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Grüne Triebe spriessen hervor

27.07.2011  |  Richard Russell
- Seite 3 -
Zu seinem 87. Geburtstag hat Richard Russell einen speziellen Beitrag für seine Abonnenten und Leser verfasst. Diesen sehr persönlichen Beitrag möchten wir ebenfalls in einer deutschen Übertragung zugänglich machen, auch wenn er schon zwei Monate alt ist:


Was ist es eigentlich?

Bruchstücke von Richard Russell

11. Mai 2011 - Ich sah Babe Ruth (1895–1948),* einen "Homerun"** laufen. Ich sah Marion Motley,*** den ersten schwarzen NFL Stern (Cleveland Browns), über die Torlinie rollen. Ich war dabei, als das Radio die Szene betrat. Ich winkte von meinem Fenster aus herunter, als US-Präsident Herbert Hoover durch New York City fuhr und eine Siegesparade abnahm. Ich blickte hoch und sah das gigantische Luftschiff "Graf Zeppelin" über dem Horizont von Manhattan dahin schweben. Ich kaufte mir meinen ersten Fernsehapparat 1946, gleich nachdem der Krieg zu Ende gegangen war. Zu diesem Zeitpunkt schien das Fernsehen wie ein unvorstellbares Wunder.

In zwei Monaten werde ich 87 Jahre alt sein. Und ich schaue zurück und frage mich: "Wie ist das geschehen? In meinen alten und milderen Jahren bin ich ein wenig mystisch geworden, manche wähnen mich auch spiritueller geworden. Und ich frage mich: "Warum bin ich noch am Leben, während so viele meiner Freunde verstorben sind? In meinem Kopf liegt noch viel Arbeit vor mir - vor allem noch viel mehr Arbeit an mir selbst! Das Bekenntnis: Ich stecke in einer Art Therapie seitdem ich zwanzig geworden bin. Die Zeiten ändern sich wie Therapien.

Ich begann mit orthodoxer Freudianischer Psychoanalyse, auf einem Liegesofa (vier Tage pro Woche) mit einem Analysten dahinter ausserhalb des eigenen Gesichtsfeldes, und man assoziiert alles frei heraus, was einem gerade in den Sinn kommt.

Ich denke, einige Psychoanalytiker in New York verwenden noch immer diese Technik, sie ist aber teuer und zeitaufwändig, und nur wenige Menschen haben das Geld und die Zeit, sie in diesen Tagen anzuwenden. Sandor Lorand hatte meinen Psychoanalytiker, Dr. William Needles, analysiert. Sandor Ferenczi hatte Lorand analysiert. Der wiederum war von niemand geringerem als Sigmund Freud persönlich analysiert worden.

Später war ich in sogenannten Encounter-Gruppen, und danach bin ich zur Gestalt-Therapie übergegangen, letztere fand ich äußerst nützlich.****

Aber wozu all diese lebenslangen Therapien? Der Grund war, dass ich unter schwierigen Bedingungen aufwuchs, Umstände, die mich stark beeinflusst haben. Meine Mutter wusste wenig oder nichts über das Muttersein, da ihre Mutter bei einer Geburt gestorben war, als meine Mutter nur drei Jahre alt war. Meine Mutter ist also ohne ihre Mutter aufgewachsen und hatte keine Kenntnis von ihrer Rolle als Mutter und zudem hatte sie einen schwachen Vater zu verkraften, zusammen mit einer Stiefmutter, die sie nicht ausstehen konnte. Meinem Vater war es noch schlimmer ergangen. Er war zu Hause und ein Junge von acht Jahren, als sein Vater um 5 Uhr in der Früh Selbstmord beging, indem der sich eine Kugel in den Kopf schoss. Der Grund, den mein Großvater zu dieser Verzweiflung des Selbstmordes gebracht hat, war, dass er sein ganzes Geld in dem Börsencrash von 1907 verloren hatte. Eines Tages war er reich, am nächsten Tag war er pleite. Das war zu viel für ihn.

So wuchs ich mit - wie ich es bezeichne - "psychisch geschädigten" Eltern auf. Meine Mutter war eine talentierte Schriftstellerin, sie hatte drei Romane veröffentlicht und viele Kurzgeschichten, so dass ich glaube, dass ich mir meinen "Schreibbazillus" von meiner Mutter eingefangen habe.

