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Aktienmarkt am Scheideweg? Robuste Konjunktur trotz höherer politischer Risiken

01.03.2011  |  Carsten Klude
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Ein einziges Ereignis kann dann ausreichen, um die Stimmung im Land umschlagen zu lassen und Massendemonstrationen oder Unruhen auszulösen. Wir halten es nicht für ausgeschlossen, dass die Revolutionen in Tunesien und Ägypten auch in anderen Ländern als Vorbild genommen werden, um im eigenen Land Veränderungen zu fordern. Der Ölpreis ist zwar in den letzten Tagen gestiegen, wir sehen den Anstieg aber noch nicht als kritisch an. Denn bisher ist unklar, ob es sich um eine dauerhafte Verknappung des Angebots handelt oder um eine dauerhafte Erhöhung der politische Unsicherheiten. Denn dann würden die Ölpreise vermutlich weiter steigen und hoch bleiben. Sollte sich die Situation aber entspannen, dann halten wir es für wahrscheinlich, dass die Preise wieder etwas fallen.

Dennoch stellt sich natürlich die Frage, ob es einen "kritischen" Ölpreis gibt, ab dem die Konjunktur in Mitleidenschaft gezogen wird, und wie sich Anleger positionieren können, wenn sie einen weiteren Ölpreisanstieg erwarten. Auch wenn steigende Ölpreise tendenziell negativ auf die Konjunktur wirken, gibt es aus unserer Sicht keinen kritischen Ölpreis, der per se als konjunkturgefährdend gelten muss. So hat die Ölintensität in vielen entwickelten Volkswirtschaften in den vergangenen Jahren abgenommen. Mit der Ölintensität wird gemessen, wie viel Öl eingesetzt werden muss, um einen Euro Wirtschaftsleistung zu produzieren.

Die Wirtschaft in den Industrieländern ist energieeffizienter geworden und die Toleranz gegenüber höheren Ölpreisen dürfte daher weiter zugenommen haben. Ob dies auch für die Schwellenländer und die Welt insgesamt gilt, lässt sich unseres Erachtens aber nicht genau sagen. Wir halten es für wahrscheinlich, dass die Schwellenländer (die nicht zu den Ölförderern gehören) stärker unter steigenden Ölpreisen leiden dürften, auch weil der Anteil an energieintensiver Industrie deutlich höher ist als in den Industrieländern. Andererseits ist die Konjunktur - wie oben beschrieben - selbst einer der wesentlichen Treiber der Nachfrage nach Öl und damit eine der wichtigsten Bestimmungsgrößen für den Ölpreis. Steigende Ölpreise können damit auch einfach auf eine anziehende Konjunktur hindeuten, so dass sie nicht per se eine negative Auswirkung auf die Konjunktur haben.

Aus diesem Grund haben wir zunächst den konjunkturbedingten Preiseffekt aus dem Ölpreis herausgerechnet. Übrig bleibt ein bereinigter Ölpreis, der von Spekulation, Veränderungen der politischen Lage und strukturellen Nachfrage und Angebotsänderungen bestimmt wird, nicht aber von Nachfrageschwankungen aufgrund der konjunkturellen Situation. Dieser bereinigte Ölpreis ist besonders im letzten Monat kräftig angestiegen und reflektiert damit eben jene gestiegenen politischen Risiken, deren Einfluss auf die Unternehmen wir herausstellen wollen.

Den bereinigten Ölpreis haben wir mit den berichteten Umsätzen und Gewinnen (EBIT) der Unternehmen aus dem Stoxx 600 verglichen. Da es sich um europäische Unternehmen handelt, haben wir mit dem bereinigten Ölpreis in Euro gerechnet. Erwartungsgemäß steigen die Umsätze an, wenn der bereinigte Ölpreis steigt, weil die Unternehmen die gestiegenen Kosten zumindest teilweise weitergeben können. Besonders hoch fällt dieser Effekt unmittelbar in den Sektoren Chemie, Konsum und Versorger aus. Der Umsatzeffekt entfaltet seine volle Wirkung allerdings erst in den beiden darauf folgenden Quartalen: Dann steigen die Umsätze bei fast allen Sektoren, in denen Rohstoffe verarbeitet und gefördert werden.

Wir halten die verzögerte Reaktion der Umsätze für plausibel, weil viele Unternehmen ihre Preise gegenüber den Kunden nicht sofort anpassen können. Unternehmen sind teilweise an langfristige Lieferverträge gebunden oder können und wollen - wie zum Beispiel im Einzelhandel - Preise nur periodisch anpassen. Preisänderungen bei Öl haben dagegen kaum Auswirkungen auf die Umsätze von Banken, Finanzdienstleistern und Versicherungen. Auch die Umsätze des Immobiliensektors reagieren kaum auf eine Änderung des bereinigten Ölpreises.

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Bei den Unternehmensgewinnen ergeben unsere Auswertungen dagegen zunächst ein etwas überraschendes Ergebnis: Wenn der um Konjunktureinflüsse bereinigte Ölpreis steigt, hat dies zunächst einen positiven Effekt auf die Unternehmensergebnisse. Besonders deutlich tritt dies auf bei Unternehmen aus den Bereichen Chemie, Grundstoffe und bei den Ölunternehmen selbst. Auch dieses Ergebnis erscheint uns aber letztlich plausibel. Denn viele Unternehmen sichern sich an den Terminmärkten gegen kurzfristige Preisschwankungen bei Rohstoffen ab, so dass Preisänderungen erst mit Verzögerungen auf den Gewinn durchschlagen. Erst nach einem halben bis dreiviertel Jahr treten die negativen Ergebniseinflüsse der höheren Ölpreise voll zu Tage.

Automobil-, Chemie und Grundstoffwerte zeigen in unseren Auswertungen dann den stärksten negativen Ergebniseffekt. Kaum betroffen von einem Ölpreisanstieg sind dagegen die Bereiche Finanzdienstleistungen, Gesundheit, Industriegüter und Medien. Wirklich profitieren konnte von den höheren Ölpreisen in der Vergangenheit nur der Sektor Öl und Gas.




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