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Detlev Schlichter: Monetäre Grundprinzipien und inflationäre Depression (Teil 1/2)

06.12.2012  |  Presse
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Was fehlte, war meiner Meinung nach eine fundamentale Analyse der Papiergeldsysteme, die die Grundprinzipien hinterfragt: Was ist Geld? Warum benutzen wir es? Was ist Geldbedarf und wie kann er einem freien Markt befriedigt werden? Was macht gutes Geld aus? Ich wollte meine Argumentation so streng logisch wie möglich halten und zu so unausweichlichen und zwingenden Schlussfolgerungen gelangen, dass der Leser entweder Fehler in meiner Argumentation finden muss - ich glaube aber nicht, dass es die gibt - oder aber die Schlussfolgerung akzeptieren muss, welche lautet, dass unser derzeitiges Papiergeldsystem entbehrlich, suboptimal, instabil und untragbar ist.

Die Argumentation folgt Mises, richtet sich aber nicht in erster Linie an diejenigen, die sich mit Österreichische Schule der Nationalökonomie auskennen, sondern eher an Leute, mit denen zusammenarbeitete: Finanzmarktprofis, Mainstream-Ökonomen, die im Allgemeinen an die Tragfähigkeit und sogar an die Überlegenheit des aktuellen Systems glauben. Ich wende Mises Arbeit auf das ungezügelte Fiat-Geldsystem der heutigen Zeit an und versuche auf diesem Weg, weitverbreitete Fehlannahmen bezüglich Geld und Zentralbankenwesen in Frage zu stellen. Ich glaube aber, in aller Bescheidenheit, sagen zu dürfen, dass "Paper Money Collapse“ mehr als nur eine Umformulierung der Theorien der Österreichischen Wirtschaftsschule darstellt. Das Buch wartet mit neuen Einsichten und Ansätzen auf.


Daily Bell: Sie sind wissenschaftliches Mitglied des "Cobden Centre“ in London - eine Denkfabrik, die sich den freien Märkten widmet und zu den Themen Geld-Emission und Banking forscht. Was ist Ihre Aufgabe dort?

Detlev Schlichter: Das Cobden Centre ist Wohltätigkeitsorganisation mit eigenem Bildungsauftrag, die für ehrliches Geld, Freihandel und Frieden eintritt. Wir wollen vor allem unseren Anteil zur Debatte über Geld und Bankenwesen leisten und auch den Rahmen der Debatte verschieben. Das Cobden Centre hat mich unterstützt, indem es mir half, meine Arbeit und meine Ansichten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ich habe auf vielen Veranstaltungen gesprochen, die vom Cobden Centre organisiert wurden. Innerhalb der Organisation habe allerdings keine besondere Funktion oder einen bestimmten Posten.

Mir dient sie hauptsächlich als relativ loses Netzwerk gleichgesinnter Menschen. Natürlich haben wir auch Meinungsverschiedenheiten, wir teilen aber dieselben Grundprinzipien. Nicht jeder, der mit dem Cobden Centre in Verbindung steht, ist auch ein Vertreter der Österreichischen Schule, innerhalb der Gruppe gibt es jedoch eine starke Tendenz zu den "Österreichern“ - wahrscheinlich stärker als in jeder anderen Freimarkt-Denkfabrik in Großbritannien. Ein politische Agenda oder parteipolitische Zugehörigkeit gibt es nicht, was ich persönlich schätze.


Daily Bell: Sie leben in London. Können Sie uns erzählen, was Sie aktuell von Großbritannien und London als Finanzstandort denken?

Detlev Schlichter: Ich lebe seit 16 Jahren in Großbritannien, es ist meine Heimat und die meiner Familie geworden. London ist eine fantastische Stadt und wir sind glücklich, hier zu leben. Was die allgemeinen Zukunftsaussichten des Landes betrifft, bin ich sehr pessimistisch, aber das trifft genauso auf die meisten anderen europäischen Staaten und die USA zu. Alle fortgeschrittenen Sozialstaat-Demokratien sind auf dem Weg in den Bankrott. Der Fiat-Geld-Boom ist zu Ende und die Schuldenstände sind keinesfalls mehr tragfähig, die inhärenten Widersprüche des modernen Wohlfahrtsstaates lassen sich nicht mehr verbergen. Große Teile der Bevölkerung sind zu Nettoempfängern staatlicher Leistungen geworden; mit ihren Wahlentscheidungen werden sie in der Tendenz also die Fortsetzung und sogar eine Ausweitung staatlicher Programme unterstützen. Das ist fast überall der Fall. In Großbritannien kommt zudem noch eine hohe Privatverschuldung hinzu.

Wenn sich die Krise intensiviert, wird der Staat überall auf der Welt stärker in die Märkte eingreifen und auch in die persönlichen Leben. Die Freiheitsrechte werden schon jetzt überall angegriffen. Der Staat wird Pleite gehen, paradoxerweise wird er sich aber mithilfe von noch mehr Regulierungen und Gesetzen weiter Geltung verschaffen.

Heißt das, dass ich irgendwann von hier wegziehe? Vielleicht. Die Schweiz hat in dieser Hinsicht weniger Probleme und könnte auf absehbare Zeit einen anderen politischen Kurs fahren. Eine Rückkehr nach Deutschland ist hingegen keine wirkliche Option, denke ich. Auch wenn das Land in der letzten Zeit gute Presse bekommt, so hat es doch massive strukturelle Probleme; in Deutschland herrscht zudem eine tiefverwurzelte Neigung, Hilfe vom Staat zu fordern, wenn sich die Situation verschlechtert.

Meine Hoffnung ist, dass in der britischen Öffentlichkeit immer noch etwas von der alten klassisch-liberalen Tradition und dem Willen zur Toleranz weiterlebt. Diese Qualitäten werden in der kommenden Krise benötigt. Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht naiv, aber ich werde vorerst hier bleiben. Wir stehen vor einem globalen Chaos, und es gibt keine einfachen Auswege.

In meinem Szenario wird die City of London schwer zu kämpfen haben.


Daily Bell: Glauben Sie an Verschwörungsgeschichte? Glauben Sie, dass mächtige Bankerfamilien die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich von London aus kontrollieren?

Detlev Schlichter: Ich glaube nicht, dass mächtige Familien aus London die BIZ kontrollieren; und als Ökonom halte ich mich von "Verschwörungstheorien“ sowieso fern. Warum, werde ich gleich erklären. Natürlich darf man daraus nicht gleich schlussfolgern, dass Verschwörungen an sich nicht existieren würden.

Die Frage lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Es wäre naiv von mir, zu glauben, dass alle Strategien und Beweggründe für politische Maßnahmen oder geschäftliche Absprachen komplett einsichtig und transparent wären, dass öffentliche Aussagen und Nachrichten immer korrekt und vollständig seien, dass es nie geheime Ziele oder Abmachungen hinter verschlossen Türen gäbe und dass man alles, was in den Medien berichtet wird, für bare Münze nehmen könnte. Wer sich nur ein wenig mit der Geschichte auskennt, oder eben mit dem menschlichen Wesen, der weiß auch, dass die Welt so nicht funktioniert. Vom anderen Extrem auszugehen, wäre aber genauso wahnwitzig - d.h. dass rein gar nichts für bare Münze genommen werden könnte, dass hinter jeder politischen Maßnahme oder hinter jeder offiziellen Aussage ein geheimer Plan, eine geheime Agenda oder irgendein Masterplan stecken würde.




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