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Nah-Ost, Japan, Atom-Katastrophe - es kommt viel zusammen

20.03.2011  |  Klaus Singer
Die Katastrophe in Japan hat die Welt durchgerüttelt und über Zehntausende unsagbares Leid gebracht. Ein Teil davon ist nicht von Menschenhand gemacht, ein anderer Teil sehr wohl.

Für die Finanzmärkte kommt gegenwärtig viel zusammen. Es begann mit den Unruhen im arabischen Raum. Dann kamen Nachrichten aus China, die befürchten lassen, dass das Land als Lokomotive der Weltwirtschaft ausfallen könnte. Dann kam das verheerende Erdbeben in Japan und die Atom-Katastrophe hinzu.

Das Aufbegehren im arabischen Raum gegen undemokratische und ausbeuterische Feudal-Regimes war im Falle Tunesien von den Finanzmärkten noch nahezu nicht beachtet worden. Als es nach Ägypten übergriff, sahen sie sogar zeitweilig eine Kaufgelegenheit. Die relative Sorglosigkeit blieb anfangs auch bestehen, als in Libyen gegen das Gaddafi-Regime protestiert wurde. Als klar wurde, dass es keine schnelle Entscheidung geben würde, begannen die Finanzmärkte zu reagieren. Die Ölpreise stiegen kräftig an, man spekulierte darauf, dass Libyen als großer Produzent längere Zeit ausfallen könnte. Jetzt greifen Proteste auf Saudi-Arabien über, dem größten Erdöl-Produzent auf der Welt. Das führte zu erhöhter Volatilität beim Preis des "schwarzen Goldes", jedoch bisher nicht zu neuen Hochs. Die Probleme in Japan, drittgrößter Öl-Nachfrager weltweit, hatten die Ölpreise zwischenzeitlich sogar deutlich gedrückt.

China hat in der Vorwoche ein Handelsbilanzdefizit gemeldet, das größte in sieben Jahren. Die Importe stiegen sehr viel stärker als die Exporte. Die höheren Rohstoff-Kosten machen sich bemerkbar, Zweifel kommen auf, ob das Wirtschaftswachstum gesund ist. Mehr noch - die Kritik bekommt neue Nahrung, dass es bei der Berechnung der Handelsbilanz nicht mit rechten Dingen zugeht, weil die in China für ausländische Auftraggeber gefertigten Export-Produkte mit einem fiktiven, d.h. überhöhten Preis angesetzt werden.

Die Märkte waren vor "Japan" schon angeschlagen - die zunehmenden Proteste im arabischen Raum hatten Befürchtungen hinsichtlich Ölversorgung und - Preisen ausgelöst. Dann kam "Japan" dazu, mit der atomaren Katastrophe entstand ein weiterer Unsicherheitsfaktor. Dies hat am Freitag vor einer Woche unmittelbar dazu geführt, dass japanische Investoren Kapital aus dem Ausland zurückgeholt haben. Dollar/Yen ist an diesem Freitag um 1,3% gesunken, Euro/Yen um 0,6%. Die in diesem Zuge verkauften Assets belasteten die Kurse zwar schon, aber die internationalen Finanzmärkte hatten bis Wochenanfang dennoch verhalten reagiert. Als Gradmesser dafür gilt für mich der Dollar, der kaum Stärke zeigte und zeigt (siehe Chart!).

Am Dienstag dieser Woche beschleunigte sich auch die Abwärtsbewegung bei Rohstoffen (auch Öl). Aktien wurden "quer durch die Bank" verkauft, am Montag war noch sehr selektiv vorgegangen worden. Da gab es gab sogar japanische Infrastrukturaktien, die am Freitag und Montag insgesamt fast 50% gewonnen haben, auch diese wurden am Dienstag stark verkauft. Der die Markbreite messende TRIN schoss am Dienstag zu US-Handelsbeginn auf 9,50 hoch: Das auf fallende Aktien entfallende Durchschnittsvolumen war fast zehn mal höher als das auf steigende. Damit war eine Panik-Situation erreicht, wie die VIX-Auswertung auch zeigt (siehe Chart!).

Am Mittwoch Abend, 22:00 unserer Zeit, erstarkte der Yen plötzlich sehr stark gegen Euro und Dollar - es wurde hier erneut Kapital abgezogen und nach Japan transferiert. Das führte dazu, dass die G7 heute früh massiv intervenierten - Dollar und Euro stiegen gegen Yen stark an.

Wie groß ist die Auswirkung von "Japan" auf die Weltwirtschaft?

Der Anteil Japans am Welthandel liegt unter 5%. Für die Wirtschaft z.B. in Europa zwingend erforderliche Güter aus Japan gibt es meiner Meinung nach nicht. Damit bleiben die Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung der meisten Länder dieser Erde verhältnismäßig gering.

Wenn das akute Stadium der Katastrophe vorbei ist, muss das Land neu aufgebaut werden. Die Überlebenden wollen weiterleben und zwar nicht in der Steinzeit. D.h. Japan benötigt zum Wiederaufbau eine enorme Wirtschaftsleistung, die zum Teil aus dem Land selbst, zum Teil aus dem Ausland kommt. Der Wiederaufbau sorgt für Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen aller Art, belebt also die Konjunktur, sorgt für (zusätzliche) Unternehmensgewinne. Und das nicht nur in Japan, sondern auch
im Ausland.

Im Unterschied zur Finanzkrise des Herbstes 2008 haben wir es in Japan mit einer Krise zu tun, die es in der einen oder anderen Form in den vergangenen 50 Jahren mehrfach gegeben hat, wenn auch nicht in der Schwere. Im Gegensatz zur Finanzkrise, die das Herz des Finanzkapitalismus betraf, findet diese Krise in der Realwirtschaft statt.




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