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Dr. Frankenstein warnt vor seinem Monster

17.09.2005  |  Claus Vogt
"Nearer term, the housing boom will inevitably simmer down. As part of that process, house turnover will decline from currently historic levels, while home price increases will slow and prices could even decrease. As a consequence, home equity extraction will ease and with it some of the strength in personal consumption expenditures. The estimates of how much differ widely.", Alan Greenspan in einer Rede am 27. August 2005

(Übersetzung: Kürzerfristig wird sich der Immobilienboom unvermeidlicherweise beruhigen. Als Teil dieses Prozesses wird der zur Zeit historisch hohe Umsatz am Immobilienmarkt zurück gehen und die Preissteigerungen werden sich abschwächen und die Preise könnten sogar fallen. Als Konsequenz wird die zusätzliche Beleihung der im Preis gestiegenen Immobilien ebenso nachlassen wie die auf ihr basierenden hohen Konsumausgaben. Die Schätzungen bezüglich des Ausmaßes gehen weit auseinander.)

Müssen wir Dr. Frankenstein zu Dank verpflichtet sein, wenn er uns vor dem zerstörerischen Potenzial seiner neusten Kreatur in halbwegs deutlichen Worten warnt? Oder müssen wir nicht vielmehr den Schöpfer des Monsters für dessen Taten verantwortlich machen? Wir neigen ohne wenn und aber zu Letzterem. Aus diesem Grund haben wir die geldpolitisch kreierten Monster (Spekulationsblasen) in den vergangenen Jahren ausführlich analysiert und ihre Schöpfer in deutlichen Worten kritisiert. Wie üblich fehlt auch in dieser Rede Greenspans jeder Hinweis auf die Verantwortung der Notenbanker für die Entstehung dieser Situation. Wie immer wird versucht, den Eindruck zu vermitteln, die mit Spekulationsblasen entstehenden Probleme bestünden unabhängig von der Geldpolitik.

Dennoch ist in die Diskussion um die Verantwortung der Notenbanker beim Entstehen von Spekulationsblasen in den letzten Jahren etwas Bewegung gekommen. Die von uns als unhaltbare Schutzbehauptung bezeichnete und von Alan Greenspan einst vehement vertretene These, Spekulationsblasen seien ausschließlich nach ihrem Platzen zu erkennen, wird mittlerweile selbst von dem Meister höchstpersönlich in dieser apodiktischen Form nicht mehr öffentlich vorgebracht. Fand hier ein lobenswerter Lernprozess statt? Oder hat der diplomatische Geldpolitiker, der für seine Fähigkeit bekannt ist, trotz pompöser Reden nur äußerst selten eindeutig Farbe zu bekennen, lediglich an seinem zukünftigen Geschichtsbild gepinselt? Wollte er vielleicht nur eine zitierfähige Aussage nach dem Motto: "Ich habe euch doch gewarnt!" zu diesem brisanten Thema gemacht haben, das ihn in den kommenden Jahren auf ähnlich unangenehme Weise einholen wird, wie die "blühenden Landschaften" einen deutschen Ex-Kanzler? Warten wir es ab.


Lumpenball

Alle Jahre wieder treffen sich die US-Notenbanker zu einem Symposium in Jackson Hole, Wyoming. Bei dieser fröhlichen Nabelschau ergeben sich auch für kritische Beobachter der Szene interessante Einblicke in die Welt der Gelddrucker, Schönredner und Wichtigtuer. Insbesondere dank der von Alan Greenspan vorgetragenen "Reflections on central banking" (Betrachtungen über das Zentralbankwesen) und "Closing remarks" (Schlussbemerkungen) wurden wir auch in diesem Jahr nicht enttäuscht (siehe oben). Erinnern wir uns zunächst an einige Kernaussagen des mächtigsten Notenbankers der Welt zum Thema Spekulationsblasen.

  • "I think our expectation was that we would prick the bubble in the equity markets.", 22. März 1994
    (Übersetzung: Ich glaube, dass wir die Erwartung hatten, die Blase an den Aktienmärkten anzustechen.)
  • Offensichtlich glaubte Greenspan zu dieser Zeit daran, eine Spekulationsblase zu erkennen. Geplatzt war damals gar nichts, der S&P 500 Index erlebte eine unspektakuläre 10%-Korrektur.

  • "But bubbles generally are perceptible only after the fact.", 17. Juni 1999
    (Übersetzung: Spekulationsblasen sind aber im Allgemeinen nur im Nachhinein als solche wahrnehmbar.)
  • Mitte 1999 befanden sich die US-Aktienmärkte für jeden, der sehen wollte, eindeutig inmitten einer der größten Spekulationsblasen aller Zeiten. Jetzt vertrat der geldpolitische Verursacher dieser Missstände plötzlich diese abenteuerliche These.

  • "Identifying bubbles and their ultimate demise is exceptionally difficult.", 24. Mai 2001
    (Übersetzung: Das Erkennen von Blasen und ihres ultimativen Endes ist außerordentlich schwierig.)

  • Was 2 Jahre zuvor noch unmöglich sein sollte, ist jetzt nur noch außerordentlich schwierig. Mit dieser 180°-Wende kam Greenspan der Wahrheit bereits sehr nah. Uns veranlasste dieser bedeutungsvolle Positionswechsel seinerzeit zu einer simplen Frage: "Müssen wir diese in Greenspans Augen außerordentlich schwierige Fähigkeit von Personen, die den verantwortungsvollen Posten eines Notenbankers bekleiden, nicht unbedingt verlangen?"

