Detlev Schlichter: Monetäre Grundprinzipien und inflationäre Depression (Teil 1/2)
06.12.2012 | Presse
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Ich denke, die meisten vernünftigen Menschen werden sich irgendwo in der Mitte verorten. Man sollte skeptisch sein und nicht alles, was von den Medien berichtet wird, für bare Münze nehmen. Man sollte geistesgegenwärtig bleiben und sich eine unabhängige Position bewahren. Ich glaube nicht, dass unsere "Geschichte“ von geheimen Verbindungen organisiert und gelenkt wird. Viele Dinge - selbst große Dinge - passieren tatsächlich zufällig. Nicht alles folgt einem Plan. Die Welt ist chaotischer, als die meisten denken. Auf der anderen Seite ist aber auch nicht alles so, wie es scheint.Aber als Ökonom muss ich mich von Verschwörungstheorien insgesamt fernhalten. Es existiert ein ganzes Theoriegebilde, das erklärt, warum Fiat-Geld funktionieren kann und warum es dem "harten“ Geld, wie z.B. Gold, überlegen ist, und es wird von vielen sehr intelligenten und wohlmeinenden Ökonomen geteilt. Ich halte diese Theorien für falsch und die Schlussfolgerungen für unzutreffend, dennoch muss ich ausschließlich auf theoretischem Niveau argumentieren. Ich versuche beispielsweise nicht, die Zentralbanker zu diskreditieren, indem ich suggeriere, die Banker hätten die Zentralbanker unter Kontrolle. Und selbst wenn mir jemand Beweise dafür brächte, könnte ich sie für meine Arbeit als Ökonom nicht benutzen.
Meine Kritik am Zentralbankenwesen ist nicht politischer Natur und auch niemals eine Kritik an beteiligten Personen. Ich kritisiere die Theorien und Ideen, die hinter diesen Institutionen stecken. Selbst wenn eine Zentralbank von der vernünftigsten, intelligentesten, unparteiischsten und unpolitischsten Person geleitet würde, so ließe sich immer noch feststellen, dass das Zentralbankenwesen an sich nicht funktioniert. Meine Kritik am unserem Finanzsystem ist nicht die, dass es von den falschen Personen geführt wird, dass es von gierigen Bankern missbraucht wird oder dass es von dunklen Schattenmächten manipuliert wird. Meine Kritik ist, dass dieses System schon auch sich heraus nicht funktioniert.
Das ist der richtige Ansatz für einen Ökonomen, obwohl ich manchmal fürchte, dass mich das - außerhalb der intellektuellen Debatte, im wirklichen Leben - zu leichtgläubig macht, und zu wenig misstrauisch gegenüber Hintergedanken.
Daily Bell: Erzählen Sie uns mehr über Ihr Buch "Paper Money Collapse“. Es liefert eine grundlegende Analyse der Fiat-Geldsysteme im Allgemeinen und unseres aktuellen Systems im Besonderen. Inwieweit?
Detlev Schlichter: Wie ich schon zuvor gesagt hatte, geht das Buch auf die Grundprinzipien zurück - auf Fragen wie: Was ist Geld, wozu dient es, warum benutzen wir es? Von diesem Punkt aus lässt sich dann der häufig benutzte, aber meistens missverstandene Begriff "Geldbedarf“ definieren. Geld ist schlicht und einfach das fungibelste Gut in einer Wirtschaft - jenes Gut, das jede erdenkliche Anzahl von Transaktionen erleichtern kann und ohne weiteres akzeptiert wird, und zwar nicht, weil es irgendwelche Bedürfnisse direkt befriedigen könnte oder irgendeinen Gewinn abwerfen würde, sondern weil es schnell und flexibel wieder eingetauscht werden kann.
