Die Tulpen-Spekulation: An der Wiege des Kapitalismus
29.12.2012 | Presse
Den Reigen der Impuls-Serie "Spekulationen, Depressionen und Rebellionen" hat die Tulpen-Spekulation in den Goldenen Zeiten Amsterdams eröffnet. Importierte Tulpenzwiebeln, damals eine Rarität, wurden in Auktionen gehandelt. Es entwickelte sich ein langfristiger Aufschwung, der speziell im Jahr 1636 zu erheblichen Preissteigerungen und zur Spekulation führte. Nach monatelangen Preissteigerungen platzte die Blase Anfang Februar Jahres 1637.
Abb.1 zeigt den extrapolierten Kursverlauf der Tulpenzwiebeln. Ein klassischer Chart einer Kursrally, die durch Phantasien entzündet wird und danach zu ihrem alten Kursniveau zurückfindet.
Zwar löste das Spekulationsende neben einer Reihe von Gerichtsverfahren auch eine enorm umfangreiche sittliche Diskussion über Sinn und Unsinn derartiger wirtschaftlicher Verwerfungen aus, jedoch keine schwerwiegende wirtschaftliche Depression, wie fälschlicherweise öfters erzählt wird.
Denn nur durch eine wirklich große Depression wäre in den Niederlanden ein gewaltiges revolutionäres Potential entstanden, welches wiederum für eine alles verändernde Änderung der politischen Machtzirkel1 hätte „gebraucht“ werden können.
So aber blieb die federführende "freiheitsliebende" Bewegung intakt, die vor allem den (Welt-)Handel und die Religionsfreiheit begünstigte, sowie weitere enorme Kapitalzuflüsse an Edelmetallen, den Aufbau internationaler Handelskonzerne, aber auch Staatspiraterie und Spekulationen ermöglichte. Die holländischen Machthaber und die Bevölkerung wollten unter keinen Umständen von einem vielleicht unnachgiebigen und noch dazu moralisierenden katholischen Herrscher regiert werden. Das Motto "No King but Jesus" drückt die damalige Geisteshaltung der „christlichen“ Niederlande prägnant aus.
Die in der niederländischen Gesellschaft geförderte Individualisierung, unterschiedliche und oft auch radikale Interpretationen der Hl. Schrift und völlige Religionsfreiheit förderten die Bildung von (christlichen) Splittergruppen. Heute würden wir von Communities oder Zielgruppen sprechen. Dies kann aus der PBS Dokumentation über William Tyndale geschlossen und nachvollzogen werden.2
Doch zurück zur Tulpenspekulation. Wir begegnen zu jener Zeit schon allen Elementen einer modernen Spekulation, wie dem Papierhandel ohne Warenübergabe ("paper tulips"), börsenähnlichen Verkaufsauktionen, Leerverkäufen und sogenannten Future Forwards.3 Vermutlich ist dies der Grund, warum eben auch viele andere Geschichten - je nach ideologisch-religiöser Disposition und Präferenz - zur Tulpenspekulation hinzugedichtet wurde. Dazu gehören etwa die folgenden Behauptungen:
Unerwähnt bleiben die ausufernden Zinsgeschäfte der 1609 in Amsterdam gegründeten "ersten Zentralbank" der Welt, die natürlich Geld - in diesem Fall Edelmetall bzw. EM-Verwahrungsscheine (=Banknoten) - aus der Realwirtschaft für Zinszahlungen abzogen. Ebenfalls nicht erwähnt wird der ständige Zufluss von "ausländischem" Kapital, welcher so wie heute preistreibend auf Immobilien, Grundstücke, Aktien und Produktionsmittel wirkte.
Schon gar kein Thema war bisher die Preisdrückung der niederländischen Produzenten durch den Import von billigeren Gütern aus aller Welt. Niederländische Hersteller von Konsumgütern gerieten unter wirtschaftlichen Druck und mußten nach billigerem (ausländischen) Personal suchen.
Übersehen werden jedoch etwa die sozialen Spannungen, die durch die Massen-Immigration in das "wirtschaftlich blühende" Holland ausgelöst wurden. Diese drückte den Preis für die Arbeit und erhöhte aufgrund der gestiegenen Nachfrage die Preise für Konsumgüter.
