Bullen stark genug?
27.02.2011 | Klaus Singer
Die Aktienindices in den entwickelten Industrieländern werden seit September 2010 angetrieben durch die "alles-wird-gut"-Zuversicht, dass die wirtschaftliche Erholung über eine "Korrektur der Korrektur" hinausgeht.
Nach dem offenen Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 war die Realwirtschaft in die sprichwörtliche "Kiste" gesprungen. Als klar wurde, dass die Finanzkrise (noch) nicht das Ende der (finanzkapitalistischen) Welt eingeläutet hatte, setzte eine Gegenbewegung ein. Die Übertreibung nach unten wurde korrigiert. Das war im Frühjahr 2010 so weit erledigt und alsbald kamen Befürchtungen auf, die US-Wirtschaft könnte in eine Rezession zurückfallen.
Die Angst vor dem "double dip" löste sich auf, als die Fed im September 2010 massive geldpolitische Maßnahmen ankündigte. Anfang November wurde "QE2" dann gestartet, woraufhin die Aktienmärkte eine kleine konsolidierende Pause einlegten.
Anfang Dezember starteten die Bullen erneut durch und spätestens seit Mitte Januar waren die Märkte nach allen Regeln der Kunst "überkauft". Die Dips wurden größer, aber immer rasch wieder gekauft. Fast schien so, als ob sie sogar immer aggressiver gekauft wurden. So ging das Spiel bis zum Beginn dieser Woche.
Das Verhalten erklärt sich durch die weiterhin noch vorhandene Makro-Zuversicht und durch Phantasie einer Inflation in der Frühphase. So weit die notwendige positive Rahmen-Bedingung für die Aktienmärkte. Dass zahlreiche Akteure mit ihren, Fed-sei-Dank reichlichen liquiden Mitteln an der Seitenlinie stehen, liefert die hinreichende Bedingung. Beide Umstände haben für das starke bullische Bewegungsmomentum der Märkte gesorgt und damit dafür, dass jeder Kursrutsch als Kaufgelegenheit angesehen wurde.
Jetzt stellt sich die Frage, ob die zu häufige Wiederholung des "Buy-the-dip"-Vorgangs nicht zur "Ermüdung" und damit letztlich zum Abwarten führt - mit der Konsequenz, dass Einbrüche nicht mehr unbedingt als sofortige Einstiegschance gesehen werden. Dann verliert der Markt aber sein Bewegungsmomentum und damit wiederum steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu größeren Gewinnmitnahmen kommt. Einstiegswillige Akteure auf der Seitenlinie sagen sich dann, warum soll ich heute kaufen, wenn es morgen billiger ist.
Die mehr als gerechtfertigte Volksbewegung im arabischen Raum wirkt momentan als "externe Störung" auf die Finanzmärkte. Sie kam zwar nicht vom Grundsatz, wohl aber vom Zeitpunkt überraschend und hat deshalb das Zeug, als Katalysator für zumindest eine ausgedehntere Konsolidierung zu dienen.
Nachdem die "Märkte" bei Tunesien und auch noch bei Ägypten davon ausgingen, dass das Geschehen lokal und ohne nennenswerte Auswirkung auf die Weltwirtschaft bleibt, sieht es spätestens mit Libyen anders aus. Das Land ist ein wichtiger Ölexporteur. Saudi-Arabien hat zwar seine Bereitschaft signalisiert, etwaige Ausfälle von Öllieferungen aus Libyen auszugleichen.
Die Befürchtung wächst aber, dass auch in Saudi-Arabien, dem größten Ölexporteur, Unruhen ausbrechen könnten. Nicht zufällig hat der saudische König in dieser Woche nach seiner Rückkehr aus den USA, wo er angeblich aus medizinischen Gründen weilte, Reformen und Finanzspritzen im Umfang von bis zu 30 Mrd. Euro in Wohnungsbau, Bildung und Sozialwesen angekündigt.
Nicht weiter verwunderlich, dass die Ölpreise in dieser Woche stark angestiegen sind. Öl Brent touchierte gestern intraday den Pegel von 120 Dollar. Die Differenz zum Preis der Sorte WTI hat sich weiter ausgedehnt, sie kostet mittlerweile wieder unter 100 Dollar.
