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China ist nicht der entscheidende Faktor

03.09.2005  |  Robert Rethfeld
"1990 exportierte China fünf Mal mehr Öl, als es einführte. Ab 1993 importierte China mehr Öl, als es ausführte. Seit 2003 importiert es mehr Rohöl als Japan. 2004 importierte das Reich der Mitte 120 Millionen Tonnen Rohöl und Ölprodukte. Die OPEC schätzt, das rund 23% des Nachfrage-Wachstums nach Öl, in den nächsten 30 Jahren, von China ausgehen wird." (aus Wikipedia.de)

Eine Tageszeitung rief in diesen Tagen die Deutschen dazu auf, Öl und Benzin zu sparen. Wenn die Verbraucher sich derart wehren, müssten die Ölkonzerne die Preise an unseren Tankstellen senken, so die These. Leider sind diese Zusam-menhänge nicht so einfach: Die Deutschen sparen bereits massiv, ohne dass dies nennenswerte Auswirkungen auf den Weltölverbrauch hat. Der Verbrauchswert von 1979 - 3,3 Mio. Barrel pro Tag - wird nach menschlichem Ermessen nie mehr erreicht werden. Im Jahr 2004 wurden durchschnittlich 2,6 Mio. Barrel Öl pro Tag konsumiert.

Im vergangenen Jahr reduzierten 11 Länder ihren Ölverbrauch gegenüber dem Vorjahr. 8 davon – darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz – sind Teil des europäischen Kontinents. Bemerkenswert: Auch in Japan und Südkorea schrumpfte 2004 der Ölkonsum. „Auf der Anklagebank“ befinden sich die Länder, deren Ölverbrauch im vergangenen Jahr deutlich stieg. Wir der folgende Chart zeigt, sind dies China, die Ukraine, Kuwait, Singapur und Venezuela.
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Bei Durchsicht der Tabelle fällt auf, dass Ost- und Südosteuropa (Ukraine, Tschechische Republik, Polen, Rumänien, Frühere Sowjetunion) auf der einen Seite sowie die Erdöl produzierenden Länder (Kuwait, Venezuela, Kasachstan, Saudi Arabien, Algerien, GUS, Iran, Ver. Arab. Emirate) auf der anderen Seite die größten Verbrauchszuwächse nach China für sich verbuchen. Für den Mehrverbrauch Osteuropas dürfte der wirtschaftliche Aufschwung einen Großteil der Erklärung liefern. Doch der Konsumschub dürfte nicht von Dauer sein: Die schwache Geburtenrate in Osteuropa wird sich in den kommenden Jahren zunehmend verbrauchsmindernd auswirken.

Anders hingegen liegt der Fall in China und in den Erdöl fördernden Ländern. Die chinesische Bevölkerung wird in den kommenden 20 Jahren um etwa 150 Mio. Einwohner wachsen. Das allerdings dürfte nach Erkenntnissen der US-Census-Behörde der letzte Bevölkerungszuwachs Chinas für lange Zeit sein, da sich ab 2025/30 die Ein-Kind-Politik massiv bemerkbar machen wird.

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Über China wurde in letzter Zeit so viel geschrieben, dass die genannten Zusammenhänge in breiten Teilen der Investmentgemeinde bekannt sein dürften. Weitgehend unbekannt hingegen ist die dramatische Bevölkerungszunahme in den Erdöl fördernden Ländern. Saudi-Arabien als Land mit den – angeblich – größten Ölreserven der Welt lässt sich als prominentes Beispiel anführen.

Wie der folgende Chart zeigt, dürfte sich die dortige Bevölkerungszahl in den kommenden vierzig Jahren von jetzt 27 auf dann knapp 50 Mio. Einwohner fast verdoppeln.

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Und Saudi-Arabien steht nicht allein. In den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Kuwait liegt die Geburtenrate derzeit bei 3,0 und im Irak bei 4,3 Kindern pro Frau. Nimmt man Staaten wie den Iran, Yemen, Syrien, Jordanien sowie Palästina hinzu, so dürfte diese Region, die um ein einiges kleiner als China ist, im Bevölkerungswachstum mit China in den kommenden 25 Jahren gleichauf liegen und es in den anschließenden Jahren übertreffen. 2004 war der Nahe Osten bereits die wachstumsstärkste Region der Welt, was den Ölverbrauch angeht.

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Hinzu kommt, dass die Intensität des Ölverbrauchs pro Einwohner in Saudi-Arabien eine andere ist als diejenige in China. Während in den kommenden Jahren Millionen von Chinesen weiterhin auf dem Land leben werden und weiterhin andere Energieformen (z.B. Kohle) nutzen, kann die Bevölkerung Saudi-Arabiens ohne den massiven Einsatz von Erdöl kaum überleben (Stichwort Meerwasserentsalzung). Der Pro Kopf Verbrauch in Saudi-Arabien befindet sich derzeit auf US-Niveau und ist damit 12mal höher als in China. Selbst wenn sich dieses Verhältnis in den kommenden Jahren reduzieren sollte: Die Hebelwirkung jedes zusätzlichen saudi-arabischen Einwohners auf den Ölpreis ist deutlich höher als die eines zusätzlichen Einwohner Chinas. Ganz zu schweigen vom pro Kopf-Verbrauch Kuwaits und den arabischen Emiraten, die das US-Niveau um jeweils das doppelte übertreffen. Betrachtet man die kommenden 20 Jahre, so dürfte klar geworden sein, dass der Bevölkerungszuwachs der Ölförderländer und dort speziell Saudi-Arabiens den Ölverbrauch stärker anstacheln sollte als derjenige Chinas.

Ein Umstand macht die Situation besonders explosiv. Nämlich die einfache Tatsache, dass die Erdöl fördernden Länder vor der vielleicht wichtigsten Entscheidung ihrer Geschichte stehen. Sie müssen die Frage beantworten, ob Sie ihre endlichen Ölreserven für ihre wachsende Bevölkerung oder für die Vermehrung ihres eigenen Wohlstands einsetzen wollen. Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Wählen die Scheichs den eigenen Wohlstand und optieren für die Beibehaltung der massiven Einnahmen aus den Ölgeschäften, so wird die eigene Bevölkerung zunehmendem Leidensdruck ausgesetzt, was sich in einer revolutionären Explosion entladen könnte. Bedienen die Scheichs zuerst die eigene Bevölkerung, werden die fehlenden Einnahmen aus dem Ölgeschäft zu einem Verlust des gewohnten Lebensstandards der Finanzelite und zu einer Erschlaffung der wirtschaftlichen Investitionstätigkeit führen. Einen Ausweg aus dieser Sackgasse wird es für die Saudis kaum geben. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind das einzige Land, das versucht, diesem Teufelskreis zu entgehen und sich mit der Tourismusindustrie ein zweites Standbein aufzubauen (siehe Wochenend-Wellenreiter vom 19. August 2005). Ob es gelingt? Die wahrscheinliche Antwort lautet nein.


© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de




P.S.: Wir veröffentlichen morgens gegen zwischen 7:30h und 8:00h eine tägliche Kolumne zum aktuellen Geschehen unter www.wellenreiter-invest.de, die als 14-tägiges Schnupperabo kostenlos getestet werden kann.





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