Man kann sich ja selbst die Frage stellen: Warum halte ich einen Teil meines Vermögens in Form von Geld? Weil ich die einzigartige Flexibilität, die nur Geld bieten kann, schätze. Wenn man Geldbedarf hat, dann heißt dass, dass man Bedarf an Kaufkraft in Geldform hat. Es geht dabei nicht darum, dass man unbedingt eine bestimmte Anzahl von Geldnoten oder eine ganz bestimmte Goldmenge halten möchte - die Sache allein bringt einem nichts. Hier geht es um die "Ausgabeflexibilität“, die man bekommt und um den gewünschten Tauschwert.
Allein diese Feststellung zieht schon gewichtige Schlussfolgerungen nach sich: Eine wachsende Wirtschaft braucht kein wachendes Geldangebot. Wenn Menschen mehr Geldbedarf haben, dann verkaufen sie nicht-monetäre Güter (oder reduzieren ihre Geldausgaben für nicht monetäre Güter) und häufen Geldbestände an. Im Verlauf dessen steigt der "Preis“ (der Tauschwert) des Geldes. Dieselbe physische Geldmenge verschafft jetzt allen mehr Ausgabeflexibilität. Dieser Prozess - ein natürlicher Marktprozess - befriedigt automatisch den steigenden Geldbedarf.
Geld ist ein Tauschmittel, und es liegt eben in der Natur eines Tauschmittels, dass jede gegebene Tauschmittelmenge (innerhalb sinnvoller Grenzen) ausreichend und sogar optimal ist, um beliebig viele Transaktionen zu erleichtern und jede beliebigen Zahlungsmittelbedarf zu befriedigen. Der Kauf und der Verkauf von Geld wird dessen Tauschwert verändern und somit Nachfrage und Angebot natürlich in Einklang bringen. Man braucht keine fortlaufende Geldproduktion und man braucht keine elastischen Geldformen, wie Papiergeld. Eine wachsende Wirtschaft, die eine unveränderliche Menge einer monetären Anlage als Geld benutzt (sagen wir eine festgesetzte Goldmenge), wird möglicherweise langfristig eine moderate Deflation erleben, mehr nicht - und das ist auch kein Problem. Wir brauchen keine Geldproduzenten.
An diesem Punkt wird klar, dass die Verfechter des Papiergeldes nicht behaupten können, ihr System sei notwendig. Und jetzt müssen sie begründen, warum es notwendig ist oder inwieweit es überlegen sein kann, sie müssen Argumente dafür finden, warum die fortlaufende Ausweitung des Geldangebots positive Effekte für die Wirtschaft hat. Paper Money Collaps beginnt mit ganz einfachen Modellen erhöhter Geldzufuhr im System, die dann schrittweise immer komplexer und realistischer werden, bis wir schließlich bei unserem modernen System angekommen sind, in dem die Geldmenge durch Zentralbanken, mittels des Bankensystems und der Finanzmärkte, erhöht wird.
Die Schlussfolgerung ist meiner Ansicht nach zwingend: Die Erhöhung der Geldmenge bringt der Wirtschaft keinen dauerhaften Nutzen; sie verzerrt immer die Preisverhältnisse und führt zu einer Umverteilung von Ressourcen und verändert somit die Verteilung von Einkommen und Vermögen. Geldmengenerhöhung schafft immer Gewinner und Verlierer. In unserem modernen System verursacht sie die mittelfristigen Booms, denen dann später die Krisen folgen; obgleich komplette Zusammenbrüche für gewöhnlich durch erhöhte Geldschöpfung vermieden werden, sprich monetäre "Stimuli“ der Zentralbanken in Zeiten der Rezession. In der Folge stauen sich in der Wirtschaft mit der Zeit erhebliche Kapital-Fehlallokationen und andere Ungleichgewichte auf, deren Auflösung sich nur noch durch immer mehr Gelddrucken verhindern lässt. Am Ende steht eine Währungskatastrophe.
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© Anthony Wile
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Dieser Artikel wurde am 04.11.2012 auf www.thedailybell.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.