Mohamed El-Erian, PIMCO, warnt vor den Folgen eines explodierenden Ölpreises, der ein neuer Schock für die Wirtschaft werden könnte. Höhere Ölpreise erhöhen die Produktionskosten und ziehen Kaufkraft vom übrigen privaten Konsum ab. Die momentan sowieso nicht eben überschäumende Erwartung hinsichtlich Konsumfreude ist schön zu sehen im Schwäche zeigenden Kursverlauf des ETF "Stoxx600Retail" (siehe Chart!).
Die westlichen Staaten hätten kaum Möglichkeiten, diesen Schock abzufedern. Die Wirkung der Konjunkturprogramme läuft aus, zugleich fehlen staatschuldenbedingt die Mittel, neue zu finanzieren. Wegen der höheren Rohstoffpreise steigt die Inflationsgefahr und da die kaufkräftige Nachfrage der Verbraucher immer noch gedrückt ist, fehlt die Preismacht der Unternehmen – ihre Gewinne kommen unter Druck.
An welch kritischem Punkt wir angelangt sind, wird deutlich, wenn man sich auf Produzentenebene das Verhältnis zwischen den Preisindices für Rohmaterial und Fertigerzeugnisse ansieht (siehe Chart! - braune Linie). Das liegt aktuell bei 1,3, ein Wert der in den vergangenen mehr als 40 Jahren nur ausnahmsweise erreicht wurde, und zwar 1973/1974 in Verbindung mit dem damaligen Ölpreisschock und Ende 2005. Anfang 2008 stieg dieses Verhältnis stark über diese Schwelle und kippte Mitte des Jahres ab, als Öl Brent bei 145 Dollar sein Topp bildete. Nebenbei bemerkt zeigt das auch, dass die Finanzkrise die Realwirtschaft zu einem Zeitpunkt erwischte, als diese durch explodierende Rohstoffpreise selbst in Bedrängnis kam.
Schaut man sich das Verhältnis der Wachstumsraten von Erzeuger- und Verbraucherpreisen an, so lässt das ohnehin nur den Schluss zu, dass die Lage an der Preisfront seit Mitte 2000 mehr "ungesund" als "gesund" sind (siehe Chart!).
Nach dem offenen Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 war die Realwirtschaft in die sprichwörtliche "Kiste" gesprungen. Als klar wurde, dass die Finanzkrise (noch) nicht das Ende der (finanzkapitalistischen) Welt eingeläutet hatte, setzte eine Gegenbewegung ein. Die Übertreibung nach unten wurde korrigiert. Das war im Frühjahr 2010 so weit erledigt und alsbald kamen Befürchtungen auf, die US-Wirtschaft könnte in eine Rezession zurückfallen.
Die Angst vor dem "double dip" löste sich auf, als die Fed im September 2010 massive geldpolitische Maßnahmen ankündigte. Anfang November wurde "QE2" dann gestartet, woraufhin die Aktienmärkte eine kleine konsolidierende Pause einlegten.
Anfang Dezember starteten die Bullen erneut durch und spätestens seit Mitte Januar waren die Märkte nach allen Regeln der Kunst "überkauft". Die Dips wurden größer, aber immer rasch wieder gekauft. Fast schien so, als ob sie sogar immer aggressiver gekauft wurden. So ging das Spiel bis zum Beginn dieser Woche.
Das Verhalten erklärt sich durch die weiterhin noch vorhandene Makro-Zuversicht und durch Phantasie einer Inflation in der Frühphase. So weit die notwendige positive Rahmen-Bedingung für die Aktienmärkte. Dass zahlreiche Akteure mit ihren, Fed-sei-Dank reichlichen liquiden Mitteln an der Seitenlinie stehen, liefert die hinreichende Bedingung. Beide Umstände haben für das starke bullische Bewegungsmomentum der Märkte gesorgt und damit dafür, dass jeder Kursrutsch als Kaufgelegenheit angesehen wurde.
