Prof. Wilhelm Hankel: Europa verlässt den Boden der Demokratie
19.11.2010 | Frank Meyer
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Frank Meyer: Kann man das beim politischen Willen, die Eurozone zusammenzuhalten überhaupt erwarten? Professor Hankel: Nun, auch der politische Wille bricht sich an Realitäten. Es hat noch nie eine geglückte Währungsunion dieses Typs gegeben und aus der Geschichte kann man ableiten, dass immer dann, wenn Währungszusammenschlüsse auf Probleme zu Hause stoßen, sich jeder Staat letztlich, egal ob er eine Monarchie oder Demokratie ist, dafür entscheiden muss, dass die Probleme zu Hause wichtiger sind als die Einheit internationaler Währungsregeln. Daraus ist zu folgern, dass die Schwierigkeiten, die wir heute im Euro haben, früher oder später zur Einsicht führen (vielleicht zuletzt in Deutschland, aber woanders früher), dass man das Euroexperiment aufgeben muss.
Frank Meyer: Sie sind ja nicht erst seit der Klage gegen diese Schutzschirme bekannt. Wie fällt die Resonanz auf Ihr Unterfangen aus?
Professor Hankel: In der Öffentlichkeit finde ich mehr Resonanz als in der veröffentlichten Meinung. Sie waren ja Zeuge meines Vortrags auf der Goldmesse in München. Die einfachen Leute verstehen das alles sehr viel besser und unterstützen das. Wir haben eine große Diskrepanz zwischen dem Volk und seinen Vertretern. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, was die Volksvertreter bewegt gegen den erkennbaren Volkswillen, einem Geldkonstrukt wie dem Euro den Vorzug zu geben vor den realen Interessen der Leute und der deutschen Volkswirtschaft. Wir haben inzwischen eine große Lücke zwischen Regierung und Volk.
Frank Meyer: Europäisches Recht bricht nationales Recht in vielen Bereichen. Müssen sich die Bürger nicht nur wegen krummer Bananen und Energiesparlampen wehren?
Professor Hankel: Sicher. Ich denke, die Stabilität unseres Geldes und unserer Zukunft ist viel wichtiger, als ob in Stuttgart oder woanders ein neuer Bahnhof gebaut wird. Aber die Geldmaterie, obwohl sie so wichtig ist und in jedes private Leben und Schicksal und jede private Zukunft eingreift, ist natürlich ein Gebiet, was nicht so leicht zu überschauen ist wie der Bau oder Nicht-Bau eines Bahnhofs. Es ist auch nicht so leicht darüber ein Urteil zu haben wie über die Fragen, wie viele Ausländer man hier ertragen kann und wie viele nicht. Kurz: Es ist eine schwierige Materie. Und darum bemühe ich mich, sehr sogar, sie auch für einfach Leute verstehbar zu machen.
Frank Meyer: Vielleicht ist es ja genau der Vorteil für die Entscheider, dass es eben so kompliziert ist...
Professor Hankel: Unsere Bürger werden sich ihrer Rechte mehr und mehr bewusst und das ist gut so. Eine andere Frage ist, ob sie die Probleme immer so leicht überblicken und beurteilen können wie im Fall Gorleben oder dem Bahnhof in Stuttgart. Die Geldmaterie ist viel abstrakter. Aber die Folgen eines falschen Geldes kann jeder Bürger beurteilen. Es ist wahrscheinlich die Folgenabschätzung, die die Leute bewegt. Wir haben in Deutschland zwei verheerende Inflationen hinter uns. Wer sie nicht erlebt hat, hat davon gehört. Das darf sich nicht ein drittes Mal wiederholen. Das treibt die Leute schon um, auch wenn sie im Einzelnen die Probleme, die sich im Euro derzeit stellen, nicht so ganz überschauen können. Hier ist die Verantwortung der Politik gefragt. Aber die entzieht sich der Verantwortung. Sie erzählt den Leuten Märchen über den Euro.
Frank Meyer:...zum Beispiel auch, dass, wenn wir die D-Mark wieder zurück bekämen, wir unter ihrer Stärke gewaltig leiden würden?
Professor Hankel: Das ist die schlimmste aller Lügen. Unter einer starken Währung hat noch nie jemand gelitten - weder ein Volk noch eine Exportwirtschaft. Dafür steht die Erfahrung aller Jahrzehnte vor dem Euro, als wir die D-Mark noch hatten. Die D-Mark hat durch ihre Aufwertung gegenüber anderen europäischen Währungen und auch gegenüber dem US-Dollar Deutschland, den Menschen und der Volkswirtschaft nur Vorteile gebracht. Die Menschen konnten billig in aller Welt herumreisen. Die Volkswirtschaft konnte alles, was sie brauchte, aus dem Ausland zu Spottpreisen importieren. All die Geschichten, dass die Aufwertung den Export schmälert sind widerlegt worden durch die Fakten. Trotz Aufwertung der D-Mark sind die deutschen Exportüberschüsse von Jahr zu Jahr gewachsen.
Frank Meyer: Folker Hellmeyer schrieb in seinem Buch "Klartext" dass erst die freien Märkte sterben und dann die Demokratie. Wie ich Sie verstanden habe, handelt es sich beim Euro nicht um einen freien Markt. Befinden wir uns inzwischen schon in einer Demokratur?
Professor Hankel: Ich fürchte ja. Was er geschrieben hat, kann man gerade an der Geschichte des Euro Schritt für Schritt verfolgen: Der erste Schritt in den Euro war ja die Aufhebung des Währungswettbewerbs. Vor dem Euro hatten wir die Konkurrenz europäischer Währungen. Die D-Mark hatte den besten Wert und den besten Kurs. Die anderen mussten sich anstrengen. Jetzt erleben wir, beginnend im Fall Griechenland und fortsetzend mit den anderen, die Aufhebung des Zinswettbewerbs. Schlechte Schuldner müssen höhere Zinsen zahlen. Das ist nun mal ein Marktgesetz. Aber genau dieses Marktgesetz wird durch den Rettungsfonds aufgehoben.
Jetzt bekommen die schlechten Schuldner trotz ihrer miserablen Rückzahlungsfähigkeit Vorzugszinsen, nämlich die des Rettungsfonds - fünf Prozent. Der nächste Schritt könnte sein, dass wir dann auch noch den Steuerwettbewerb aufheben: Dann werden die griechischen Steuern in Deutschland erhoben, denn wir subventionieren ja mit Steuergeld den griechischen Haushalt. Europa führt sich Schritt für Schritt von der Marktwirtschaft weg. Das ist ein offener Skandal und wird viel zu wenig in den Medien thematisiert.