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Geht die Globalisierung Bankrott? (Teil 2/2)

19.11.2012  |  Presse
Den ersten Teil können sie hier lesen ...

Untergangspropheten. Wer profitiert?

Werden sich diese Muster erneut zeigen? Gewiss, eine neue weltweite monetäre Kontraktion könnte schon jetzt im Gange sein. Bei jeder vorhergehenden Kontraktion fielen die Aktienkurse, angeführt von einem Zusammenbruch des einst so hochfliegenden Technologiesektors. Die Kreditvergabe an die Schwellenländer versiegte, was im weiteren Verlauf für eine ganze Serie von Staatsbankrotten sorgte, und die Investoren schrien nach Schutz und Sicherheit.

Nehmen wir den Crash von 1873 als typisches Beispiel: Die damalige Entsprechung des heutigen High-Tech-Sektors waren die Märkte für Eisenbahnaktien und -anleihen. Im vorausgehenden Jahrzehnt hatte es einen regelrechten Ansturm auf neue Aktien und Anleihen gegeben, der zu Beginn der 1870er schon manische Züge angenommen hatte. In dieser Zeit stieg zudem die Kreditvergabe an Lateinamerika, Süd- und Osteuropa sowie den Nahen Osten deutlich an. Schon Jahre vor dem Crash hatten Wall-Street-Veteranen ihre Nervosität hinsichtlich der Marktexzesse zu Ausdruck gebracht. Doch sie wurden von der Überschwänglichkeit der Investoren, die den unendlichen Verheißungen der Eisenbahn, zuhause wie im Ausland, Glauben schenkten, beiseitegeschoben; befördert wurde diese Überschwänglichkeit auch durch den steigende Einfluss von Bullenmarkt-Spekulanten wie Jay Gould und Diamond Jim Brady.

Als der Markt 1873 einbrach, traf es die Eisenbahnaktien am härtesten, viele Unternehmen gingen Bankrott und mussten schließen. Große Kreditnehmer aus den Entwicklungsländern konnten keine neuen Finanzierungsquellen finden, also breiteten sich die Kreditausfälle und Schließungen innerhalb weniger Monate vom Nahen Osten auf Lateinamerika aus. In den Vereinigten Staaten erzürnten sich der Kongress und die Presse über das Verhalten der Aktienmarktspekulanten und verfolgten Finanzskandale bis hinein ins Kabinett des Präsidenten Ulysses S. Grant. Selbst Grants Schwager wurde vorgeworfen, er stecke mit einer berüchtigten Gruppe unter einer Decke, welche einen brutalen Gold-Squeeze beabsichtige.

Auch heute erleben wir wieder ganz ähnlich Dinge. Der Technologiesektor ist am Boden zerstört, die allgemeine Stimmung hat sich deutlich gegen die Wall-Street-Helden gedreht, die am meisten vom Boom profitiert hatten. Die Kreditvergabe an die Schwellenländer ist so gut wie zum Erliegen gekommen. Aktuell prognostizieren die erfahrensten Analysten, ein Schuldenausfall Argentiniens sei so gut wie sicher, er werde zudem eine Reihe weiterer Schuldenausfälle in Lateinamerika und anderen Ländern der Welt auslösen. Das Renditegefälle zwischen riskanten Anlagen auf der einen Seite und den sichersten und liquidesten Anlagen auf der anderen befindet sich auf historischen Hochständen. Kurz: Die Investoren scheinen derzeit deutlich risikoscheuer zu sein als noch vor wenigen Jahren.

Die gesunkene Risikotoleranz ist kein gutes Zeichen für die armen Nationen. Wie sich mit Blick auf die Vergangenheit zeigt, erzielen Entwicklungsländer nur in Zeiten enormer Kapitalflüsse Wirtschaftswachstum, welches wiederum nur solange anhält, wie die liquiditätsgetragenen Asset-Booms an den Finanzmärkten der reichen Länder fortdauern. Wird der internationale Konsens, der die Globalisierung trägt, auch dann noch halten, wenn die Kapitalflüsse aussetzen?

Die Aussichten sind nicht sehr positiv. Zwar herrscht in vielen Kreisen noch breite Unterstützung für den Freihandel, wirtschaftliche Liberalisierung, technischen Fortschritt und freie Kapitalflüsse (auch wenn deren soziale und psychische Kosten erkannte werden), doch schon jetzt spüren wir eine starke politische Reaktion, die sich gegen die Globalisierung richtet. Diese Gegenreaktion schlägt sich wiederum in der Rückkehr populistischer Bewegungen in Lateinamerika nieder, wie auch in Straßenschlachten in Seattle, Prag und Quebec und in der Ernüchterung, die man in manchen Kreisen aufgrund von Störungen und Unsicherheiten als Folgen der Globalisierung verspürt.

Auch Staatsführer bringen sich gegen die Globalisierung in Position - von Präsident Hugo Chavez in Venezuela bis hin zum malaysischen Premierminister Mahathir bin Mohamad, aber auch Lori Wallach, Welthandelsgegner aus den USA. Diese Opposition sollte nicht ohne weiteres ignoriert werden, so zweifelhaft und angreifbar auch einige ihrer Argumente scheinen mögen. Die Logik ihrer Argumente wird am Ende vielleicht nicht das Entscheidende sein, sondern eher der Umstand, dass die globale monetäre Kontraktion den politischen Konsens (der teilweise zur Rechtfertigung der weitreichenden und manchmal verheerenden sozialen Veränderungen im Rahmen der Globalisierung notwendig war) in sein Gegenteil verkehrt.




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