Jetzt stellt sich die Frage, ob die zu häufige Wiederholung des "Buy-the-dip"-Vorgangs nicht zur "Ermüdung" und damit letztlich zum Abwarten führt - mit der Konsequenz, dass Einbrüche nicht mehr unbedingt als sofortige Einstiegschance gesehen werden. Dann verliert der Markt aber sein Bewegungsmomentum und damit wiederum steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu größeren Gewinnmitnahmen kommt. Einstiegswillige Akteure auf der Seitenlinie sagen sich dann, warum soll ich heute kaufen, wenn es morgen billiger ist.
Die mehr als gerechtfertigte Volksbewegung im arabischen Raum wirkt momentan als "externe Störung" auf die Finanzmärkte. Sie kam zwar nicht vom Grundsatz, wohl aber vom Zeitpunkt überraschend und hat deshalb das Zeug, als Katalysator für zumindest eine ausgedehntere Konsolidierung zu dienen.
Nachdem die "Märkte" bei Tunesien und auch noch bei Ägypten davon ausgingen, dass das Geschehen lokal und ohne nennenswerte Auswirkung auf die Weltwirtschaft bleibt, sieht es spätestens mit Libyen anders aus. Das Land ist ein wichtiger Ölexporteur. Saudi-Arabien hat zwar seine Bereitschaft signalisiert, etwaige Ausfälle von Öllieferungen aus Libyen auszugleichen.
Die Befürchtung wächst aber, dass auch in Saudi-Arabien, dem größten Ölexporteur, Unruhen ausbrechen könnten. Nicht zufällig hat der saudische König in dieser Woche nach seiner Rückkehr aus den USA, wo er angeblich aus medizinischen Gründen weilte, Reformen und Finanzspritzen im Umfang von bis zu 30 Mrd. Euro in Wohnungsbau, Bildung und Sozialwesen angekündigt.
Nicht weiter verwunderlich, dass die Ölpreise in dieser Woche stark angestiegen sind. Öl Brent touchierte gestern intraday den Pegel von 120 Dollar. Die Differenz zum Preis der Sorte WTI hat sich weiter ausgedehnt, sie kostet mittlerweile wieder unter 100 Dollar.
Mohamed El-Erian, PIMCO, warnt vor den Folgen eines explodierenden Ölpreises, der ein neuer Schock für die Wirtschaft werden könnte. Höhere Ölpreise erhöhen die Produktionskosten und ziehen Kaufkraft vom übrigen privaten Konsum ab. Die momentan sowieso nicht eben überschäumende Erwartung hinsichtlich Konsumfreude ist schön zu sehen im Schwäche zeigenden Kursverlauf des ETF "Stoxx600Retail" (siehe Chart!).
Die westlichen Staaten hätten kaum Möglichkeiten, diesen Schock abzufedern. Die Wirkung der Konjunkturprogramme läuft aus, zugleich fehlen staatschuldenbedingt die Mittel, neue zu finanzieren. Wegen der höheren Rohstoffpreise steigt die Inflationsgefahr und da die kaufkräftige Nachfrage der Verbraucher immer noch gedrückt ist, fehlt die Preismacht der Unternehmen – ihre Gewinne kommen unter Druck.
An welch kritischem Punkt wir angelangt sind, wird deutlich, wenn man sich auf Produzentenebene das Verhältnis zwischen den Preisindices für Rohmaterial und Fertigerzeugnisse ansieht (siehe Chart! - braune Linie). Das liegt aktuell bei 1,3, ein Wert der in den vergangenen mehr als 40 Jahren nur ausnahmsweise erreicht wurde, und zwar 1973/1974 in Verbindung mit dem damaligen Ölpreisschock und Ende 2005. Anfang 2008 stieg dieses Verhältnis stark über diese Schwelle und kippte Mitte des Jahres ab, als Öl Brent bei 145 Dollar sein Topp bildete. Nebenbei bemerkt zeigt das auch, dass die Finanzkrise die Realwirtschaft zu einem Zeitpunkt erwischte, als diese durch explodierende Rohstoffpreise selbst in Bedrängnis kam.
Schaut man sich das Verhältnis der Wachstumsraten von Erzeuger- und Verbraucherpreisen an, so lässt das ohnehin nur den Schluss zu, dass die Lage an der Preisfront seit Mitte 2000 mehr "ungesund" als "gesund" sind (siehe Chart!).