Die Hypothek von 2010
23.01.2011 | Klaus Singer
Was macht der geneigte Börsianer zu Jahresanfang? Er blickt nach vorne. Zuvor aber der Blick in den Rückspiegel mit Schwerpunkt USA, wo nach wie vor der Takt geschlagen wird.
In den industrialisierten Ländern war die Entwicklung der Wirtschaft in 2010 insgesamt zunächst noch stark geprägt von der Korrektur der Lager-Korrektur als Folge des offenen Ausbruchs der Finanzkrise im Herbst 2008.
Im zweiten Halbjahr differenzierte sich die Situation: In den USA mehrten sich Anzeichen, die Wirtschaft könnte in eine neue Rezession ("double dip") zurückfallen. Stark exportorientierte Länder (Deutschland und andere) profitierten hingegen stark von den wachsenden Wirtschaften der Emerging Markets. Und die europäischen PIIGS-Länder begannen unter der Last ihrer überdimensionalen Staatsverschuldung zu ächzen.
Die Emerging Markets verzeichneten starkes Wachstum, nicht zuletzt durch steigenden Rohstoffbedarf bei knapper werdenden Vorkommen. Auch Kapitalzuflüsse aus den industrialisierten Ländern trugen dazu bei.
Die Zentralbanken setzten ihre lockere Geldpolitik fort. Um eine Rezession zu verhindern, schaltete die Fed Anfang November sogar noch einen Gang höher und will bis Juni 2011 für 600 Mrd. Dollar Treasuries kaufen. Aus fällig werdenden Anleihen im Bestand der Fed stehen weitere bis zu 250 Mrd. Dollar bereit.
Nachdem die Finanzmärkte zwischen Mai und August die Wahrscheinlichkeit eines double-dip in den USA hoch gespielt haben, wurde ab September verstärkt auf eine Ausweitung der lockeren Geldpolitik der Fed gesetzt. Diese tat auch alles, um hohe Erwartungen zu schüren.
Der als Folge der Finanzkrise angeschobene Transfer privater in öffentliche Schulden hat Dimensionen erreicht, die langfristig nicht tragbar sind. Das bricht zunächst in den PIIGS-Ländern auf, die durch die Einbindung in die gemeinsam Euro-Währung kaum Möglichkeiten haben, sich hiervon aus eigener Kraft herauszuarbeiten. Die strukturellen Probleme der Realwirtschaft werden durch geldpolitische Maßnahmen nicht gelöst, eine Lösung wird im Gegenteil hierdurch ein weiteres Mal auf die lange Bank geschoben und dadurch noch schwerer.
Die Gesamtverschuldung der industrialisierten Länder wird wie im Japan der 1990er Jahre das Wachstumspotenzial erheblich einschränken und damit das Problem der Verschuldung noch schärfer hervortreten lassen. Schon bei einem US-BIP-Wachstum von weniger als 2% bleibt bei dem aktuellen hohen Verschuldungsgrad das Risiko einer erneuten Rezession hoch. Ein QE-Programm des Umfangs von QE2 wird aber ein "double-dip"-Szenario auf der Zeitachse zumindest deutlich verschieben können.
Die mit der lockeren Geldpolitik der zurückliegenden Jahre geschaffene Überschussliquidität findet den Weg in die Realwirtschaft so lange nicht, so lange die Kreditvergabe der Geschäftsbanken nicht deutlich anspringt. Ein Anstieg der Verbraucher-Nachfrage führt in einer Wirtschaft, die unter ihrem Potenzialwachstum operiert, zwar zunächst zu einer Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit, nicht aber zu einer Ausweitung kreditfinanzierter Investitionen. Da sich in einem Zins-Umfeld nahe Null Umlaufgeschwindigkeit und Geldmenge gegenläufig verhalten, kompensieren sich die Effekte (siehe Chart!).