Um wieder dahin zurückzukommen, warum ich noch immer da bin, und warum ich noch immer arbeite (und schreibe) im Alter von fast 87 Jahren. Ich denke, es hat mit dem zu tun, was ich mein "nicht abgeschlossenes Leben" nenne. Ich habe noch eine Menge zu lernen, über die Welt und über mich. Mein Gedanke ist, dass wir alle hier auf dieser Erde sind, um zu lernen. Leben ist nach meiner Meinung im Grunde eine Erfahrung des Lernens. Alles, was uns passiert, sollte akzeptiert werden als eine Chance für das Lernen. Meine Vermutung ist, dass wenn wir so weit wie möglich in dem Lernprozess gegangen sind, unsere Zeit auf Erden nutzlos oder beendet ist, an einer Stelle an der wir das große Jenseits bereit sind.

Ich wundere mich oft - gibt es irgendwelche Koinzidenzen, Zufälle oder ist alles eine Frage des wundersam günstigen Zeitpunkts? Sind die Situationen vor uns für uns zusammengestellt worden als eine Gelegenheit zum Lernen? Ist das Leben nur zufällig? Oder ist im größeren Zusammenhang alles nur Teil eines vorher vereinbarten Plans? Der Plan, an den ich glaube, ist, sich in Richtung auf eine Art von Perfektion zuzubewegen.

Ich denke, es gibt eine Bedeutung in all meinen medizinischen Problemen, die ich durchlebt und überlebt habe. Eine Mastoiditis (schwere Mittelohrentzündung), zwei Herzinfarkte, einen Schlaganfall, einen Motorradunfall, der Kampf im Zweiten Weltkrieg. Was ist es eigentlich? Vielleicht versucht mir irgendjemand zu sagen, dass trotz all dieser Möglichkeiten zu sterben, ich hier gewollt bin, dass mein Leben wirklich einen Sinn hat.

Nun, ich denke Sie sehen, worauf ich hinaus möchte. Wenn ein Kerl von 87 Jahren Gespräche wie dieses führt, denke ich, ist es schwer, darüber zu lachen und sagen: "Sein Alter hat Besitz von ihm ergriffen, er klingt wie ein schwachsinniger, alter Spinner. Aber wissen Sie, ich glaube nicht, dass ich eine taube Nuss bin. Ich fahre einfach nur fort, mich zu wundern und zu staunen, worum es eigentlich geht, und warum ich ich noch hier bin.


© Richard Russell
Dow Theory Letters



Dieser Artikel wurde am 15. Juli 2011 auf 321gold.com veröffentlicht und exklusiv von Dr. Markus Wolf für GoldSeiten.de übersetzt.


Legende des Übersetzers

* http://de.wikipedia.org/wiki/Babe_Ruth
** ttp://de.wikipedia.org/wiki/Home_Run
*** http://de.wikipedia.org/wiki/Marion_Motley
**** http://de.wikipedia.org/wiki/Encounter_(Psychologie)

In der "Finanzwoche" (Nr. 28) vom 20. Juli 2011 wird das Geburtstagskind Richard Russell von ihrem Herausgeber, den größten bankunabhängigen Vermögensverwalter, Dr. Jens Ehrhardt (dje.de), mit folgenden Worten gewürdigt: "Zu den wenigen Gold-Daueroptimisten gehört auch der US-amerikanische Börsenbrief-Verfasser Richard Russell, der in diesen Tagen 87 Jahre alt wird und seit 53 Jahren Börsenbriefe verfasst. Seit 43 Jahren eine Dauerlektüre des Herausgebers der FINANZWOCHE (da die FINANZWOCHE auch auf Englisch erscheint, werden wir Herrn Russell die heutige Ausgabe mit einem Geburtstagsglückwunsch übermitteln)."

Auch noch einmal von dieser Goldseiten.de-Stelle alles Gute zu Ihrem 87. Geburtstag, lieber Richard Russell.

Nicht zuletzt im eigenen Interesse wünschen wir Ihnen zu Ihrem Jahrestag all das, was Sie sich selber wünschen. Und das dürfte sicher nicht weit von dem zu unterscheiden sein, was viele Ihrer Abonnenten und Anhänger bewegt: auch weiterhin höchst eigennützig teilhaben zu können an Ihrer spannenden Neugierde auf die künftige Entwicklung und ihren unverwechselbaren Drang der ewigen Unbeständigkeit der Börse ein Schnippchen zu schlagen.

Happy Birthday from "goldseiten.de", dear Mr. Russell!!!




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