ganz besonders in einer Zeit, in der ihre
Wachstumskräfte erlahmen.
Insofern ist die am Ende des Tages verhalten bullische Reaktion ein Indiz für die Gesamtverfassung der Märkte: Die Akteure sind extrem unsicher hinsichtlich der wirtschaftlichen Perspektiven. Und demzufolge auch hinsichtlich der Kursaussichten.
Die einen sagen, bei der Obergrenze der seit Mai etablierten Seitwärtsbewegung im S&P 500 bei 1.120/1.130 ist wieder Schluss mit steigenden Kursen, die anderen machen eine SKS-Formation (siehe Chart!) aus, deren Nackenlinie bei 1.130 liegt. Konträrer kann es nicht sein. Würde nämlich die SKS-Formation zum Zuge kommen, stünde ein Kursziel von 1.240/1.250 an. Der Umsatzverlauf passt zwar nicht gut zur SKS-Hypothese, aber das könnte noch mit der Ferienzeit erklärt werden. Andererseits kann man natürlich argumentieren, dass die Herausbildung einer solch bedeutsamen Formation in der Ferienzeit an sich schon zu Zweifeln Anlass gibt.
Nach den zyklischen Prognosen der TimePatternAnalysis steht ein nachhaltiger Ausbruch aus der Seitwärtsbewegung bei Aktien (noch) nicht an. Die Unsicherheit auf der Ebene der Kurse wie der makroökonomischen Einschätzung wird uns noch eine zeitlang erhalten bleiben. "Basel III" verstärkt sie
zusätzlich.
Schaut man die ETFs auf Aktien in unserem ETF-Portfolio an, so findet man häufig ein Bild wie bei dem ETF auf MSCI Emerging Markets (siehe Chart!). Der Kurs läuft in einem Aufwärtsdreieck gegen ein Niveau aus der ersten Jahreshälfte 2008. Ähnlich bei einigen Branchen-ETFs, z.B. beim Stoxx600 Retail (siehe Chart!), der gegenwärtig an seinem Hoch aus April steht, das sogar dem Niveau aus Januar 2008 entspricht.
Schwächer der MSCIWord (siehe Chart!), der noch etwas unter dem jüngsten Hoch und noch klarer unter dem Niveau aus Juni 2008 steht. Noch schwächer das Bild beim ETF "Estoxx50" (siehe Chart!): Er notiert aktuell bei 28,30, das jüngste Hoch liegt bei 30,25, das Durchschnitts-Niveau vom Juni 2008 liegt bei 36,70.
Der CRB in Euro (siehe Chart!) klopft an sein Hoch aus Juni, das zwar erst einem Niveau von November 2008 entspricht. Aber er läuft seit Anfang 2009 in einem Aufwärtskanal. Schafft er den Ausbruch, ist der Weg nach oben erst einmal frei.
Die technische ETF-Rangfolge (siehe Chart!) entwickelt sich im Wochenvergleich aus deutlich bullisch. Vor sieben Tagen lag der Anteil der aus technischer Sicht bullischen ETFs bei 47%, aktuell bei 74%. Die Zusammensetzung der Spitzengruppe spiegelt dabei die oben skizzierte Situation gut wider: Aktien aus den entwickelten Industrieländern werden von Emerging Markets ausgestochen, defensiver ausgerichtete Branchen-ETFs sind deutlich gesucht. Rohstoffe und Agrarprodukte gehören ebenfalls in die Spitzengruppe.
Das ETF-Gesamtbild erweckt den Eindruck, als positionierte man sich in ausgewählten Bereichen für einen Ausbruch nach oben, bei dem die "großen" Aktien-Indices bestenfalls hinterher laufen.
Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de
© Klaus G. Singer
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