Der deflationäre Teufelskreis kann sich im aktuellen Umfeld auflösen, wenn signifikante "externe", d.h. nicht durch Arbeitseinkommen geschaffene Wohlstandseffekte für nachhaltigen Transfer von Überschussliquidität in die Realwirtschaft sorgen. Der nach 2002 angewandte "Trick" mit der Immobilienspekulation auf Kredit ist verbraucht, eine ähnlich durchschlagende neue Maßnahme nicht in Sicht.
Der deflationäre Teufelskreis kann sich ebenfalls auflösen, wenn die Kreditvergabe anspringt. Aber seit dem Sprung wegen des Auslaufens von Steuervergünstigungen für Ersthypotheken im April ist sie wieder rückläufig, immerhin sieht es aber jetzt nach einer weichen Landung aus (siehe Chart!). Die große Lücke zwischen Möglichkeiten und Realität bei der Kreditvergabe zeigt das Verhältnis zwischen Überschuss- und Gesamt-Reserven des US-Bankensystems (siehe Chart!). Das liegt seit zwei Jahren bei konstant über 93%, vorher war ein Wert unter 5% normal. QE2 hat hier im Dezember übrigens Wirkung gezeigt - die Reserven sind wieder gestiegen.
Die US-Immobilienkrise schwelt weiter. Das zeigt sich an der Preisentwicklung nach Case-/Shiller-Index (siehe Chart!). Ohne klaren Aufwärtstrend (rote Signal-Kurve in "Expand") kann hier keine Entwarnung gegeben werden. Man kann die Entwicklung der Immobilienpreise auch als Messlatte für die Stabilität des Bankensystems ansehen - und damit ist es demnach nicht weit her.
Der aus dem Industrieproduktionsindex, der Anzahl der Arbeitsplätze, den persönlichen Konsumausgaben, sowie dem verfügbaren Einkommen gebildete Diffusionsindex notiert mittlerweile wieder da, von wo aus er Ende 2007 abgeschmiert ist: Mit 50% steht er genau an der Scheidelinie zwischen Expansion und Kontraktion (siehe Chart!). Damit signalisieren wichtige makroökonomischen Indikatoren eine gewisse Erholung. Aber die hierfür zum Teil verantwortlichen staatlichen Konjunkturpakete laufen aus und damit stellt sich die Frage, ob sich genügend Momentum entwickelt hat.
In den industrialisierten Ländern war die Entwicklung der Wirtschaft in 2010 insgesamt zunächst noch stark geprägt von der Korrektur der Lager-Korrektur als Folge des offenen Ausbruchs der Finanzkrise im Herbst 2008.
Im zweiten Halbjahr differenzierte sich die Situation: In den USA mehrten sich Anzeichen, die Wirtschaft könnte in eine neue Rezession ("double dip") zurückfallen. Stark exportorientierte Länder (Deutschland und andere) profitierten hingegen stark von den wachsenden Wirtschaften der Emerging Markets. Und die europäischen PIIGS-Länder begannen unter der Last ihrer überdimensionalen Staatsverschuldung zu ächzen.
Die Emerging Markets verzeichneten starkes Wachstum, nicht zuletzt durch steigenden Rohstoffbedarf bei knapper werdenden Vorkommen. Auch Kapitalzuflüsse aus den industrialisierten Ländern trugen dazu bei.
Die Zentralbanken setzten ihre lockere Geldpolitik fort. Um eine Rezession zu verhindern, schaltete die Fed Anfang November sogar noch einen Gang höher und will bis Juni 2011 für 600 Mrd. Dollar Treasuries kaufen. Aus fällig werdenden Anleihen im Bestand der Fed stehen weitere bis zu 250 Mrd. Dollar bereit.
Nachdem die Finanzmärkte zwischen Mai und August die Wahrscheinlichkeit eines double-dip in den USA hoch gespielt haben, wurde ab September verstärkt auf eine Ausweitung der lockeren Geldpolitik der Fed gesetzt. Diese tat auch alles, um hohe Erwartungen zu schüren.
