Wo stehen wir im Konjunkturzyklus?
12.02.2011 | Klaus Singer
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Die Unternehmen haben auf die kollabierenden Aufträge und Umsätze mit weitgehenden Kosteneinsparungen reagiert. Abgefedert durch die massiven Hilfsprogramme bewegten sich Aufträge und Umsätze rasch wieder aus dem Tal heraus. Zusätzliches Personal wurde jedoch kaum eingestellt, die Kosten blieben auch sonst unter scharfer Beobachtung. Hierdurch erholten sich die Margen sehr stark, die Unternehmensgewinne explodierten.Die Hilfsprogramme waren auf einen Zeitraum von 12 bis 18 Monate angelegt. Jetzt sind mehr als zwei Jahre vergangen, die Realwirtschaft hat sich erholt. Die Hilfsprogramme sind nicht ab-, sondern eher noch aufgebaut worden, laut Fed und anderen Notenbanken kann die Wirtschaft immer noch nicht ohne extrem niedrige Zinsen zurechtkommen. Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin zu hoch für einen selbstragenden Aufschwung, viele Staaten haben keine Finanzreserven mehr.
Die Fed wünscht sich in dieser Situation ganz offen Inflation herbei. Auch in Europa zeigt der untergehende Stern von Bundesbank-Präsident Weber als Kandidat für die Nachfolge von EZB-Chef Trichet, dass "Zinsfalken" nicht erwünscht sind, die Unabhängigkeit der EZB von der Politik schon gar nicht.
Bleiben die Leitzinsen auf dem jetzigen niedrigen Niveau, kann die Inflation über Zweitrundeneffekte alsbald eine Eigendynamik entwickeln - nach dem Motto "die Geister, die ich rief, wird’ ich nicht mehr los." Werden die Leitzinsen jetzt erhöht, kann das den labilen Aufschwung der Realwirtschaft abwürgen, in jedem Fall löst es einen rasanten Abverkauf von Anleihen aus.
Der könnte aber auch so kommen: Die reale Verzinsung in den USA, Deutschland und China ist mittlerweile negativ. Das steht viel weniger im Fokus der breiten Anlegerschaft als die guten Unternehmensergebnisse, die landauf, landab öffentlich breit getreten werden. Da die Notenbanken einen geordneten Übergang zu einem höheren Zinsniveau nicht bewerkstelligen können oder wollen, droht die Gefahr, dass die Finanzmärkte selbst diese regulierende Rolle selbst übernehmen.
Zwar ist es in der aktuellen Konjunkturphase (s.o.) normal, dass Anleihen verkauft werden, aber wir haben es aktuell mit einer Rentenblase zu tun. Wenn aber der Leitwolf fehlt, rennt die Meute durcheinander. Dann entweicht die Luft nicht organisiert, sondern die Blase platzt, und dann kann es chaotisch werden.
Anzeichen für einen Rückzug von institutionellen Investoren aus dem Rentenmarkt gibt es zur Genüge. So hat Bill Gross, Pimco, schon vor einiger Zeit gesagt, dass er sich gegen amerikanische Staatsanleihen positionieren wird. In den vergangenen Tagen war zu beobachten, dass die Renditen der 10jährigen US-Treasuries an der wichtigen Marke von 3,5% Achterbahn fahren. Das Bild wird noch stark verzerrt durch Verschiebungen innerhalb des Laufzeitenspektrums hin zu höher verzinsten lang laufenden Bonds.
Der Bund-Future fällt seit Jahresbeginn von fast 126 auf aktuell 122,30, gleichzeitig steigt der Spread der Staatsanleihen in Europa. Der ETF auf den "iBoxxSovEuroZ" steigt nachhaltig (siehe Chart!). Gestern haben laut Eurointelligence einige große Investoren portugiesische Staatsanleihen verkauft, weshalb die Spreads einen neuen Rekord erreichten und die EZB hier intervenierte. Das weist zwar (auch) auf die spezifisch europäische Problematik hin, zeigt aber nur, was geschieht, wenn die Bonität von Staaten immer schlechter gesehen wird.
Gleichzeitig zeigen sich die Aktienkurse großer Unternehmen seit vielen Wochen fest. Mittlerweile ist ein sehr stark überkaufter Zustand erreicht, aber nach wie vor wird jeder kleine Rücksetzer gekauft. Vielleicht ist das ein Hinweis auf 1978 bis 1981. Damals, und das ist der Bogen zurück zum Anfang dieses Textes, zeigten die Finanzmärkte durchgängig das Muster der Phase 4 "steigende Rohstoffe, steigende Aktien, fallende Bonds". Es folgte ein "krachender Absturz" in Phase 0 ("alles fällt"), als die damalige große Kreditblase 1982 platzte.
Damit dürfte die beeindruckende Festigkeit der Aktienkurse ebenfalls ein Beleg dafür sein, dass Verschiebungen von Anleihen in Aktien stattfinden. Und sie ist ein Beleg dafür, dass Anleger Inflationsschutz suchen, den sie bei Aktien und Rohstoffen auch so lange finden, so lange noch "alles wird gut" an der realwirtschaftlichen Basis gespielt wird.
Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de/comments/MB20110211.html
© Klaus G. Singer
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