    Dasselbe hier kurz nachgezeichnete Wendespielchen wiederholte Alan Greenspan dann im Hinblick auf die US-Immobilienblase, die sich im Anschluss an seine extrem expansive Geldpolitik der vergangenen Jahre entwickelte. In einer Rede vor dem amerikanischen Kongress behauptete er zunächst, die 4.1 Analogie zwischen Blasen am Aktienmarkt und einer Immobilienblase sei fehlerhaft, weil Immobilien hohe Transaktionskosten, auch emotionaler Art aufwiesen, der Verkäufer gewöhnlich ausziehen muss, weniger als 10% des Marktvolumens per annum umgesetzt werden und weniger Arbitrage-Möglichkeiten bestehen. Später dann hörte man Greenspan von "spekulativem Schaum an den Immobilienmärkten" fabulieren, offensichtlich bemüht, das Wort "Bubble" zu vermeiden. Und jetzt, in Jackson Hole, warnt unser Dr. Frankenstein, dessen Geldpolitik die notwendige Bedingung für das Entstehen auch dieser Monster-Blase geschaffen hat, vor den Folgen ihres unvermeidlichen Platzens.


    Vermögenswerte und Geldpolitik

    Ganz langsam und angesichts der bestehenden ökonomischen Ungleichgewichte viel zu spät scheint innerhalb der US-Notenbank ein gewichtiges Umdenken, fast möchten wir sagen ein Einlenken stattzufinden. Hinsichtlich des von uns immer wieder als überaus wichtig herausgestellten Zusammenhangs zwischen Preissteigerungen von Vermögenswerten (und damit natürlich auch von Spekulationsblasen) und Geldpolitik vertraten amerikanische Notenbanker bislang eine ganz erstaunliche These. Sie ließen ihr Publikum immer wieder wissen, dass Preissteigerungen von Vermögenswerten in ihren Entscheidungsfindungsprozessen keine Rolle spielen und wiesen jede Verantwortung für die Entstehung von Spekulationsblasen weit von sich. In Jackson Hole ließ Greenspan seine Peergroup plötzlich etwas ganz Anderes wissen: "Our forecasts and hence policy are becoming increasingly driven by asset price changes." (Übersetzung: Unsere Prognosen und folglich auch die darauf beruhende Geldpolitik werden in zunehmendem Maße von Veränderungen der Preise von Vermögenswerten bestimmt.) Mutiert der Vater der größten Spekulationsblase aller Zeiten kurz vor Torschluss noch vom Saulus zum Paulus?

    Bereits der nächste Absatz seiner Rede lässt uns an dieser Möglichkeit zweifeln. Hier macht er nämlich erneut nicht seine expansive Geldpolitik für die inflationären Preissteigerungen von Aktien, Anleihen und Immobilien verantwortlich, sondern, man höre und staune, die lange Periode wirtschaftlicher Stabilität und die seiner Meinung nach höheren Produktivitätszuwächse.

    In diesem Absatz seiner vermutlich letzten programmatischen Rede findet sich eine weitere durchaus erwähnenswerte Aussage: "Financial intermediaries, of course, routinely convert capital gains in stocks, bonds, and homes into cash for businesses and households to facilitate purchase transactions. The conversions have been markedly facilitated by financial innovation that has greatly reduced the cost of such transactions." (Übersetzung: Finanzintermediäre wandeln selbstverständlich routinemäßig Kursgewinne von Aktien, Anleihen und Häusern in Bargeld um und erleichtern damit Unternehmen und Haushalten geschäftliche Transaktionen. Diese Umwandlungen sind merklich erleichtert worden aufgrund von Finanzinnovationen, welche die Kosten solcher Transaktionen deutlich verringert haben.)

    Was mag dieser Kauderwelsch bedeuten? Wir vermuten, dass diese Sätze auf äußerst umständliche Weise die Kreditvergabe beschreiben, der als Sicherheiten Aktien, Anleihen und Immobilien dienen. Mit der dieses Geschäft merklich erleichternden Finanzinnovation könnte die allerdings nicht mehr ganz taufrische Bündelung und Verbriefung von Krediten gemeint sein.

    Oder umschreibt der mächtigste Notenbanker der Welt auf diese unverständliche Weise die mittlerweile extrem laxen Anforderungen zur Erlangung von Hypothekenkrediten? Laxe Kreditstandards sind ganz sicher keine Innovation, sondern eine typische Begleiterscheinung von expansiver Geldpolitik und der durch sie ermöglichten Spekulationsblasen. Dabei spielt es keine allzu große Rolle, ob die durch laxe Kreditstandards generierten und entsprechend riskanten Kredite anschließend gebündelt, verbrieft und an institutionelle Anleger verkauft werden. Es ist zwar durchaus wahrscheinlich, dass dieser Prozess die in den USA extrem gesunkenen Standards bei der Kreditvergabe erleichtert hat. Letztlich führt er aber lediglich dazu, dass die beim Platzen der Blase unweigerlich entstehenden Verluste aus notleidenden Krediten nicht bei den für ihre Vergabe verantwortlichen Banken entstehen, sondern in den Portfolios institutioneller Anleger. Wir sind schon jetzt überaus gespannt, wer am Ende dieses sehr heiß gelaufenen Kreditzyklus den Schwarzen Peter verlustreicher Kreditportfolios halten wird.




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