Bert Dohmen: Die kommende China-Krise
27.12.2012 | Clif Droke
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Droke: Die industrielle Nachfrage aus China beeinflusst natürlich die Preise der wichtigen Rohstoffe. Wohin geht der Rohstoffpreistrend im Jahr 2013? Dohmen: Die Rohstoffkurse werden sich eher von der schwachen Seite zeigen. China wird neue Stimuli für die verschiedenen Sektoren geben. Aber sie können nur die Infrastruktur ausbauen, wo Rohstoffe zum Einsatz kommen, aber auch dafür verbrauchen sie nicht genug. Sie haben gewaltige Kupfer- und Stahlvorräte und produzieren weiter, obwohl sie diese nicht verkaufen können. Viele größere Städte haben jetzt Einwohnerzahlen von mehr als 1 Million Menschen. Diese Städte haben Stahlwerke, welche gleichzeitig große Arbeitsgeber sind. Die städtischen Regierungen scheuen sich, diese zu schließen, weil keine Arbeitslosigkeit wollen, also produzieren sie weiter.
Wenn man China analysiert, sollte man nicht auf die Produktionszahlen schauen, schauen Sie auf die Absatzzahlen, an die man viel schwerer herankommt. Zwischen Stahlproduktion und Stahlabsatz gibt es einen großen Unterschied. Vor einigen Monaten gab es beispielsweise die große Schlagzeile, dass die Autoverkäufe in den USA Rekordstände erreicht hätten. Kleingedruckt liest man aber, dass dies die Absatzzahlen der Produzenten sind, die die Autos in die Absatzkanäle drücken und an die Autohäuser verkaufen. Der Einzelhandel schrie aber: "Hört auf, uns diese Autos zu schicken, wir können sie doch nicht loswerden!" In den USA wird diese Aufblähung der Absatzzahlen durch überdimensioniertes Weiterreichen der Produktion an den Einzelhandel "channel stuffing“ genannt; auch in anderen Ländern wird das praktiziert. Das sind die Zahlen, die in den Berichten auftauchen und über die berichtet wird, es sind aber nicht die wirklichen Zahlen.
Droke: Kann China unter dem derzeitigen kommunistischen Regime zu wirklicher Größe aufsteigen?
Dohmen: Vor eineinhalb Jahren schrieben wir, dass der Große Sprung nach vorn gegen die Chinesische Mauer des Kommunismus knallte. Für China sind die einfachen Zeiten - wie niedrige Lohntarife und Einkommen - vorbei. Sie bekamen all diese wunderbaren Technologien des Westens kostenlos. Alle westlichen Multinationals haben alle Details ihrer Patente ihren chinesischen Partnern überschrieben. Das ist jetzt durch. China hat ca. 100 Jahre Entwicklung im Westen gratis bekommen.
Im Lebenszyklus eines jeden Landes ist schließlich der Punkt erreicht, an dem das Unternehmertum übernehmen und zur Entwicklung beitragen würde, aber in China haben sie die Freiheit dazu nicht. Das kam man überall in China beobachten; alles wird vom Staat kontrolliert. Solange China keinen wie Gorbatschow findet, der das kommunistische Regime auflöst, solange wird China schwächeln und sinkende Wachstumszahlen zu verzeichnen haben. Der Privatsektor befindet sich schon in einer Rezession. Die BIP-Zahlen, die offiziell mit 7% angegeben werden, stimmen hinten und vorne nicht. Die Regierung sagt, man sollte sie nicht als akkurate Zahlen verstehen, sondern als "Richtlinien" [lacht]. Das BIP wird zu hoch angegeben und die Zahlen sind nicht seriös. Um wirklich zu messen, was im Privatsektor vor sich geht, benutzen wir Zahlen aus dem Privatsektor wie den Stromverbrauch, und der ist seit 1½ Jahren gesunken. Wie kann das aber sein, wenn China Wirtschaft wächst?
Droke: Wie groß ist die Immobilien-Bubble Chinas wirklich, und ist sie schon geplatzt?
Dohmen: Ja. Die Menschen reden immer noch davon, dass die Wohnungspreise in Peking schwindelerregend sind, aber der Rest des Landes hat schon große Verluste gesehen. Die Bauentwickler verkaufen kontinuierlich Hauseinheiten und haben die Preise um 30 bis 50 Prozent sinken lassen. Das verärgert frühere Käufer, und sie wollen aus ihren Verträgen. Grundstücksverkäufe gibt es in China nicht, weil nur der Staat Landeigentümer sein kann. Es gibt langfristige Pachtverträge - auf 50 Jahre. In letzter Zeit wurden so viele große Grundstücke wie selten zuvor gepachtet. Auch diese Zahlen stimmen nicht. Unternehmen holen sich Land und verpachten es an Bauentwickler, die dann 50% Gewinn für Krankenhäuser, Feuerwehren und andere städtische Dienstleistungen machen. Beim Einbruch des Immobilienmarktes im vergangenen Jahr kauften die Entwickler nicht mehr und den Gemeinden fehlten die Einnahmen. Also wurde mit den Entwicklern verhandelt. Der Pachtzins muss neue Hochstände erreichen, damit die Menschen begeistert sind und denken, dass der Immobiliensektor wächst. Das ist eine andere Form der Marktmanipulation.
Droke: Auf Seite 119 Ihres Buches merken Sie an, dass das Wachstum des chinesischen Geldangebots Ende 2011 auf Jahresbasis von krassen 30% auf 12,5% gesunken sei. Wie steht es aktuell um Chinas Geldmengenwachstum?
Dohmen: Ich habe die Zahlen zwar gerade nicht vor mir, aber es ist weiter am Sinken, die Geldumlaufgeschwindigkeit sinkt. Alles fährt eine Stufe herunter. Die einzigen Institutionen, die Bankenkredite bekommen, sind staatseigene Betriebe. In China bekommen nur diese “Prinzchen", die Kinder hoher Parteigenossen, Kredite. Das ist die totale Korruption. Kleine Unternehmer haben Schwierigkeiten, im Wettbewerb mit größeren Unternehmen Stand zu halten; sie kommen nicht an diese vorteilhaften Bankenkredite oder sie bekommen überhaupt keine. Wenn die kleineren Unternehmen auf dem Gebiet der staatseigenen Betriebe mitmischen wollen, dann finden diese Wege und Möglichkeiten, sie aus dem Rennen zu werfen. Kreditlinien werden gekürzt oder ausgesetzt. Die anderen haben bessere Beziehungen und können sich der Konkurrenz recht einfach entledigen. Mit solchen Zuständen kann man keine wachsende Wirtschaft haben.