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Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte: Von Gewinnern und Verlierern in der Eurozone

28.12.2010  |  Carsten Klude
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Und was ist nun die Lehr’ von der Geschicht’: Trau’ den Ökonomen nicht? So weit muss man nicht gehen, doch zeigt der Fall und Aufstieg Deutschlands in den vergangenen 20 Jahren, dass Ökonomen sich schwer damit tun, langfristig gute Prognosen abzugeben und strukturelle Veränderungen rechtzeitig zu erkennen. Denn leider besitzt niemand eine Glaskugel, die es erlauben würde, konjunkturelle Trends über einen längeren Zeitraum als von ein bis zwei Jahren vorherzusehen.

Die allerwichtigste Lehre, die sich aus solchen Entwicklungen jedoch ziehen lässt, ist die, dass man die jüngste Entwicklung nicht einfach in die Zukunft fortschreiben sollte. Wer erinnert sich beispielsweise noch heute daran, dass man sich im Jahr 2000 gefragt hat, ob es angesichts der amerikanischen Haushaltsüberschüsse bald überhaupt noch US-Treasuries geben würde? Heute im Zeitalter hoher Verschuldung und unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen muten solche Diskussionen geradezu grotesk an.

Insofern ist es wichtig, sich der Tatsache bewusst zu sein, dass sich die Zeiten ändern können. Wie im Guten, so im Schlechten. Wenn heute einige in Deutschland mit erhobenem Zeigefinger auf Defizitsünder wie Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien zeigen, sollten sie nicht vergessen, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass Deutschland selbst in einer ähnlichen Situation steckte. So beschlossen die EU-Finanzminister im Januar 2003 die Einleitung eines Defizitverfahrens gegen Deutschland. Dieses wurde auf politischen Druck aus Berlin und Paris Ende 2003 ausgesetzt. Und erst 2007 wurde das Verfahren endgültig eingestellt. In einer Meldung der Tagesschau dazu hieß es damals: "EU-Währungskommissar Joaquin Almunia ist zufrieden: Die Zeiten exzessiver Schuldenpolitik in Deutschland seien vorbei." (http://www.tagesschau.de/wirtschaft/meldung25414.html)

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Die Tatsache, jüngste Entwicklungen in die Zukunft fortzuschreiben, ist eine sehr menschliche Verhaltensweise, die auch an den Kapitalmärkten gang und gäbe ist. So dominiert meistens der Blick in den Rückspiegel das Geschehen. Bestes Beispiel hierfür ist das mehr als unglücklich zu nennende Agieren der Rating-Agenturen, die mit ihren Einschätzungen der letzten Jahre dabei sind, sich selbst überflüssig zu machen. Während sie die drohende Subprime-Krise völlig unterschätzt haben, sind sie nun dabei, die europäischen Schuldnerländer mit ihren Einschätzungen an den Rand des Abgrundes zu drängen. Denn an den Kapitalmärkten werden derzeit alle Negativschlagzeilen begierig aufgesaugt, die das Szenario einer auseinanderbrechenden Währungsunion begünstigen. Ohne Zweifel ist das Schuldenproblem ein sehr ernstes. Doch zeigt das Beispiel Deutschlands, dass es zu einfach und auch falsch ist, die aktuellen Trends, ohne sie zu hinterfragen, in die Zukunft fortzuschreiben.

Denn unseres Erachtens ist die konjunkturelle Situation in den Peripherieländern keineswegs so ausweglos wie oftmals vermutet wird. Griechenland hat die ihm auferlegten Sparprogramme nach Angaben des IWF und der EU-Kommission rigoros durchgesetzt. Die Anpassungsrezession, die das Land durchläuft, ist zwar schmerzhaft, bietet aber die Chance, zwingend notwendige Strukturveränderungen durchzusetzen. Doch werden diese nicht von heute auf morgen zu sichtbaren Ergebnissen führen. Wie Deutschland in den vergangenen Jahren, so benötigen auch Griechenland und die anderen Problemländer Zeit.

Immerhin deutet beispielsweise der OECD-Frühindikator für Griechenland darauf hin, dass die Intensität des wirtschaftlichen Abschwungs den Höhepunkt überschritten hat. Damit nehmen die Chancen zu, dass es im nächsten Jahr bei den fiskalischen Kennziffern, die vom Kapitalmarkt mit Argusaugen beobachtet werden, zu positiven Überraschungen kommen kann. Und Ähnliches ist auch im Falle Irlands, Portugals und Spaniens möglich. Die eingeleiteten Reformen bieten die große Chance für ein erneuertes und starkes Europa. Schon im Laufe des nächsten Jahres könnte es somit zu einer Neubewertung der ökonomischen Situation in der europäischen Währungsunion kommen. So können die Verlierer von heute die Gewinner von morgen sein. Denn nicht nur zu Weihnachten werden manche Wunder wahr. Wie das deutsche Beispiel zeigt.

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© Carsten Klude, Dr. Christian Jasperneite, Matthias Thiel
M.M.Warburg Investment Research

Quelle: Auszug aus "Konjunktur und Strategie" vom 16.12.2010



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