Der als Folge der Finanzkrise angeschobene Transfer privater in öffentliche Schulden hat Dimensionen erreicht, die langfristig nicht tragbar sind. Das bricht zunächst in den PIIGS-Ländern auf, die durch die Einbindung in die gemeinsam Euro-Währung kaum Möglichkeiten haben, sich hiervon aus eigener Kraft herauszuarbeiten. Die strukturellen Probleme der Realwirtschaft werden durch geldpolitische Maßnahmen nicht gelöst, eine Lösung wird im Gegenteil hierdurch ein weiteres Mal auf die lange Bank geschoben und dadurch noch schwerer.
Die Gesamtverschuldung der industrialisierten Länder wird wie im Japan der 1990er Jahre das Wachstumspotenzial erheblich einschränken und damit das Problem der Verschuldung noch schärfer hervortreten lassen. Schon bei einem US-BIP-Wachstum von weniger als 2% bleibt bei dem aktuellen hohen Verschuldungsgrad das Risiko einer erneuten Rezession hoch. Ein QE-Programm des Umfangs von QE2 wird aber ein "double-dip"-Szenario auf der Zeitachse zumindest deutlich verschieben können.
Die mit der lockeren Geldpolitik der zurückliegenden Jahre geschaffene Überschussliquidität findet den Weg in die Realwirtschaft so lange nicht, so lange die Kreditvergabe der Geschäftsbanken nicht deutlich anspringt. Ein Anstieg der Verbraucher-Nachfrage führt in einer Wirtschaft, die unter ihrem Potenzialwachstum operiert, zwar zunächst zu einer Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit, nicht aber zu einer Ausweitung kreditfinanzierter Investitionen. Da sich in einem Zins-Umfeld nahe Null Umlaufgeschwindigkeit und Geldmenge gegenläufig verhalten, kompensieren sich die Effekte (siehe Chart!).
Der deflationäre Teufelskreis kann sich im aktuellen Umfeld auflösen, wenn signifikante "externe", d.h. nicht durch Arbeitseinkommen geschaffene Wohlstandseffekte für nachhaltigen Transfer von Überschussliquidität in die Realwirtschaft sorgen. Der nach 2002 angewandte "Trick" mit der Immobilienspekulation auf Kredit ist verbraucht, eine ähnlich durchschlagende neue Maßnahme nicht in Sicht.
Der deflationäre Teufelskreis kann sich ebenfalls auflösen, wenn die Kreditvergabe anspringt. Aber seit dem Sprung wegen des Auslaufens von Steuervergünstigungen für Ersthypotheken im April ist sie wieder rückläufig, immerhin sieht es aber jetzt nach einer weichen Landung aus (siehe Chart!). Die große Lücke zwischen Möglichkeiten und Realität bei der Kreditvergabe zeigt das Verhältnis zwischen Überschuss- und Gesamt-Reserven des US-Bankensystems (siehe Chart!). Das liegt seit zwei Jahren bei konstant über 93%, vorher war ein Wert unter 5% normal. QE2 hat hier im Dezember übrigens Wirkung gezeigt - die Reserven sind wieder gestiegen.
Die US-Immobilienkrise schwelt weiter. Das zeigt sich an der Preisentwicklung nach Case-/Shiller-Index (siehe Chart!). Ohne klaren Aufwärtstrend (rote Signal-Kurve in "Expand") kann hier keine Entwarnung gegeben werden. Man kann die Entwicklung der Immobilienpreise auch als Messlatte für die Stabilität des Bankensystems ansehen - und damit ist es demnach nicht weit her.
Der aus dem Industrieproduktionsindex, der Anzahl der Arbeitsplätze, den persönlichen Konsumausgaben, sowie dem verfügbaren Einkommen gebildete Diffusionsindex notiert mittlerweile wieder da, von wo aus er Ende 2007 abgeschmiert ist: Mit 50% steht er genau an der Scheidelinie zwischen Expansion und Kontraktion (siehe Chart!). Damit signalisieren wichtige makroökonomischen Indikatoren eine gewisse Erholung. Aber die hierfür zum Teil verantwortlichen staatlichen Konjunkturpakete laufen aus und damit stellt sich die Frage, ob sich genügend Momentum entwickelt hat.