Respekt vor der Geschichte
19.04.2011 | Johannes Müller
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Die Revision der Bundesverfassung ist zwar hin und wieder angeregt worden, jedoch in entgegengesetzter, der ausländischen Praxis folgenden Richtung, nämlich zu Gunsten des dauernden sogenannten gesetzlichen Kurses. In allen wichtigen Ländern, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, ist den Banknoten der gesetzliche Kurs, die Unablehnbarkeit, verliehen. Dies schon für Friedenszeiten, wohl zumeist mit dem mehr oder minder deutlich erkennbaren Zweck, den Übergang zum Zwangskurs, zur Papierwährung, im Notfall möglichst unbemerkt und ohne Beunruhigung des Publikums vor sich gehen zu lassen. In Deutschland zum Beispiel hat die Regierung schon vor dem Krieg den gesetzlichen Kurs sichtlich als blosse Vorstufe zum Zwangskurs betrachtet, indem sie 1909 die Einlösung der Noten durch deren Zentralisierung auf den Hauptsitz der Reichsbank in Berlin für das Reich in seiner Gesamtheit praktisch bedeutungslos machte. Der Zwangskurs bestand also schon annähernd, bevor er bei Kriegsausbruch verfügt wurde. Das war ein Teil der finanziellen Kriegsbereitschaft, nicht Währungspolitik zum Wohle der Wirtschaft.
Wo aber der gesetzliche Kurs bloss als wirtschaftliche Massnahme erscheint, zeigt er sich gleichsam als Krücke der "hinkenden" Währungen heutiger Praxis. Er ist notwendiges Zubehör und sicheres Kennzeichen der Goldkern-, Goldrand- und Golddevisenwährungen, die vermeinen, sich das Vertrauen mit Zwang schaffen und erhalten zu sollen. Unsere Verfassung sieht mit Recht über die subtile Unterscheidung zwischen den beiden Kursen, dem gesetzlichen Kurs und dem Zwangskurs, hinweg und will den Notbehelf wirklich nur in Notlagen zur Kriegszeit zulassen. Besser wäre, sie würde wie früher jeden staatlichen Zwang grundsätzlich und ohne Ausnahme ausschliessen.
Der Zwangskurs gehört nicht zum Begriff echten Geldes, sondern zum gegenteiligen Begriff des unechten, blossen Kredit- und Papiergeldes. Je schlechter dieses Geld, desto schärfer der Zwang. Die Vorteile aber, die der Staat sich durch Zwang verschafft, sind von vorübergehendem, täuschendem Wert. Die Erfahrung beweist nicht, dass das höhere Interesse des Staates die Preisgabe von Vertragsfreiheit und Vertragstreue verlange, dass der Staat im Falle der Not ohne Zwang, Täuschung und Falschmünzerei nicht auskommen könne. Die wahren Interessen des Staates erweisen sich auf die Dauer vielmehr durchaus solidarisch mit denen der Wirtschaft.
Der Verkehr muss frei sein, dasjenige Geld zu benützen, das ihm passt. Er muss insbesondere auch frei sein, dieses Geld so genau zu bezeichnen, dass Zweifel und Irrtum sicher fernbleiben. Nachdrücklich auf die Hauptsache weisend, hat unsere frühere Schrift über "Wesen und Lehren der Geldkrisis" (1920, Heft 16 der Wirtschaftlichen Publikationen) ein die nichtssagenden Münznamen beseitigendes Gewichtsgeld als Ideal hingestellt. Und als nächste praktische Massnahme wurde empfohlen, es möchte bei der kommenden Neuordnung unseres Geldwesens dafür gesorgt werden, dass die gesetzlichen Zahlungsmittel neben ihrem Münznamen auch das Gewicht Edelmetall, das sie enthalten, ehrlich in soundsoviel Gramm nennen; ferner sollten alle Schuldurkunden in Zukunft außer auf den überlieferten Münznamen auch auf Goldgewicht lauten. Was so von der kommenden Gesetzgebung erwartet worden war, hat einsichtige Praxis aus freien Stücken bereits teilweise verwirklicht.
Des Schicksals des "Frankens" eingedenk, bezeichnen unsere Banken in langfristigen Darlehensverträgen den von ihnen gemeinten Franken ausdrücklich und genauest mit 0.2903225 Gramm Feingold und stellen somit zur Ausschliessung aller Unbestimmtheit auf das Edelmetall selbst, auf Goldgewicht ab. In naher Zeit wird die Schaffung des einheitlichen Pfandbriefes erwartet. Welche bessere Empfehlung für alle Welt kann diesem Titel gegeben werden, als eben die heute noch verwehrte Goldgarantie? Im Sachenrecht, im Obligationenrecht, in der ganzen Gesetzgebung soll die gute Ordnung unseres Geldwesens bestätigt und gestützt werden.
Die in diesem Abschnitt vertretene Forderungen und Anregungen sind keineswegs von übertriebenen Hoffnungen diktiert. Störungen und Verluste, wie sie durch Krisen und Kriege der Wirtschaft zugefügt werden, lassen sich selbstverständlich auch durch die sich selbst treue Währungspolitik nicht verhindern, noch weniger ungeschehen machen. Verhindern wird das solide Verhalten jedoch, dass die Schädigungen sich masslos steigern, ganze Bevölkerungsschichten ruinieren, alles Vertrauen, jeden Sparsinn ertöten. Gewiss werden auch in Zukunft bei Notlagen viele Verpflichtungen trotz Stundung nur mangelhaft erfüllt werden. Die Stellung der Vertragspartner bleibt jedoch die bei Vertragsabschluss frei vereinbarte.
Wie die Schwierigkeiten zu überwinden sind, soll im einzelnen Falle die Prüfung der besonderen Verhältnisse ergeben. Keinesfalls aber wird es vorkommen, dass ältere Zahlungsverpflichtungen kurzerhand mit einem Bettel gelöst werden können, wie das Deutschland beim Zusammenbruch der Mark die Regel gewesen. Ist die Erfüllung dem Schuldner unmöglich, so bleibt die Verpflichtung bestehen bis zur Zeit, da richtige Zahlung erfolgt, sei es im vollen Betrag, sie es mit Reduktion, worüber freie Vereinbarung oder der Richter in Würdigung der veränderten Verhältnisse befindet. Diese Andeutungen müssen im Rahmen dieser Studie genügen.
Wir leben heute wieder in politisch ruhigeren Zeiten und hoffen mit Grund, dass die Besserung andaure. Erschütterungen gibt es jedoch im Wirtschaftleben auch ohne politische Zwischenfälle. Inmitten einer noch nie dagewesenen Kreditübertreibung, die Wirklichkeit und Schein oft schwer unterscheiden lässt, wird für unser Land die solideste Währung im bezeichneten Sinne gerade gut genug sein. Dafür aber, dass wir das Ziel völliger Geldehrlichkeit erreichen, bedarf es allseitigen tätigen Interesses. Denn schliesslich hat - namentlich in der Demokratie - jedes Volk auch das Geldwesen, das es verdient.
© Johannes Müller
www.verlag-jm.ch
Text erfasst und zusammengestellt von Johannes Müller, CEO der Echtgeld AG in CH-Giswil sowie Verleger von "Freiheit durch Gold - Sklavenaufstand im Weltreich der Papiergeldkönige" (Prof. Dr. Hans J. Bocker), welches bereits in dritter Auflage und in sechs weiteren Sprachen herausgegeben wurde.
Anmerkung GoldSeiten.de: Der Beitrag erschien bereits in der Printausgabe unseres Messemagazin 2010/11, das anlässllich der Edelmetallmesse in München erschien.