Inflation und Hyperinflation (Teil 2)
23.03.2011 | John Mauldin
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Probleme der InflationDer Gedanke, dass sich hochverschuldete Länder per Inflation ihren Weg aus den eigenen haushaltspolitischen Problemen bahnen können, ist ein durchaus verlockender. Inflation würde den realen Wert der Schulden nach und nach auflösen. Schulden sind fix, aber Arbeiter, Unternehmen und Regierungen könnten höhere Einnahmen generieren, ließen sich Löhne und Preise an die Inflation koppeln. Der größte Nachteil hoher Inflation oder von Hyperinflation ist jedoch, dass die meisten Menschen aufgrund sinkender realer Einkommen ärmer werden. Wenn wir uns die realen Einkommen anschauen, sehen wir, wie jene Perioden hoher Inflation (zum Beispiel in den späten 70ern und in den vergangen Jahren) zu sinkenden Reallöhnen geführt haben. Auf der anderen Seite haben Perioden der Disinflation und der Deflation zu zeitweise positiven Realwachstum der Löhne geführt. Kurz: Die Preise steigen schneller als die Löhne, und die Dinge, die man kaufen muss, verteuern sich in der Tendenz schneller als die Löhne steigen (siehe Abbildung 8.7).
Will man sich der Inflation bedienen, um den realen Wert der Schulden verschwinden zu lassen, so stellen sich hier drei Hauptprobleme: Investoren würden selbst eine versteckte Inflationspolitik erkennen und schnell die Umlaufrenditen in die Höhe treiben. Weltweit haben viele Staaten Renten und Löhne an die Inflationsindizes gekoppelt, die steigenden staatlichen Ausgaben würden also zusammen mit der Inflation weiter steigen. In den USA ist fast die Hälfte der staatlichen Aufwendungen an die Inflationsraten gekoppelt, steigende Inflation würde also auch steigende Defizite bedeuten. Die Sozialversicherung, auf die ca. 25% der bundesstaatlichen Aufwendungen entfallen, ist offiziell an die Inflation gekoppelt, und Medicare und Medicaid sind inoffiziell an diese gekoppelt.
Schätzungen des Congressional Budget Office (CBO) zufolge werden die Ausgaben für diese drei Programme, über den Zeitraum von 2009 bis 2020 gerechnet, 72% des Wachstums der bundesstaatlichen Gesamtaufwendungen ausmachen - und ihr Anteil am Schuldenwachstum wird in etwa genauso hoch liegen. Und die Schätzungen der CBO sind im besten Fall konservativ, denn bei den Berechungen für das Medicare-Programm ist die CBO laut geltenden Bestimmungen dazu angehalten, von deutlichen Einschnitten bei der Ärztevergütung auszugehen. Seit 2003 wurden diese Einschnitte nun schon regelmäßig aufgeschoben. Jeder Anstieg der Inflationsraten wird den Wert der bestehenden Schulden unterminieren, aber er wird auch die zukünftigen Defizite viel stärker ansteigen lassen und die reale Schuldenlast anteilig am BIP am Ende möglicherweise sogar noch steigen lassen. Das CBO schätzt, dass die Inflation in den kommenden 10 Jahren mit einem Prozentpunkt über den eigens hochgerechneten Inflationsraten liegen wird; auf diese Jahre gerechnet würden die Haushaltsdefizite dann insgesamt um knapp 700 Milliarden $ steigen.
Hyperinflation in der Vereinigten Staaten?
Der Kongress hat kein Problem damit, mehr Geld auszugeben als ein betrunkener Seemann auf Landgang; und die Federal Reserve reagiert auf jedes Problem mit erhöhter Bereitstellung von Liquidität. Angesichts dieser bedauernswerten Dynamik stellt sich folgende Frage: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Vereinigten Staaten von steigender Inflation und Hyperinflation betroffen sein werden? Wer könnte diese Frage besser beantworten als der weltweit führende Experte zum Thema Hyperinflation? In Anbetracht aller haushaltspolitischen Probleme als auch der geldpolitischen Reaktionen darauf, sieht Bernholz viele potentielle Probleme anstehen, doch aktuell sieht er noch keine Gefahr in den Vereinigten Staaten.
"Aber könnte sich die Inflation in den USA nicht auch zu einer Hyperinflation ausweiten? Ich glaube nicht. Zwar stimmt es, dass aus historischer Sicht Hyperinflationen durch Haushaltsdefizite verursacht werden, bei denen die staatlichen Ausgaben zu 40% oder mehr über Kredite finanziert werden, aber im Buch "Monetary Regimes and Inflation" wurde auch deutlich gemacht, dass nicht nur der Umfang dieser Kredite zählt, sondern auch deren Zusammensetzung. Im Buch heißt es dazu:
'Anhand einer Betrachtung von 12 Hyperinflationen wird gezeigt werden, dass eine jede durch die Finanzierung gewaltiger Haushaltsdefizite mit Hilfe von Geldschöpfung verursacht wurde. Hiermit wird zum Ausdruck gebracht, dass nur die direkte oder indirekte Kreditvergabe durch die geldpolitischen Behörden an die Regierung zur Schöpfung von Geld führt - also zu einer Ausweitung der monetären Basis. Auf die am Kapitalmarkt aufgenommenen Darlehen trifft dies nicht zu, wenn diese nicht an die Fed weiterverkauft wurden.' Eine solche Betrachtung des US-Defizits zeigt, dass bei Weitem nicht alle vom Staat aufgenommenen Kredite von der Fed finanziert werden.
