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Sparern droht der "Bail-in"

08.05.2013  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Dieser Beitrag wurde in ähnlicher Form beim Ludwig von Mises Institut Deutschland am 22. April 2013 veröffentlicht.

Die EU-Kommission verkündete am 12. April 2013 noch einmal, was sie bereits am 6. Juni 2012 unter der Überschrift "Neue Krisenmanagement-Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Bankenrettungen“ (IP/12/570) veröffentlicht hatte: Schieflagen von Euro-Banken sollen gelöst werden, indem die Eigenkapitalgeber und Gläubiger der Banken die Verluste zu tragen haben. (1) Die Politik, Eigenkapitalgeber, Gläubiger und Einleger in zur Deckung von Bankverlusten heranzuziehen, wird als "Bail-in“ bezeichnet.

Die Haftungsrangfolge soll dabei wie folgt sein: Entstehen bei Banken Verluste, so müssen diese zunächst von den Eigentümern der Banken getragen werden. Reicht also das Eigenkapital nicht aus, die Verluste zu decken (kommt es also zu einer Überschuldung), so müssen nachrangige Verbindlichkeiten der Banken ("Subordinated Debt“) herabgesetzt werden. Reicht das immer noch nicht aus, um die Verluste zu decken, kommen erstrangige Verbindlichkeiten ("Senior Debt“) an die Reihe. Und reicht das immer noch nicht, sollen auch die Halter von Bankeinlagen, die mehr als 100.000 Euro betragen, zur Ader gelassen werden.


Es trifft die Kleinsparer

Bei oberflächlicher Betrachtung könnte in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, die EU-Kommission will die "Reichen“ zur Deckung von Bankverlusten in die Pflicht nehmen und den "Kleinsparer“, beziehungsweise den Steuerzahler, verschonen. Doch bei genauerer Betrachtung erweist sich das als Fehleinschätzung.

Wenn Bankschuldverschreibungen gestrichen werden, beschert das den Haltern dieser Papiere Verluste. Diese Papiere werden jedoch vor allem von Versicherungen und Pensionsfonds und -kassen sowie Versorgungswerken gehalten, also Instituten, die vor allem die Lebensersparnisse kleiner und mittlerer Einkommensverdiener in Bankschuldverschreibungen angelegt haben.

Ein Herabsetzen der Bankschulden träfe folglich vor allem die kleinen und mittleren Einkommensverdiener (also die, die Bankeinlagen von weniger als 100.000 Euro halten). Um es anschaulich zu formulieren: Dem Halter einer Riester-Rente werden Verluste aufgebürdet noch bevor derjenige, der eine Bankeinlage von mehr als 100.000 Euro hält, zur Kasse gebeten wird.


Wann ist eine Bank überschuldet?

In einem freien Markt ist unzweifelhaft feststellbar, wann ein Unternehmen überschuldet ist. Anders ist das bei Geschäftsbanken, weil sie nicht in einem freien Markt operieren: Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) übt einen dominierenden Einfluss auf die Zins- und Preisgestaltung in den wichtigen Geschäftsfeldern der Banken aus.

So sorgt er dafür, dass Geschäftsbanken ihre fälligen Verbindlichkeiten problemlos refinanzieren können. Der EZB-Rat stellt den Banken nämlich in unbegrenztem Umfang Kredite zu Tiefstzinsen bereit. Die Zinsen auf dem Bankenrefinanzierungsmarkt spiegeln folglich nicht die wahre Bonität der Banken wider, sondern vielmehr die von der EZB gesetzten (Vorzugs-) Konditionen.

Unter diesen Bedingungen ist es Banken möglich, zum Beispiel Problemkredite, die sie in ihren Bilanzen ausweisen, "umzustrukturieren“. Auf diese Weise können sie einen Verlustausweis vermeiden. Bei Zahlungsproblemen des Kreditnehmers wird nun ein Problemkredit zum Beispiel verlängert, refinanziert mit Krediten, die die EZB zu Tiefstzinsen bereitstellt.

Durch die Tiefzinspolitik sorgt die EZB zudem auch für steigende Wertpapierkurse und hält auch auf diesem Wege Verluste für die Banken im Zaum. Sollte die Zentralbank gar dazu übergehen, die Kreditportfolios der Geschäftsbanken abzukaufen, kann sie auch die (Markt-)Preise dieser Kredite maßgeblich bestimmen und damit die Verluste für die Banken reduzieren beziehungsweise ganz vermeiden.

Eine besorgniserregende Machtansammlung beim EZB-Rat bahnt sich also an: Er hat es maßgeblich in der Hand, ob und wann Banken in "Schieflage“ geraten. Die Mitglieder im EZB-Rat beziehungsweise die Interessengruppen, die auf ihn den größten Einfluss nehmen, werden bestimmen, welche Bank über Wasser gehalten wird und welche nicht; und welche Bankverbindlichkeiten (unmittelbar) untergehen und welche nicht.

Damit trifft der EZB-Rat im Grunde auch die Entscheidung über das Wohl und Wehe der nationalen Bankensektoren im Euroraum. Das Einfallstor für politische Einflussnahme auf den EZB-Rat und damit die Euro-Geldpolitik könnte wohl kaum größer sein.




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