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Rohstoff-Crash: Hintergründe und Ansteckungsgefahr für Aktien

08.05.2011  |  Klaus Singer
Nachdem jeder und seine Schwiegermutter in Silber "diversifiziert" hatte, kam es, wie es kommen musste. Das Edelmetall, dessen Preis angeblich schon bald über 100 steigen sollte, brach in dieser Woche um rund 30% ein und fällt damit im Wochenvergleich so stark wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Spätestens seit Oktober 2010 befand sich die Preisentwicklung in einem exponentiellen Stadium.

Aber dieser Crash war keine isolierte Erscheinung, der gesamte Bereich der industriellen Rohstoffe geriet massiv unter Druck. Anfang der Woche hatte Öl Brent bei über 126 Dollar ein Topp markiert, heute im frühen Handel stand das "schwarze Gold" bei 106. Allein am Donnerstag dieser Woche fiel es um über 10%, als die Marke von 120 brach. Das ist der größte, jemals gesehene ein-Tages-Verlust. Auch das "gelbe Gold" kam unter die Räder, das Wochentief lag 7% unter dem Wochenhoch.

Der auf den wichtigsten Industrierohstoffen basierende CRB-Index fiel am Donnerstag um 4,9%, nahezu so stark wie im Herbst 2008. Der Index steigt seit August 2010 mit demselben Anstiegswinkel wie seinerzeit von August 2007 an. Damals kippte er 11 Monate später, Anfang Juli 2008 unter 480 ab. Im März und Mai 2008 hatte es starke, kurze Einbrüche gegeben, auch in diesem Jahr gab es die (siehe Chart!).

Verführerische Parallelen - wenn es nicht so offensichtlich wäre, könnte man vermuten, dass auch dieses Jahr im Juli "Deadline" für den CRB ist, dieses Mal vielleicht bei rund 400 Punkten. Wetten möchte ich darauf keine abschließen - schon deswegen nicht, weil die Liquiditätsschwemme die Lage extrem verzerrt.

Bei Öl Brent lassen sich ebenfalls gute Parallelen zur Zeit vor dem offenen Ausbruch der Finanzkrise herstellen. Damals wurde der Kursverlauf zum Jahresende 2007 exponentiell, aktuell war November/Dezember 2010 der Start für den Bau einer Fahnenstange. Die Vorbereitungszeit hierfür war damals rund vier Jahre lang, aktuell sind es nicht einmal 20 Monate (siehe Chart!).

Zu den langfristigen Perspektiven bei Gold siehe entsprechenden Artikel im Blog der TimePatternAnalysis.

Zu den Kursbewegungen dieser Woche im Rohstoff-Bereich kann man nur sagen, hier hat Mandelbrot’s "Wilder Zufall" zugeschlagen - graphisch erkennbar daran, dass die Bollingerbänder massiv nach unten aufgerissen sind.


Was steckt hinter dem Rohstoff-Crash?

Die fallenden Rohstoffpreise werden von manchen Beobachtern als Indiz für sinkende Nachfrage gewertet. Und daraus wird auf einen kommenden Konjunktureinbruch, teilweise auf eine neue Rezession, geschlossen. Mitte der Woche hatten sich im Vorfeld der heutigen Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten für April Befürchtungen breit gemacht, die Erholung des Arbeitsmarktes könnte vorbei sein.

Dies ist aber jetzt der entscheidende Punkt. Nachdem die Unternehmen in den zurückliegenden zwei Jahren ihre Gewinnsituation hauptsächlich durch Verschlankung und Produktivitätssteigerungen verbessert haben, schafft nur eine höhere gesamtgesellschaftliche Nachfrage die Voraussetzung dafür, dass die Unternehmensgewinne durch steigende Umsätze weiter vorankommen. Und die hängt jetzt maßgeblich von dauerhaft steigender Beschäftigung ab.

Die schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich Arbeitsmarkt traten nicht ein - im Gegenteil. Die Zahl der neuen Stellen stieg, wie am gestrigen Freitag berichtet, im April stärker als erwartet und als nach den Vorberichten zu erwarten (siehe Chart!).

Dennoch - inwieweit wird mit dem Einbruch im Rohstoffsektor ein Konjunktureinbruch vorweggenommen? Die US-Makroindikatoren weisen dies jedenfalls auf Sicht der nächsten 3 bis 4 Monate nicht aus. Beispielhaft hierfür der PCE (personal consumption expenditures) (siehe Chart!). Die Konsumausgaben steigen seit 10 Monaten, der Trend weist weiter aufwärts, allerdings mit leichten Anzeichen einer Überhitzung.

Auch beim ISM-Index zeigen sich Überhitzungszeichen. Der Stimmungsindex der US-Fertigungsindustrie hatte kürzlich den Bereich bei 60 erreicht, der seit mindestens 20 Jahren weitere Avancen deckelt (siehe Chart!). Aus dem einsetzenden Tempoverlust auf einen Konjunktureinbruch oder eine neue Rezession zu schließen, wäre aber zumindest sehr verfrüht.

Als wichtige Rahmenbedingung für den Kollaps bei den Rohstoffpreisen kommt der Außenwert des Dollar in Betracht. Im Verhältnis zum Euro hatte sich der Greenback in den vergangenen Tagen unter 1,50 festgefressen. Mancher hatte damit gerechnet, dass die EZB die Leitzinsen spätestens im Juni/Juli weiter anhebt. Als die EZB dieses am Donnerstag dieser Woche nicht in Aussicht gestellt hat, fiel Euro/Dollar um fast 0,03 auf rund 1,4530. Gleichzeitig stieg der Dollar-Index stark an, nachdem er schon vier Tage in unsicher seitwärts gelaufen war. Da Rohstoff-Preise in Dollar notieren, gab das einen wichtigen Anlass für deren Korrektur.

Am Freitag hielt die Marke von 1,4530 bei Euro/Dollar noch bis in den späteren Nachmittag hinein, Rohstoffe konnten sich spürbar erholen. Öl Brent z.B. stieg von 106 bis 114. Dann kamen Gerüchte über ein europäisches Geheimtreffen über die Schuldensituation in Griechenland auf. Dementis halfen nicht, zu oft waren sie schon als Lügen enttarnt worden. Der Euro fiel, der Dollar erstarkte (siehe Chart!). Das Geheimtreffen hatte statt gefunden. Mancher will gar wissen, dass Griechenland aus dem Euro ausscheidet. Bis jetzt scheint die Drachme noch nicht wieder eingeführt...




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