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Ich kann mich nicht erinnern...

24.10.2010  |  Klaus Singer
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Fed schon einmal so früh solch klare Erwartungen hinsichtlich der nächsten Schritte ihrer Geldpolitik geschürt hat.

Zuletzt hatte sie diese Hoffnungen mit ihrem Beige Book genährt, in dem schwachem Wirtschaftswachstum ohne Inflationsdruck die Rede ist; zudem zögerten die Unternehmen bei der Schaffung neuer Jobs. Kurz vorher hatte der Chef der Fed von Atlanta, Dennis Lockhart, von künftigen Anleihekäufen im Volumen von 100 Mrd. Dollar pro Monat gesprochen. Und der New Yorker Fed-Chef William Dudley zeichnete ein trübes Bild der konjunkturellen Lage.

Sie sei "völlig unbefriedigend", erklärte er, es werde noch Jahre dauern, um die Ziele der Fed bei Beschäftigung und Wachstum zu erreichen. Die US-Wirtschaft habe zwar die schwerste Rezession seit den 1930er Jahren hinter sich, das Wachstum reiche aber nicht aus, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Zudem sei die Inflation mit 1,1 Prozent so niedrig wie seit fast 40 Jahren nicht mehr.

Die nächste FOMC-Sitzung findet Anfang November statt. Die einflussreiche Beratungsfirma Medley Global Advisors (MGA) geht davon aus, dass die Fed den Ankauf von US-Staatsanleihen im Wert von 500 Mrd. Dollar plant. Das Programm soll für sechs Monate aufgelegt werden und Spielraum für eine Erweiterung lassen, heißt es.

Die US-Leitzinsen sind schon lange nahe Null, über Anleihekäufe wurden bis jetzt 1,7 Bill. Dollar in die (Finanz-)Wirtschaft gepumpt. Die Fed befürchtet ein Abrutschen in Deflation. Wenn dies geschieht, sind die Folgen für die Gesamtwirtschaft unabsehbar. Denn gegen eine in Schwung gekommene Deflationsspirale lässt sich mit geldpolitischen Mitteln nicht viel ausrichten.

Nachdem die Liquiditätsspritzen bisher nichts bewirkt haben (außer Inflation bei den Asset-Preisen), fragt man sich natürlich, warum das mit "QE2" nun anders sein soll. Immerhin hat der Ausblick auf frische Liquidität den Dollar geschwächt und die Assetpreise weiter angehoben, also weiter inflationiert.

Ich glaube nicht, dass "QE2" nach dem gleichen Muster wie vorherige Eingriffe gestrickt sein wird. Dies würde letztlich nur dazu führen, dass die langfristigen Zinsen noch weiter sinken, was nicht anderes ausdrückt als weiter sinkende Preiserwartungen. Erwartungen künftiger Preissteigerungen schlagen sich hingegen v.a. in steigenden Zinsen und steigendem Goldpreis nieder. Die Fed muss mit "QE2" genau das fördern, sie muss erreichen, dass die zusätzliche Liquidität in der Real-Wirtschaft landet. Zumindest muss die Erwartung angestachelt werden, dass sie dort landen wird. Das funktioniert nur über einen Wohlstandseffekt - ich hatte mich in früheren Artikeln damit befasst.

Im Grunde ist ein "QE2" ein extrem negatives Signal hinsichtlich der fundamentalen Gegebenheiten. Man verfolge z.B. nur die US-Industrieproduktion. Die ist im September zum ersten Mal seit über einem Jahr deutlich zurückgegangen (siehe Chart!). Die Frage ist, wann sich diese Erkenntnis in Kurse umsetzt. Dazu gleich mehr.

Ein Motiv für weitere Liquiditätsspritzen dürfte auch darin begründet sein, dass aus dem Hypotheken-Bereich neue Unbill auf die Banken zukommt. Eine Studie von J.P. Morgan schätzt "Put-Back"-Kosten von 55 Mrd. Dollar, im Extrem könnten sie sich auf 120 Mrd. Dollar summieren. Pro Jahr wird mit Kosten von 10 bis 25 Mrd. Dollar gerechnet.

Der Hintergrund: Bei der Bündelung von Einzelhypotheken und dem Weiterverkauf damit kreierter Hypothekenanleihen (z.B. MBS) wurde nicht immer (oder fast nie) berücksichtigt, dass der Weiterverkauf dieser Schulden besonderen juristischen Anforderungen genügen muss, damit der letzte Inhaber dieser Schuld einen Titel gegen Hypotheken-Schuldner hat. Die Transaktion über die normalen Wege an Wall Street genügt diesen Anforderungen nicht.

Das hat zweierlei Konsequenzen: Erstens hat der Hypothekengläubiger keinen Titel gegen einen säumigen Schuldner, und der kann völlig legal Zahlungen zur Bedienung der Hypothek einstellen. Insbesondere laufen dann auch Zwangsversteigerungsverfahren ins Leere. Zweitens hat der letzte Eigentümer der Hypothekenschuld das Recht, die Rückabwicklung des Kaufs der Hypothekenanleihe zu verlangen, weil die ausgebende Bank fehlerhafte Garantien gegeben hat ("Mortgage backed Securities").

So hat dem Vernehmen nach vor einigen Tagen eine Gruppe von acht Investoren, darunter PIMCO, BlackRock und die New York Fed, allein von der Banc of America den Rückkauf von Hypothekenanleihen im Volumen von 47 Mrd. Dollar verlangt.

Noch ist die Rechtslage nicht völlig eindeutig und die Beteiligten hüllen sich in Schweigen. Aber Belastungen in dieser Größenordnung hätten verheerende Konsequenzen - entweder für den Inhaber der Hypothekenschuld, der Wertberichtigung und die entgangenen Schuldzinsen als Einnahmeausfälle bilanzieren muss oder für die ausgebende Bank.





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