Abbildung 1: Tulpenpreise im Zuge der Spekulation
Abb.1 zeigt den extrapolierten Kursverlauf der Tulpenzwiebeln. Ein klassischer Chart einer Kursrally, die durch Phantasien entzündet wird und danach zu ihrem alten Kursniveau zurückfindet.
Zwar löste das Spekulationsende neben einer Reihe von Gerichtsverfahren auch eine enorm umfangreiche sittliche Diskussion über Sinn und Unsinn derartiger wirtschaftlicher Verwerfungen aus, jedoch keine schwerwiegende wirtschaftliche Depression, wie fälschlicherweise öfters erzählt wird.
Denn nur durch eine wirklich große Depression wäre in den Niederlanden ein gewaltiges revolutionäres Potential entstanden, welches wiederum für eine alles verändernde Änderung der politischen Machtzirkel1 hätte „gebraucht“ werden können.
So aber blieb die federführende "freiheitsliebende" Bewegung intakt, die vor allem den (Welt-)Handel und die Religionsfreiheit begünstigte, sowie weitere enorme Kapitalzuflüsse an Edelmetallen, den Aufbau internationaler Handelskonzerne, aber auch Staatspiraterie und Spekulationen ermöglichte. Die holländischen Machthaber und die Bevölkerung wollten unter keinen Umständen von einem vielleicht unnachgiebigen und noch dazu moralisierenden katholischen Herrscher regiert werden. Das Motto "No King but Jesus" drückt die damalige Geisteshaltung der „christlichen“ Niederlande prägnant aus.
Die in der niederländischen Gesellschaft geförderte Individualisierung, unterschiedliche und oft auch radikale Interpretationen der Hl. Schrift und völlige Religionsfreiheit förderten die Bildung von (christlichen) Splittergruppen. Heute würden wir von Communities oder Zielgruppen sprechen. Dies kann aus der PBS Dokumentation über William Tyndale geschlossen und nachvollzogen werden.2
Doch zurück zur Tulpenspekulation. Wir begegnen zu jener Zeit schon allen Elementen einer modernen Spekulation, wie dem Papierhandel ohne Warenübergabe ("paper tulips"), börsenähnlichen Verkaufsauktionen, Leerverkäufen und sogenannten Future Forwards.3 Vermutlich ist dies der Grund, warum eben auch viele andere Geschichten - je nach ideologisch-religiöser Disposition und Präferenz - zur Tulpenspekulation hinzugedichtet wurde. Dazu gehören etwa die folgenden Behauptungen:
- Breite Teile der niederländischen Bevölkerung aus allen Gesellschaftsschichten seien vom Spekulationsfieber erfasst worden4 und verarmten nach dem Platzen der Spekulationsblase.
Unerwähnt bleiben die ausufernden Zinsgeschäfte der 1609 in Amsterdam gegründeten "ersten Zentralbank" der Welt, die natürlich Geld - in diesem Fall Edelmetall bzw. EM-Verwahrungsscheine (=Banknoten) - aus der Realwirtschaft für Zinszahlungen abzogen. Ebenfalls nicht erwähnt wird der ständige Zufluss von "ausländischem" Kapital, welcher so wie heute preistreibend auf Immobilien, Grundstücke, Aktien und Produktionsmittel wirkte.
Schon gar kein Thema war bisher die Preisdrückung der niederländischen Produzenten durch den Import von billigeren Gütern aus aller Welt. Niederländische Hersteller von Konsumgütern gerieten unter wirtschaftlichen Druck und mußten nach billigerem (ausländischen) Personal suchen.
- Ein dramatischer wirtschaftlicher Einbruch wäre nach dem Platzen der Tulpenspekulation zu verzeichnen gewesen, den die Armen zu bezahlen hatten.
Übersehen werden jedoch etwa die sozialen Spannungen, die durch die Massen-Immigration in das "wirtschaftlich blühende" Holland ausgelöst wurden. Diese drückte den Preis für die Arbeit und erhöhte aufgrund der gestiegenen Nachfrage die Preise für Konsumgüter.
- Unglaubliche Summen wären von den damaligen "Kapitalisten" wie dem Hochadel und den Merchant-Bankern nur für Spekulationen eingesetzt worden. So wäre Kapital durch diese Spekulationsgier "vernichtet" worden und wäre nicht den Armen zugute gekommen. Dadurch wäre der ganze spekulative Irrsinn des Kapitalismus wieder einmal bewiesen.