Laut vorläufigen, groben Schätzungen werden nicht 40 Prozent, sondern "nur" ca. 13 Prozent der US-Ausgaben auf diesem Weg finanziert. Zudem wurde bei dieser Betrachtung auch der Tatsache Rechnungen getragen, dass schätzungsweise zwei Drittel aller Dollar-Noten im Ausland zirkulieren. Dieser Umstand - wie auch die Tatsache, dass gerade China, Indien und die Golfstaaten über unglaublich große Bestände an Dollar-Vermögensanlagen verfügen - könnte andere und spätere Gefahren auf den Plan rufen. Aber diese Gefahren werden, mit Ausnahme einer Rückkehr der Dollar-Noten und des Aufkaufs sich im Ausland befindlicher Dollar-Anlagen durch die Fed, von anderer Natur sein. In den nächsten Jahren könnte die Inflation mehr oder weniger stark steigen, aber aktuell besteht in den Vereinigten Staaten keine Gefahr einer Hyperinflation."
Bernholz ist mit der Fed und dem Kongress wahrscheinlich viel zu nachsichtig. Für die Hypothekenanleihen von Fannie und Freddie, die die Fed mit eigens gedrucktem Geld aufkaufte, veranschlagt er nicht mehr als 700 Milliarden $. Hätten andere Zentralbanken ihre hypothekarisch gesicherten Wertpapiere nicht auf den Markt geworfen, so hätte die Fed wohl sogar 100% des Haushaltsdefizits über den Ankauf von Staatsanleihen finanziert. Interessanterweise passt aktuell nur ein Land in das Raster einer Hyperinflation - Großbritannien. Dort wurde das Haushaltsdefizit zu 100% durch die Zentralbank monetisiert. So überrascht es auch gar nicht, dass die Inflation in Großbritannien seither regelmäßig über den Prognosen der eigenen Zentralbank liegt. Offenbar sieht man dort aber keine Verbindung.
Obgleich es unwahrscheinlich ist, dass die Vereinten Staaten, Japan oder irgendein anderes Land bald schon eine Hyperinflation erleben werden, so könnte sich die Situation in Zukunft ändern, sollte eine dieser Zentralbanken ihre Unabhängigkeit verlieren oder aber die eigenen geldpolitischen Maßnahmen weiterhin über landeseigene Staatsanleihen koordinieren wollen. Mit den quantitativen Lockerungen haben die Zentralbanken viel Unabhängigkeit verloren. Auch wenn sie sagen, sie würden ihre Distanz zur Legislative und dem Finanzministerium halten, so lassen sich doch nur wenige davon täuschen.
Die Zentralbanken in Großbritannien, Europa und den Vereinigten Staaten arbeiten derzeit praktisch an der Seite der Finanzministerien, um Geld in die Wirtschaft zu pumpen, was aufgrund des enormen Deleveraging im Privatsektor bisher nur begrenzte Wirkung zeigt. Möglicherweise werden sie das in zunehmenden Umfang versuchen; und je größer der Umfang, desto größer der Koordinationsbedarf und desto geringer die Unabhängigkeit. Sollte es zu einem Abschwung kommen, hoffen wir, dass sich die Zentralbanken weise genug zeigen und für den Fall einer haushaltspolitischen Krise keine Staatsschulden monetisieren werden. Aber vermutlich werden sie das tun, leider.
Die Federal Reserve hat in den letzten Jahrzehnten spektakuläre Fehler begangen. Unter Alan Greenspan kannte die Fed nur eine Lösung für Probleme - die Bereitstellung zusätzlicher Liquidität. Wer einzig und allein über einen Hammer verfügt, sieht im allem einen Nagel. Unter Bernanke monetisierte die Federal Reserve effektiv Staatsschulden und auch Hypothekenanleihen, die von quasi-staatlichen Körperschaften wie Fannie Mae und Freddie Mac gehalten wurden.
Wird die Fed im Fall eines Abschwungs erneut ihren Hammer einsetzen und mehr Liquidität bereitstellen, indem sie noch größere Mengen staatlicher Verbindlichkeiten aufkauft? Wir hoffen es nicht. Schuldendeflation ist eine schreckliche Sache, doch Hyperinflation ist sogar noch schlimmer. Wir müssen wachsam bleiben und darauf achten, dass die Zentralbanken ihre Unabhängigkeit behalten.
Was ist unsere Prognose für die USA und Ihr Land? Das können Sie alles in den folgenden Kapiteln lesen. Unter www.amazon.com finden Sie Ihren persönlichen Ratgeber für die kommenden Jahre.
© John Mauldin
Dieser Artikel wurde am 12. März 2011 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.